Mehrheit will keine Steuer auf Cola, Rivella und Co.
Die Schweizer Bevölkerung will keine zusätzlichen Abgaben auf Süssgetränken. Die Produzenten sehen sich bestätigt.

Fast ein Drittel der Erdbevölkerung ist zu schwer. Für viele Getränkehersteller ist das ein Problem. Weil man sie als Teil des Problems bezeichnet. Brausen, Limos und Energydrinks enthalten viel Zucker, was zu Übergewicht, Diabetes, Karies führe, sagen Gesundheitsexperten. Viele Länder sagen den Süssgetränken deshalb den Kampf an und führen Steuern auf Cola, Pepsi und Co. ein.
Die Schweiz gehört nicht zu diesen Ländern. Das soll auch so bleiben, wenn es nach der Bevölkerung geht – und nach den Herstellern. Der Rückhalt für eine Zuckersteuer ist jedenfalls gering. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern, die am Mittwoch in Bern präsentiert wurde.
Wer ist schon für eine Steuer?
In Auftrag gegeben hatte die Untersuchung die Informationsgruppe (IG) Erfrischungsgetränke, die Lobby-Organisation des Verbandes Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten (SMS). Die Wissenschaftler erforschen für die IG seit 5 Jahren die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten der Schweizer Bevölkerung.
An der aktuellen Befragung nahmen rund 1000 Personen teil. Auch die Frage nach einer Steuer auf zucker-, salz- und fetthaltigen Lebensmitteln wurde gestellt. Das Resultat:

Nur 26 Prozent der Befragten waren demnach für eine solche Abgabe. Damit ist die Zustimmung selbst auf tiefen Niveau rückläufig. Allerdings liesse sich auch die Frage stellen: Wer ist will schon eine zusätzliche Steuer? In diesem Fall kam die Zustimmung primär aus dem linken Lager. Doch selbst bei Personen, die mit Vorliebe die Grünen wählen, zeigten sich nur 49 Prozent einverstanden.
Bei der SP-Wählerschaft ist die Unterstützung bereits deutlich tiefer (30 Prozent). Die FDP-Wählenden liegen genau im nationalen Durchschnitt. Am tiefsten war die Unterstützung in der SVP-Basis (22 Prozent). Für das Autorenteam rund um den Politikwissenschaftler Lukas Golder ist klar: «Eine Zucker-, Salz- und Fettsteuer hat im Volk nach wie vor keine Chance.»

Diskussionen in der Westschweiz
Unterschiede stellten die Forscher zwischen den Landesteilen fest: In der Westschweiz stösst die Zuckersteuer auf mehr Sympathie (34 Prozent) als in der Deutschschweiz (24 Prozent). Laut den Studienautoren ist dies auf zwei Faktoren zurückzuführen: «Die Diskussion um eine Zuckersteuer wurde in der Westschweiz früher und interventionistischer geführt», erklärte Lukas Golder am Mittwoch vor den Medien.
Tatsächlich wird die Diskussion in der französischsprachigen Schweiz intensiver geführt. So reichte etwa der Kanton Neuenburg im April 2017 eine Standesinitiative zum Thema Zuckersteuer ein. Diese forderte, die Einführung zumindest zu prüfen. Der Ständerat lehnte das Anliegen im März dieses Jahres deutlich ab. Der Tenor in der kleinen Kammer lautete damals: Eine staatliche Intervention sei nicht nötig. Die Bemühungen des Bundesrats (siehe Box) und die freiwilligen Massnahmen der Lebensmittelindustrie zur Reduktion des Zuckers in Lebensmitteln reichten aus.
Auch im Kanton Waadt war eine Zuckersteuer bereits Thema. Im März stimmten die Stimmberechtigten dort über eine kantonale Initiative zur Einführung der obligatorischen Zahnversicherung ab. Im Vorfeld hatte die Kantonsregierung einen Gegenvorschlag präsentiert. Dieser sah vor, Abgaben von maximal 30 Rappen pro Liter Süssgetränk zu erheben, um die Zahnbehandlungen bei Kindern und Jugendlichen sowie wirschaftlich schwachen Teilen der Bevölkerung finanzieren zu können. Das bürgerlich dominierten Kantonsparlament schwächte den Vorschlag aber so stark ab, dass ihn die Kantonsregierung wieder zurückzog. Das Stimmvolk lehnte die Initiative schliesslich ab.
«Wir passen uns an»
Die Vertreter der IG Erfrischungsgetränke nutzten die Ergebnisse, um am Mittwoch zu unterstreichen, eine Zuckersteuer sei nicht die Lösung. Die Akzeptanz dafür sei nicht vorhanden, die Wirksamkeit nicht erwiesen. Diabetes, Karies und Übergewicht habe viele Ursachen – in der Schweiz seien nur 10 Prozent des durchschnittlichen Zuckerverbrauchs dem Konsum von Getränken zuzuschreiben. Zudem treffe eine Steuer immer die finanziell Schwächsten zuerst.
SMS-Präsident Marcel Kreber appellierte an die Eigenverantwortung der Konsumenten und betonte, dass man die Bevölkerung im Gegenzug angemessen informieren wolle. Die Menschen würden sich heute anders, gesünder, ernähren. Ja, das habe man erkannt. «Wir sind eine Branche, die sich anpasst», sagte Kreber. Seit 2005 hätten die Produzenten den Zuckergehalt in ihren Produkten um 13 Prozent reduziert. «Ohne staatliche Intervention», so Kreber.
Umstrittener Nutzen
Die Zuckersteuer dürfte es hierzulande also schwer haben. Dennoch gibt im Parlament Stimmen, die eine solche fordern. Nationalrätin Valérie Piller Carrard (SP) genügt Prävention nicht. Für sie ist klar: «Eine Steuer bringt mehr, als sich auf freiwillige Anreize für die Produzenten zu verlassen.» Der stetige Anstieg von übergewichtigen und fettleibigen Personen beweise das ganz eindeutig. Mittelfristtig werde man eine Zuckertaxe einführen, ist sie überzeugt. «Mit dem Ziel, dass sie zu einer Zuckerreduktion in den Produkten führt.»
Ähnlich argumentiert man auch andernorts: in Belgien, Norwegen und Frankreich etwa. Oder in Grossbritannien, wo seit Anfang April eine Zuckersteuer erhoben wird. Auch in Deutschland fordern Ärzteorganisationen und Krankenkassen wirksame Massnahmen gegen Fettleibigkeit, Diabetes und Zahnkrankheiten, darunter eine Sonderabgabe auf gesüsste Getränke.
Die Wirksamkeit der Zuckersteuer ist derzeit Gegenstand von Untersuchungen. In Mexiko beispielsweise stellte das nationale Institut für Gesundheit fest, dass seit der Einführung der Zuckerabgabe tatsächlich weniger Süssgetränke, dafür mehr Wasserflaschen verkauft werden. In Grossbritannien fanden Forscher heraus, wer sehr viel Zucker konsumiert, der reagiere weniger stark auf die Preiserhöhungen.
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