Menschen, die vorüberziehen
Rolf Knie bringt die Geschichte seiner Familie als grosse Show auf die Bühne. Nicht die ganze Kunst passt in sein Knie-Musical.

Vor dem Air Force Center in Dübendorf macht eine Tiger F-5 den Abflug. In den Himmel kommt die Maschine nicht, weil erstens: altersbedingt ausgemustert, und zweitens: fest verankert am Boden. Gleich daneben zeigen jetzt Artisten, wie Höhenflug wirklich geht. Das Chapiteau, in dem Rolf Knie sein Musical zeigt, ist mit Sternen besetzt. Schon zu Anfang der Show hebt da ein Mann am Flügel ab. Er singt das Lied von der Sehnsucht nach einer anderen Welt, es ist die Zirkus-Arena, wohin es ihn zieht – zur Kunst, «die die Seele der Menschen berührt». So tönt es jedenfalls aus ihm heraus, und in diesem Moment hebt der Mann an seinem Flügel ab. Immer höher geht es Richtung Himmel, dann kommt es zum Salto mortale. Flügel wie Mann machen zusammen den Purzelbaum. Applaus für dieses kleine hydraulische Wunder.
So ist es, wenn Rolf Knie, Jahrgang 1949, Ex-Zirkusclown, heute Kunstmaler und Unternehmer, die Geschichte seiner Familie erzählt. Alles ist da Zirkus. Willkommen in der Welt der Sensationen. Runter gehts da nimmer, in den zwei Stunden dieser Vorstellung zum Jubiläum 100 Jahre National Circus. Gegeben wird die Geschichte der Knie-Menschen, die den Zirkus zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Im Naturschutzpark
Die Figuren heissen hier: Friedrich und Antonia Knie aus der Gründergeneration um 1800. Er war der Showman, sie die Businessfrau. In grossen Schritten geht es weiter zu Marie Knie und ihren Söhnen, die 1919 auf Pump das erste Zirkuszelt kauften. Der Erfolg gab ihnen recht. Nur wer sich verändert, kommt weiter. Den Schritt zur Zukunft macht Fredy Knie sen., der Erfinder des Zirkus heute. Ihm besonders gilt diese Hommage seines Sohns. Und wir sehen, wie gegenwärtig diese Geschichte ist. Noch immer suchen die Menschen, die von Ort zu Ort ziehen, Anerkennung für ihre Kunst – in der Gesellschaft und manchmal auch in der eigenen Familie.
Tiger sind auch dabei. Nicht richtige natürlich. Dafür können die Tiere richtig gut tanzen. Die Menschen singen recht schön, allen voran Florian Schneider und Brigitte Oelke in ihren Vater- und Mutter-Knie-Rollen. Das Ensemble ist auf der Höhe seiner Aufgabe, es singt, tanzt, jongliert. Die eingängige Musik stammt von Patric Scott, und die Harmonie zieht sich durch das ganze Stück. Wir sind in einem soziologischen Naturschutzpark, wo alle gut miteinander auskommen: die Tiere und die Menschen, die Grossen und die Kleinen.
Auch tragische Geschichten
Rolf Knie, Produzent, Autor, Regisseur in einer Person, hat für sein Musical alles gegeben, auch die zwei Elefanten hat er selbst konstruiert. Sie haben in der India-Show ihren grossen Auftritt, neben einer Schlangenfrau und anderen exotischen Figuren. In Wirklichkeit war dieses Indien-Programm in den Dreissigerjahren ein Reinfall: zu gross, zu amerikanisch für die Schweiz. Das Musical passt aber perfekt in hiesige Verhältnisse. Und macht aus allem eine Erfolgsgeschichte. Wie auch aus dem Auftritt von Fredy Knie sen. 1943 im Berliner Wintergarten.
Nicht die ganze Zirkuskunst hat in einem Zelt Platz. Eugen Knie steht dafür als Beispiel. Er war der schöne Eugen, der Liebling des Publikums, der auf dem Hochseil tanzte wie kein anderer. Nach dem Kauf des Zelts war seine Zeit vorbei, der Luftmensch wurde gegroundet. Eine tragische Geschichte. Nicht immer geht es im Zirkus höher hinaus.
Dübendorf, Chapiteau, Air Force Center, bis 3. Mai, dann in Bern und Basel.
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