Ignazio Cassis steht unter besonderer Beobachtung. Seine frühere Tätigkeit an der Spitze des Krankenkassenverbandes Curafutura hat ihm nicht nur einen fürstlichen Lohn von 180'000 Franken pro Jahr eingebracht. Sondern auch einen Schmähnamen, nämlich «Kranken-Cassis» – und einen Präventivverdacht. Für wen sich der Tessiner im Bundesrat bei gesundheitspolitischen Fragen wohl einsetzen wird? Viele Beobachter glauben, die Antwort auf diese Frage bereits zu kennen. Sie zweifeln daran, dass Cassis fähig ist, die Wandlung vom Interessenvertreter zum Landesvater zu vollziehen.
Sie dürften sich durch die jüngste Episode bestätigt sehen: Wenige Wochen vor seiner Wahl in den Bundesrat trat Cassis in den Stiftungsrat einer Organisation ein, die für die Allgemeine Innere Medizin kämpft und namhafte Zuwendungen der Pharmaindustrie entgegennimmt. Zehntausende Franken pro Jahr von Pfizer, Bayer, GlaxoSmithKline und anderen. Dass es sich um ein ehrenamtliches Mandat handelt, Cassis somit keine finanziellen Interessen nachgewiesen werden können, macht die Sache nur unwesentlich besser.
Es verfestigt sich der Eindruck, dass da einer in der Landesregierung sitzt, dem das Fingerspitzengefühl abgeht – fürs Timing, für Interessenkollisionen, für die politischen Empfindlichkeiten der Bevölkerung. Dass er sich unmittelbar vor den Bundesratswahlen den Waffennarren von Pro Tell angedient hatte, wollte Cassis später nicht mehr als Sympathiebekundung für deren Anti-EU-Kurs interpretiert haben. Nur als dummes Missverständnis. Dass er im Internet bis heute als Werbeträger für die oben erwähnte Stiftung fungiert, das soll nun ein Versäumnis der Organisation sein. Hat er vielleicht selbst den Überblick über seine Mandate verloren? Erfolgte deshalb keine saubere Abwicklung seiner Interessenbindungen? Ausgeschlossen, er hatte ja den Austritt gegeben, per SMS.
Seit über drei Monaten gehört Ignazio Cassis dem Bundesrat an. Will er vermeiden, dass seine Persönlichkeit seine Sachgeschäfte belastet, muss er die für dieses Amt erforderliche Sensibilität entwickeln.
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Mehr Sensibilität, Herr Bundesrat
Will Ignazio Cassis glaubhaft machen, dass er keine Partikularinteressen vertritt, sollte er beim Sammeln von Mandaten vorsichtiger sein.