Maurer stellt Ansprüche der USA über Schweizer Recht
Der SVP-Bundesrat erlässt eine neue Verfügung zur Herausgabe von Bankdaten, bei welcher auf Schwärzung von Namen verzichtet wird.

In den Amtsstuben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) klopft man sich auf die Schultern. Der automatische Informationsaustausch (AIA) von Bankdaten mit gut 30 Ländern, der Ende September erstmals durchgeführt wurde, läuft angeblich reibungslos. Nicht erwähnt wird, dass bei der Bewältigung des Steuerstreits mit den USA, der zum AIA führte, nach wie vor eine heftige Auseinandersetzung tobt.
Umstritten ist die Praxis der ESTV, bei Amtshilfeverfahren mit den USA nicht nur die Namen von Steuersündern mitzuliefern, sondern auch jene von Tausenden Bankmitarbeitern, Rechtsanwälten und Vermögensverwaltern. Denn gemäss Steueramtshilfegesetz ist die Weitergabe der Namen von Dritten eigentlich verboten.
Gemäss Bundesgericht sind diese Personen darum berechtigt, die Schwärzung ihrer Namen zu verlangen. In der Praxis werden sie von der ESTV aber schlicht nicht informiert und die Namen werden einfach geliefert. Obwohl die Information von Beschwerdeberechtigten vorgeschrieben ist und das Bundesgericht dies letztes Jahr in einem Urteil explizit bestätigt hat.
Ebenfalls vor einem Jahr hat sich darum der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger eingeschaltet und gefordert, dass die Namen geschwärzt werden oder dort, wo das nicht möglich ist, die Betroffenen informiert werden, damit sie sich beschweren können.
«Die Verfügung ist schlicht skandalös»
Da die ESTV seine Empfehlungen nicht befolgen wollte, wandte sich Lobsiger an die vorgesetzte Behörde, das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) von Ueli Maurer. Ausgerechnet der SVP-Bundesrat schützt nun aber mit einer Verfügung, die der SonntagsZeitung vorliegt, die Praxis der ESTV.
Die Schwärzung einzelner Personen oder die Information von Beschwerdeberechtigten sei darum zu aufwendig.
Begründung: Die Amerikaner wollten die Namen, und die Amtshilfeverpflichtung der Schweiz habe eine «grosse aussenpolitische Bedeutung». Sollte die Schweiz die Verpflichtung nicht erfüllen, seien «sanktionierende Massnahmen anderer Staaten zu befürchten». Dabei ist nirgends in den Verträgen festgelegt, dass die Namen von Bankmitarbeitern herausgegeben werden müssen, geschweige denn jene von Anwälten.
Laut Angaben der Steuerverwaltung umfassen die Dossiers, die in die USA geliefert werden, aber teilweise Tausende von Seiten. Die Schwärzung einzelner Personen oder die Information von Beschwerdeberechtigten sei darum zu aufwendig.
Anwalt Andreas Rüd, der Betroffene vertritt: «Vor dem Hintergrund, dass die ESTV auch noch den Spezialitätsvorbehalt aufgegeben hat, unter welchem die Informationen nur gegen den Steuerpflichtigen verwendet werden durften, ist die nun ergangene Verfügung schlicht skandalös.»
Maurer beraube damit Schweizer ihrer vom Gesetz und Bundesgericht anerkannten Verfahrensrechte und liefere sie im Bewusstsein einer möglichen Verfolgung den Amerikanern aus.
Der Datenschutzbeauftragte reicht Beschwerde ein
«Weil man international den Musterschüler spielen will, werden Schweizer ihrer grundlegendsten Rechte beraubt. Wirklich bemerkenswert für die SVP», sagt Rüd. Der Datenschutzbeauftragte Lobsiger hat erneut Beschwerde eingelegt. Sein Pressesprecher Hugo Wyler sagt: «Wir haben die Verfügung des EFD mit einer Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht angefochten.
Die Beschwerde ging letzten Freitag auf die Post.» Er fordert, dass mehr Daten von Drittpersonen abzudecken sind, als dies gemäss bisheriger Praxis der Fall sei. «Weiter sollen diejenigen Personen, die nicht abgedeckt werden, vorgängig darüber benachrichtigt werden, weil diese beschwerdeberechtigt sind und nur informiert von ihrem Recht Gebrauch machen können.»
Roland Meier, Mediensprecher des Finanzdepartements, hingegen versteht die Aufregung nicht: «Die unzulässige Verwendung der Daten könnte von der betroffenen Person in einem allfälligen Verfahren im ersuchenden Staat geltend gemacht werden.» Der Entscheid des EFD hält dazu fest, dass die Schweiz Amtshilfeabkommen nur mit Staaten abschliesse, «bei denen davon ausgegangen werden kann, dass funktionierende rechtsstaatliche Strukturen bestehen.»
Das mag im Fall der USA einige beruhigen, für die meisten ist das jedoch ein schwacher Trost, denn in den USA gelten andere Regeln, als dies früher in der Schweiz der Fall war. Wenn man zudem bedenkt, dass die Schweiz auch mit Aserbeidschan, Saudiarabien, Russland und China Amtshilfeabkommen abgeschlossen hat, ist die Bemerkung im besten Fall naiv.
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