
Manche hoffen: Genug jetzt. Doch das Gegenteil trifft zu: Es hat gerade erst angefangen.
Zwei Beton-Jahrzehnte hat Zürich schon hinter sich. In der Skyline ragten mehr Kräne als Kirchtürme auf. Die Bevölkerung wuchs von 359'000 (1998) auf 428'000 (2018).
Der Bauboom hat vor allem auf Brachen oder ehemaligen Fabrikgeländen stattgefunden. Nun soll er auf weitere Gebiete übergreifen. Von «Innenentwicklung» sprechen Experten, sie meinen die Nachverdichtung bestehender Quartiere. Heikle Eingriffe.
Dafür, dass dieses Auffüllen klappen könnte, hat der Kantonsrat gesorgt. Einstimmig beschloss er kürzlich die Verordnung über den preisgünstigen Wohnraum (PWV), letzten Montag folgte das ebenfalls einstimmige Ja zum Mehrwertausgleichsgesetz (MAG). Beide Vorlagen waren lange blockiert geblieben, für beide kämpfen die Zürcher Linken seit vielen Jahren. Umso bemerkenswerter ist die plötzliche Eintracht. Dass sie ausserhalb der Politszene keine Gefühlsausbrüche auslöste, liegt wohl an den komplizierten Namen. Die wenigsten Menschen können sich unter PWV und MAG etwas vorstellen.
Hinter beiden Vorlagen steht die gleiche Idee: Bei Umzonungen soll die Öffentlichkeit mitprofitieren. Wenn eine Gemeinde Bodenbesitzern erlaubt, breiter und höher zu bauen, machen diese einen Art Lottogewinn. Sie können mehr Wohnungen erstellen, der Wert des Grundstücks steigt – ohne dass sie etwas dafür tun müssen. Das Mehrwertausgleichsgesetz erlaubt den Gemeinden nun, sich an diesem Gewinn zu beteiligen. Bis zu 40 Prozent davon können sie einfordern. Diese Einnahmen brauchen sie für die Kosten, die Neubauquartiere verursachen. Dort müssen Gemeinden Schulhäuser erstellen, Strassen, Tramlinien, Leitungen, Pärke.
Asoziale Wohnquartiere
In Zürich herrscht ein breiter politischer Konsens, dass die Stadt mehr günstige Wohnungen braucht. Mit der Verordnung über den preisgünstigen Wohnraum erhalten die Behörden ein neues Instrument, um diese Forderung umzusetzen. Sie können von Immobilienentwicklern verlangen, dass ein Teil der Wohnungen, die neu entstehen, tiefe Mieten haben.
Ganz unbekannt ist das nicht. Bei Grossprojekten setzt der Gemeinderat Investoren schon länger unter Druck, um einen Anteil günstiger Wohnungen festzuschreiben. So geschah es in der Manegg. Die Bürgerlichen verurteilen solche Deals als «Nötigung», da eine Rechtsgrundlage fehle. Nun ist sie da. Genau zum richtigen Zeitpunkt.
Zürich muss zusammenrücken. Bis 2040 könnte die Stadt laut Prognosen auf 520'000 Einwohner anwachsen. Dagegen lässt sich wenig einwenden. Die Stadt bietet, was viele Menschen wollen: pünktliche Trams, Kultur, Hochschulen, Arbeitsplätze, beruhigte Strassen. Viele Stadtquartiere erreichen bisher aber eine eher bescheidene Dichte. Das ist asozial und unökologisch. Denn die schwache Ausnutzung verwehrt vor allem schlecht verdienenden Menschen, an den städtischen Vorteilen teilzuhaben. Gebaut wird stattdessen in der Peripherie. Grünraum schrumpft, der Verkehr schwillt an.
Der Stadtrat hat grosse Aufzonungen angekündigt, in Affoltern, Oerlikon, Schwamendingen, Albisrieden, Altstetten. Als Bedingung dafür hat er allerdings stets einen Mehrwertausgleich gefordert und einen Hebel, um günstige Wohnungen durchzusetzen. Beides kriegt er nun.
Verdichtung oder Verdrängung?
Nur eine Befürchtung besteht weiterhin. Verdichtungsprojekte bedeuten oft, dass alle bisherigen Mieter ihre Wohnungen verlieren. Das sieht man gerade in der Brunau. Weder PWV noch MAG werden solche Massenkündigungen verhindern können. Darum verlangt der Mieterverband, dass das Bleiberecht der bisherigen Bewohnerinnen hohes Gewicht erhält.
Man könnte nun finden: Das geht zu weit, Zürich ziert sich. Aber viele Zürcherinnen, besonders in den betroffenen Quartieren, warten nicht unbedingt darauf, dass ihre Umgebung kompakter wird. Das bestätigt eine neue Studie. Diese Skeptiker werden sich wohl weniger gegen die Veränderung wehren, wenn sie wissen, dass ihr Quartier sein soziales Gefüge behält. Der Widerstand wird hingegen gross sein, falls Verdichtung auf Verdrängung hinausläuft.
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Mehr Beton für Zürich
Zwei neue Gesetze ermöglichen, dass die Stadt vernünftig wachsen kann.