Mein Nachbar, der Feind
Nachbarn, die auf dem Balkon Kette rauchen? Sie sind längst nicht das grösste Übel, wie folgende Geschichten zeigen.

In Zürich gibt es das erste Nichtraucherhaus. Darin ist das Rauchen überall (auch auf dem Balkon) und für alle (auch für Gäste) verboten. Erfunden hats eine Genossenschaft, weil sie feststellte, dass Zigarettenrauch einer der häufigsten Streitgründe zwischen Nachbarn ist.
Die Wohnungen fanden schnell nichtrauchende Mieter. Menschen, die in Kauf nehmen, dass sich an ihren Geburtstagsfeiern nicht mehr alle in die Küche drängen, um mit den unter dem Dampfabzug Rauchenden zu parlieren. Denen es schnurz ist, dass ihre Gäste am Tisch Nikotinkaugummis in sich reinstopfen. Die einen Notvorrat an Süssholz anlegen, um den Süchtigen eine Ersatzdroge anbieten zu können.
Das rauchfreie Haus regt zum Nachdenken an. Über schlechte Gewohnheiten – und schlechte Nachbarn. Dabei erweisen sich Zigaretten als das kleinste Übel, mit denen uns manche Nachbarn die Nerven schleifen.
Die WanddurchschreierDer Irre neben dem Bett
Altbauwohnungen haben gewisse Vorteile. Wie Einbauschränke. Charme. Manchmal Sitzbadwannen. Und nicht selten ganz passable Mieten. Doch sie haben auch Nachteile. Häufig in der Bausubstanz. Der Klassiker: dünne Wände! Bisweilen ist ihr Holz derart fragil, dass man sie nicht mal als Esstisch verwenden könnte; sie würden unter dem Gewicht der Spaghettipfanne bersten. Ja, und wegen dieser Wändchen fühlt man sich bisweilen wieder wie in der RS: Auch da kam es vor, dass man im Schlaf von einem Irren angebrüllt wurde. Allerdings stand der Militär-Irre direkt neben dem Feldbett, derweil der jetzige Brüller drüben in der Nachbarswohnung hockt, von da aus mit Südamerika telefoniert – und dabei so unfassbar laut ins Smartphone (und mich damit aus dem Tiefschlaf!) schreit, dass man ihn da unten wohl auch ohne moderne Kommunikationsmittel verstehen würde. Als Abwehrmassnahme habe ich nun begonnen, primitiven und basslastigen Techno abzuspielen, wenn er die Wand durchbrüllt; voll aufgedreht, die Boxe frontal aufs dünne Holz gerichtet. Es sieht so aus, die Methode zeigt Wirkung. (thw)
Die StinkerLüften macht alles nur noch schlimmer
Stinkende Schlarpen im Treppenhaus? Kohl- und Bratfettdünste schon morgens um acht? Alter Schweiss und andere Körperausdünstungen? Alles harmlos. Wenn unser Nachbar die Fenster öffnet, müssen wir sie schliessen. Sein Gang zum Briefkasten reicht, um das Treppenhaus für Stunden mit einem beissenden Gestank zu kontaminieren. Es empfiehlt sich, den Wohnungsschlüssel schon vor dem Haus bereitzuhalten, damit der Spurt in den ersten Stock kein Würgen im Hals auslöst. Atmen ist da nicht zu empfehlen. Ist der Mief einmal in der eigenen Wohnung, glaubt man, ihn nach Tagen noch wahrzunehmen. Lüften geht nur, wenn die Fenster des Wohngenossen zu sind, ansonsten stinkts danach schlimmer als vorher. Am ärgsten aber kommt der Mief aus Nachbars Schlafgemach, was unseren Balkon im Sommer wie im Winter schier unbenutzbar macht. Zu sagen wäre noch, dass wir in einem bürgerlichen Zürcher Quartier wohnen. Schön, wärs nur Zigarettenrauch. (roc)
Die BalkonierMüll stapeln und Geschäfte machen
Das Problem am Balkon ist seine nicht eindeutige Zugehörigkeit. Ist er noch Wohnung oder schon öffentlicher Raum? Folgende Beispiele zeigen, wie diffizil die Abgrenzung ist. Der eine stellt auf seinen Balkon ein Jacuzzi, der blubbert die ganze Nacht. Und baden zu zweit, das ist aufregend. Der andere, ein spanisch sprechender Raucher (!), erledigt auf seinem Balkon Geschäfte. In diversen Ländern mit Zeitverschiebung. Der Dritte grillt (nein, nicht grilliert) ständig und tut dies gerne in der Unterhose. Für die Vierte ist der Balkon ein Sonnendeck, und sie wird gerne nahtlos braun. Balkone sind überschätzt, findet der fünfte und stapelt Müll darauf. (bra)
Die NervensägePflicht zum Zuhören
