Mehr Eisberge als neue Herausforderung
Am Sonntag wird in Les Sables d'Olonne am französischen Atlantik zur Weltumsegelungsregatta Vendée Globe gestartet. Zwei Schweizer zählen zum erweiterten Kreis der Favoriten.
«Eis! Mich traf fast der Schlag - statt grauem Himmel entdeckte ich dort etwas Bläuliches...»
So beginnt der Bericht von Ellen Mac Arthur, als sie bei der Vendée Globe vor acht Jahren im südlichen Polarmeer fast mit einem Eisberg kollidierte. «Der Adrenalinstoss katapultierte mich förmlich durch das Luk. Draussen sah ich den schon sehr geschmolzenen, aber noch immer gut zehn Meter hohen Eisberg vorbeigleiten, er hat mein Boot nur um wenige Meter verfehlt. Ich zitterte am ganzen Körper, mir war speiübel.» Die Britin beendete das Rennen auf Platz zwei, wurde in ihrer Heimat wie ein Popstar gefeiert, und ihre Geschichten trugen zum Mythos dieser mittlerweile berühmtesten Weltumsegelungsregatta bei.
46'000 km alleine unterwegs
Damals erlebte Dominique Wavre seine erste Vendée Globe, wurde Fünfter, 4 Jahre später schaffte er Platz 4. Nun will er mit seinem neuen Boot ganz vorne sein. 30 Konkurrenten aus sieben Nationen, darunter sein Landsmann Bernard Stamm und zwei Engländerinnen, segeln während dreier Monate oder mehr auf ihren 18,28 m langen Hightech-Jachten ohne fremde Navigationshilfe über die drei Ozeane, den Atlantik, den Indischen und den Pazifischen Ozean. Die 46'000 Kilometer lange Route führt durch die härtesten und verlassensten Gegenden der Weltmeere.
Das Eis beschäftigt zwei Tage vor dem Start auch den Genfer. Die Organisatoren haben den sogenannten Wegpunkt im südlichen Polarmeer erneut gegen Norden versetzt. Die Segler müssen auf der gesamten Route acht virtuelle Positionen passieren, was mittels Satellit überwacht wird.
Je näher die Konkurrenten an der Antarktis vorbeisegeln, desto kürzer ist die Route. Das erhöht die Gefahr einer Eisbergkollision. «Gegenüber dem Rennen vor vier Jahren ist dieser Punkte rund 600 km weiter nördlich gesetzt worden. Deshalb habe ich und andere bei der Wettfahrtleitung protestiert. Denn dadurch werden die taktischen Möglichkeiten während des Rennens weiter eingeschränkt.»
Die neuen Draufgänger
Dominique Wavre (53) gehört mit Vincent Riou, dem Sieger 2004/05, Jean Le Cam, Roland Jourdain und dem Waadtländer Bernard Stamm, die alle bereits mehrmals um die Welt gesegelt sind, zum sogenannten Mannschaftsrat der Organisatoren. Wavre weiss aber auch, dass zehn Skipper der neuen Weltumsegler-Generation am Start sind, so viele wie noch nie. Draufgänger - «verrückte Hunde, die alles fressen wollen», martialische Worte, die Wavre mit einem Lachen ausspricht.
Und das erhöht die Gefahren. Vor elf Jahren rettete die australische Marine, die aus dem 3300 km entfernten Perth gekommen war, den Briten Tony Bullimore und den Franzosen Thierry Dubois vor dem sicheren Tod im eiskalten Wasser der Antarktis. Diese Rettungsaktion kostete über 2 Millionen Dollar und gab danach auch im australischen Parlament zu reden. Deshalb müssen die Segler bei Cape Leeuwin an der australischen Südwestküste eines dieser Wegtore passieren. «Das ist ein politischer Entscheid», sagt Wavre, «es ist ein Umweg, wir müssen länger im Indischen Ozean segeln, bevor wir in den südlichen Pazifik kommen.» Teilweise versteht er dagegen die Bedenken der Organisatoren. Als er vor einem Jahr im Barcelona Race durch das Polarmeer segelte, «entdeckte ich Eisberge, die weit nördlich abgedriftet sind. Ich habe sie auf meiner Karte eingezeichnet.» Auch Wavre denkt, dass die Klimaerwärmung mit dem Schmelzen des ewigen Eises für mehr Eisberge sorgt. «Wissenschaftlich fundierte Untersuchungen gibt es noch nicht viele», betont er. «Diese Gegend interessiert weder Fischer noch Militär noch Reedereien. Viele Beobachtungen haben die Weltumsegler gemacht.»
Halbe Million Zuschauer im Hafen
Diese Ungewissheit, das Segeln in nahezu unbekannten Gegenden, die Leidensfähigkeit und Geschichten der Segler, zieht auch die Menschen am Atlantik in den Bann. Über eine halbe Million Zuschauer besuchte laut den Organisatoren seit Mitte Oktober den Hafen von Les Sables d'Olonne an der französischen Atlantikküste, wo die Boote der Weltumsegler zu sehen sind. 1300 Medienleute sind akkreditiert. «Die Bootsstege sind am Tag schwarz von Menschen, es ist ein derartiger Rummel, dass ich froh bin, wenn es am Sonntag losgeht», brummt Bernard Stamm, der zweite Schweizer im Feld. Der 45-jährige Stamm segelt mit einem Boot Jahrgang 2003, das der Franzose Jean-Pierre Dick bei der letzten Vendée auf Platz sechs steuerte. «Das Boot ist radikal umgebaut worden, fast alles ist geändert ausser dem Kiel und natürlich dem Rumpf», sagt Stamm, zweimaliger Sieger der Weltumsegelung Round Alone mit Zwischenstopps. «Ein Rennen mit Etappen ist mental härter, eines ohne Halt stellt körperlich grössere Anforderungen», sagt er. Bei einer Regatta mit Zwischenstopps befinde man sich auch während der jeweils drei Wochen an Land unter Stress, «weil du immer etwas zu verbessern und zu reparieren hast. Wenn du weisst, dass du an Land reparieren kannst, riskierst du auf dem Wasser mehr.»
Bei der Vendée Globe aber müsse man drei Monate aushalten, bei Müdigkeit häufen sich auch grobe Fehler, welche das Ende bedeuten können. Und wenn die automatische Steuerungsanlage ausfällt, sei ohnehin Schluss. Nur ein Drittel des Rennens steuern die Segler selber, fast 80 Prozent der Zeit und vor allem die Nacht verbringen sie im Cockpit. Sie gehen nur bei Segelwechsel oder Reparaturarbeiten an Deck, um die Gefahr von Verletzungen zu mindern. Auch Stamm sagt: «Die Eisberge sind eine der grossen Gefahren.» Er kennt Wavre seit Jahren, sie sprechen viel über Sicherheitsaspekte, kaum aber über technische Belange. «Jeder hat seine Geheimnisse», gibt Stamm zu, der glaubt, dass mit der neuen Generation von Booten der Rekord von 87 Tagen gebrochen wird. «Vor allem bei Raumschotkurs (Wind von der Seite) haben die neuen Boote Vorteile, in dieser Hinsicht sind den Konstrukteuren bedeutende Verbesserungen gelungen.»
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