Meuterei auf dem Flaggschiff der deutschen Diplomatie
Nach einem tödlichen Unfall im letzten Herbst soll es auf der «Gorch Fock» zur Meuterei gekommen sein. Die Marine leitet nun Ermittlungen ein, um die «inakzeptablen Zustände» auf dem deutschen Segelschulschiff zu klären.
Nach Berichten über eine angebliche Meuterei auf der «Gorch Fock» leitet die Marine Ermittlungen ein. Das Segelschulschiff wurde am Donnerstag in seinen letzten Hafen im argentinischen Ushuaia zurückbeordert. Dort soll ein Untersuchungsteam an Bord gehen, «um die schwerwiegenden Vorwürfe zu ermitteln», wie ein Sprecher des Flottenkommandos der Nachrichtenagentur dapd sagte.
Wie der Spiegel berichtet würden nach Recherchen des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus schier inakzeptable Zustände an Bord herrschen. Von Meuterei der Besatzung ist da die Rede, vom Aufhetzen der Kadetten gegen die Schiffsführung, von massiver Nötigung der Soldaten.
Auf dem Schiff war es nach dem Tod einer Offizieranwärterin zu einem schweren Zwischenfall gekommen, der mehreren Soldaten den Vorwurf der Meuterei einbrachte. Marineinspekteur Axel Schimpf kündigte eine «vorbehaltlose und umfassende Aufklärung» an.
Königshaus weist Meutereivorwürfe zurück
Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus wies die Meutereivorwürfe gegen vier Offiziersanwärter sowie Zweifel am Ausbildungskonzept zurück. «Es gab keine Meuterei», sagte Königshaus N24. Es habe lediglich Vorwürfe gegeben, die in diese Richtung gingen«. So habe die Schiffsführung es nicht gutgeheissen, dass Seekadetten nach dem Unfall nicht zum Tagesbetrieb übergehen und insbesondere nicht in die Takelage klettern wollten.
Die Dreimast-Bark sollte nach Marineangaben am Donnerstagabend deutscher Zeit in Ushuaia festmachen. Der Marinesprecher wies einen Bericht zurück, wonach die verunglückte Offizieranwärterin zu klein gewesen sei für Arbeiten in der Takelage. »Es gibt nur ein Mindestmass in der Bundeswehr für Einstellungen, und das beträgt 1,55 Meter«, sagte er. Zuvor hatte der »Kölner Stadt-Anzeiger« berichtet, dass die 25-Jährige mit 1,59 Meter die Mindestgrösse für das Klettern in der Takelage unterschritten habe.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kurz vor Abschluss
Nach dem Tod der Offiziersanwärterin hatte die Kieler Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. »Wir haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Hinweise auf Fremdverschulden«, sagte ein Sprecher der Anklagebehörde auf dapd-Anfrage. Die Ermittlungen stünden kurz vor dem Abschluss. Mit Blick auf die Zwischenfälle an Bord nach dem Tod der Soldatin fügte er hinzu: »Wir haben derzeit keinen Anlass, von einem Anfangsverdacht auf andere Straftaten auszugehen.« Es gebe keine Hinweise auf Meuterei oder eine strafrelevante Nötigung.
Unterdessen forderte Mutter einer im September 2008 auf der »Gorch Fock« über Bord gegangenen Soldatin Jenny B. eine Wiederaufnahme der Ermittlungen zum Tod ihrer 18 Jahre alten Tochter. »Das hat aufgeklärt zu werden«, sagte sie der »Mitteldeutschen Zeitung« (Freitagausgabe). »Und ich frage mich natürlich, ob bei den Ermittlungen zum Todesfall unserer Jenny nicht auch Druck ausgeübt und den Soldaten gesagt worden ist: 'Ihr sagt nur das, was wir möchten.'« Sie fügte hinzu: »Von den sechs Toten auf der 'Gorch Fock' in den letzten zwölf Jahren hätten fünf nicht sein müssen. Vier sind aus der Takelage gestürzt. Da darf jetzt nicht mehr der Deckel draufkommen.«
Königshaus: »Gorch Fock« steht nicht in Frage
Seit langem gibt es die Kritik, dass Aufentern und Segelsetzen für die Ausbildung moderner Marineoffiziere nicht mehr notwendig seien. Königshaus hält grundlegende Zweifel an der Seekadettenausbildung aber für unangebracht: »Es geht jetzt nur darum, ob nach dem tödlichen Unfall die richtigen Massnahmen getroffen wurden. Das Konzept selbst, das Schiff selbst - alles dies steht hier überhaupt nicht infrage.« Der vorübergehende Ausbildungsstopp auf dem Schiff habe nur einer Deeskalation der aufgeheizten Stimmung an Bord gedient. Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, stellte sich hinter das Ausbildungskonzept. »Es gibt keine bessere Ausbildung als auf einem Schiff, wenn es um den Crew-Gedanken geht«, sagte er dem »Hamburger Abendblatt«.
Die Offizieranwärterin Sarah Lena S. war am 7. November vergangenen Jahres während eines Hafenaufenthaltes im brasilianischen Salvador da Bahia aus der Takelage gestürzt und gestorben. Anschliessend sollen sich andere Offiziersanwärter geweigert haben, in die Takelage zu klettern. Mittlerweile hat rund ein Fünftel der rund 270 Offiziersanwärter der Crew VII/2010 den Dienst quittiert. »Das ist eine normale Quote«, sagte der Sprecher des Flottenkommandos. Der Anteil der Abbrecher bewege sich im Mittel der vergangenen Jahre.
dapd/mrs
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