Messie-Eltern zügeln wegen Unordnung in ein Zelt
Essensreste, Zigarettenkippen, Scherben: Das Zürcher Obergericht hat ein Elternpaar wegen Verletzung der Erziehungspflicht verurteilt.

In ihrer Wohnung sind so viele Essensreste, Zigarettenkippen und zerbrochene Gegenstände gelegen, dass sie am Ende lieber in einem Partyzelt im Garten lebten: Die Eltern von Zwillingen sind am Montag wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vom Zürcher Obergericht zu bedingten Geldstrafen verurteilt worden.
Der Vorsitzende Richter fand bei der Begründung des Urteilsspruchs deutliche Worte: Er sprach von einer unglaublichen Sauerei, von widerlichen Verhältnissen. Nur mit Glück sei den Kindern nichts passiert. Und der Referent sagte: Es mache ihn traurig, ja hässig, dass Kinder in einer solchen Umgebung aufwachsen müssten. Dabei wäre den Eltern eine besonders grosse Verantwortung zugekommen, wie der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift geschrieben hatte: Die Zwillinge waren als Frühgeburten geschwächt und in besonderem Mass unterstützungsbedürftig.
Brot neben kaputter Leuchtstoffröhre
Der Familienhaushalt war verwahrlost, hiess es in der Anklage. So sei etwa das Badezimmer nicht mehr zu gebrauchen gewesen. «Überall fanden sich angebrochene Lebensmittel, leere Verpackungen, volle Aschenbecher und Unrat.» Die Kinder, damals ein, zwei Jahre alt, hätten ohne Weiteres an verdorbene Lebensmittel oder giftige Zigarettenstummel gelangen können.
Auch im Vorraum des Obergeschosses vor dem Kinderzimmer lagerte gemäss Anklageschrift unter anderem «auf dem Fussboden ein angebissenes Brot unmittelbar neben einer zerborstenen Leuchtstoffröhre». Das Haus war derart zugemüllt, dass «ein dauerhafter Aufenthalt im Innern des Gebäudes auch für die Eltern nur schwer erträglich war». Das Familienleben hat sich nach draussen in ein Partyzelt verlagert.
Eltern machen Überforderung geltend
Im Haus hätten ihre Kinder keine Möglichkeit gehabt, normal zu spielen, räumte die 36-jährige Mutter vor dem Zürcher Obergericht ein. In diesem Haushalt hätten die Zwillinge keine normalen Entwicklungsmöglichkeiten gehabt, sagte der Vater. Wie der 41-Jährige ausführte, haben zwar seine Eltern Hilfe angeboten. Aber er habe diese nicht angenommen, weil er sich geschämt habe.
Als «Riesenkatastrophe» bezeichnete die Mutter die damalige Situation. Sie habe alles alleine machen müssen. Sie sei rotiert und rotiert, bis ihr alles zu viel geworden sei. Sie hätten in ihrer Wohngemeinde, einer Zürcher Landgemeinde, auch keine professionelle Hilfe erhalten – es sei nur mit der Kesb, der Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde, gedroht worden.
Eltern: «Jetzt steht Hilfe bereit»
Beide hoffen nun, dass sie ihre fremdplatzierten Kinder, die sie seit bald zwei Jahren nur hin und wieder für Tagesausflüge sehen, bald zurückerhalten. Dass sie erneut in eine Überforderungssituation geraten, glauben beide nicht. «Von den damaligen Problematiken ist nichts mehr da», sagte die Mutter.
Es stünden ihr heute sowohl die Familie als auch Mitglieder externer Fachstellen – etwa Familienbetreuerinnen – bei, sagte sie. Und ihr Partner meinte: Sie würden beobachtet, und Hilfe sei da – es könne nicht mehr so werden wie damals.
Das zuständige Bezirksgericht hatte im Mai 2017 die Mutter wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen (à 20 Franken) verurteilt, den Vater zu einer solchen von 100 Tagessätzen (à 80 Franken). Die Eltern hätten dieses erstinstanzliche Urteil vollumfänglich akzeptiert. Doch dem Staatsanwalt war es zu milde ausgefallen – vor Obergericht forderte er deshalb erneut bedingte Freiheitsstrafen von 11 und 7 Monaten.
Obergericht verdoppelt Strafe
Von der Verhängung einer Freiheitsstrafe sah das Obergericht am Montag ab. Es erhöhte jedoch die Zahl der Tagessätze der Geldstrafe deutlich; bei der Mutter von 150 auf 300, beim Vater von 100 auf 240.
Die Oberrichter forderten die beiden auf, ihre Überforderung anzuerkennen: «Sie können sich nicht zurücklehnen und darauf warten, dass andere ihre Probleme lösen – holen sie sich Hilfe, tragen sie etwas bei!» Dabei müssten die beiden auch akzeptieren, dass eine Behörde mal etwas sage, das sie nicht hören wollten.
SDA/chi
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