Die Hauseigentümerin wohnte im selben Haus, wir zuoberst neben ihrem Sohn, sie zuunterst. Die Wohnung war ein Bijou, die Lage traumhaft, die Miete sehr günstig. Dafür nahmen wir allerhand in Kauf, zum Beispiel, dass ihr Sohn bei uns jederzeit duschen durfte. Oder dass im Winter regelmässig das Heizöl ausging, natürlich dann, wenn es besonders kalt war. Die Frau lebte allein. Wenn sie Krach mit ihrem Sohn oder Unstimmigkeiten mit einem Amt oder andere Sorgen hatte, dann klingelte sie bei uns. Ob wir gerade am Essen waren, ob es Wochenende war, all das spielte keine Rolle. Wollte die Hauseigentümerin etwas loswerden, musste es sofort geschehen. Unterbrechen konnte man sie kaum. Selbst der Hinweis, dass das Baby gerade eingeschlafen sei, war zwecklos. Meistens verschonte sie mich mit ihren Suaden, ausser mein Mann war nicht da. Dann begann es auszuarten. Wenn wir die Türe nicht mehr öffneten, schellte das Telefon; und als wir das Telefon ignorierten, begann sie meinen Mann im Büro zu belästigen. Schliesslich kapitulierten wir – und suchten Hals über Kopf eine neue Wohnung. (mq)
Die VerzettlerEin bewundernswertes Empörungs-Reservoir
Die Handschrift stirbt aus. Richtige Briefe sieht man mittlerweile seltener als den Stadtdachs. Von dem her müsste man dankbar sein um die Nachbarin, die überall ihre handgeschriebenen Zettel verteilt, im Korridor («Diese Schuhe müssen weg! Brandvorschrift!!!!»), bei den Velos («Schon wieder wurde ich zuparkiert. Really? What's next??!!») oder in der Waschküche («Bitte Wäsche nach dem Tömblern sofort rausnehmen!!! Mich grusts»). Auch ein gewisser Unterhaltungswert lässt sich der Wutpoesie nicht absprechen. Und die Breite des Empörungsarsenals erstaunt immer wieder, ebenso die Grosszügigkeit im Verteilen von Ausrufezeichen. Trotzdem kann das ständige Genervtsein ziemlich nerven. Aber kein Problem: Denn wahrscheinlich folgt auf das papierlose Büro bald das papierlose Wohnen. Really? What's next??!! (bat)
Die BünzlisEin Zeitungsbündel obendrauf
Die alten Einwohner des Langstrassenquartiers sind sich einiges gewohnt. Seit Jahrzehnten schon finden sie direkt vor ihrer Haustüre all jene Dinge, dem viele andere Schweizer tunlichst aus dem Weg gehen: Scherben, Lärm, Urin, betrunkene Menschen, Drogen, Freier und noch ein paar Sachen mehr. Der Alteingesessene hat, würde man meinen, über die Jahrzehnte eine Toleranz entwickelt, die weit über dem landesüblichen Durchschnitt liegt. Bei einer Sache aber verstand der ältere Herr aus dem Nachbarshaus, der jeweils von seinem Fenster aus im Unterhemd auf die Strasse blickt, keinen Spass. Als nämlich sein Nachbar von schräg gegenüber die zusammengebundenen Zeitungen auf den Haufen mit Zeitungen vor seinem Haus legte. Als das passierte, schrie er wie wild, man solle das in Zukunft unterlassen. Zum Glück ist es üblich im Quartier, jedem, der einem blöd kommt, zurückzugeben. Seither ist wieder Ruhe eingekehrt rund um den Zeitungsbündelzwist im Quartier. (dsa)
Die Bohnenblust IWäscheklammern – das höchste Gut
Hauseigentümerin Bohnenblust (Name von der Redaktion nicht geändert) nimmt es genau. Von Söcklein bis Jeans: Alles soll mit Wäscheklammern aufgehängt werden. Im jugendlichen Übermut vergass ich Dummerchen diese Regel. Zurück in der Waschküche, fand ich sogar meine Unterhosen mit Klämmerchen versehen. Aber eine Bohnenblust arbeitet nicht gratis – oh nein. Auf meiner nächsten Mietrechnung war ihr Arbeitsaufwand aufgelistet: 70 Franken. (saf)
Die Bohnenblust IIAgentin 007 an Krücken
Obige Frau Bohnenblust war nicht mehr die Jüngste. Nach einem Unfall im Garten (sie wollte für das Schildkrötchen Löwenzahn pflücken) war sie sechs Wochen auf Krücken angewiesen. Als an einem Sonntagabend vom Garten des Nachbarn Rauch aufstieg, klingelte ziemlich bald mein Telefon. Frau Bohnenblust, im Parterre hausend, wollte wissen, was der Nachbar denn da treibe. Sie könne leider gerade nicht selbst nachsehen. (saf)
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