Migranten statt Grenzen schützen
Die Schweiz rückt nun Flüchtlinge ins Zentrum, Afrika fordert legale Migrationswege.

Es wurde Sommer, und es blieb unerwartet ruhig: Diesen August erreichten nur 4000 Menschen die Küste Italiens, während es in den drei Jahren zuvor jeweils über 20 000 gewesen waren. In die Schweiz kamen bis Ende September so wenige Asylsuchende wie seit 2010 nicht mehr.
Allerdings liegt der Grund nicht darin, dass weniger Menschen auf der Flucht wären. Doch viele von jenen, die über Nordafrika nach Europa reisen wollen, stecken in Libyen fest. Damit beschäftigte sich gestern die Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer, die sich auf Einladung der Schweiz in Bern getroffen hat. Die Gruppe besteht aus jenen Ländern, die von der Migration aus Afrika besonders betroffen sind: auf europäischer Seite gehören unter anderem die Schweiz, Italien, Deutschland und Frankreich dazu; auf afrikanischer Seite beteiligen sich Libyen, Algerien, Tunesien, Mali, Niger und Tschad.
Flüchtlinge in Haft
An den ersten beiden Treffen legte die Kontaktgruppe den Fokus darauf, die Grenzen Libyens zu schützen und die libysche Küstenwache besser auszurüsten. Beim dritten Treffen stand nun der Schutz der Migranten im Zentrum und damit gewissermassen die Folgen der ersten Treffen. Denn jene Flüchtlinge und Migranten, die von der libyschen Küstenwache aufgegriffen werden, werden danach in Haftzentren eingesperrt, oft unter unmenschlichen Bedingungen. Wie Hilfswerke berichten, sind Misshandlungen, Folter und Vergewaltigungen an der Tagesordnung.
Die EU-Kommission hatte deshalb ihren Mitgliedsstaaten im September vorgeschlagen, im Rahmen eines Resettlement-Programms 50 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Zuvor hatte bereits das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Staatenwelt dazu aufgerufen, 40 000 Flüchtlinge aus Nordafrika direkt aufzunehmen. Allerdings gibt es erst Zusagen für 10 500 Personen, wie der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, an der gestrigen Medienkonferenz in Bern sagte. Die Schweiz ihrerseits sei bereit, die Teilnahme am Resettlement-Programm zu prüfen, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Im Zentrum stehen dabei besonders verletzliche Menschen wie Frauen und Kinder, was nicht unumstritten ist.
Allerdings ist offen, wie lange es dauert, bis die Flüchtlinge Libyen tatsächlich verlassen können. Zumal es der EU aufgrund von Widerstand in den einzelnen Mitgliedsstaaten bereits schwerfiel, die versprochenen Umplatzierungen aus Griechenland und Italien zu realisieren. Dies dürfte mit ein Grund sein, weshalb sich die Kontaktgruppe auch für bessere Bedingungen in den Haftzentren einsetzt, wie es in der gemeinsamen Erklärung heisst.
Geld für die Heimreise
Der zweite Schwerpunkt des Treffens lag auf der Rückkehrhilfe. Wer keine Chance auf Asyl hat, soll Unterstützung für die Rückkehr in seine Heimat erhalten. Die Internationale Organisation für Migration hat dieses Jahr bereits 9000 Personen unterstützt, die von Libyen aus in ihre Heimat gereist sind.
Weil die Zustände vor Ort so chaotisch sind, dürfte künftig dem Nachbarland Niger eine wichtige Rolle zukommen. Beim geplanten Resettlement-Programm würden die Flüchtlinge erst dorthin gebracht, bevor sie nach Europa fliegen könnten. Konsequenterweise findet das nächste Treffen der Kontaktgruppe denn auch in Niger statt.
Drittens wollen sich die teilnehmenden Staaten für legale Migrationswege einsetzen. Und zwar nicht nur via Resettlement-Lösungen, sondern auch via Pilotprojekte, die es Arbeitern, Studenten oder Lehrlingen erlauben, nach Europa zu kommen. Afrikanische Länder fordern das schon lange; allerdings sind sie bisher weitgehend auf taube Ohren gestossen. Zwar bietet die Schweiz im Rahmen von Migrationspartnerschaften eine begrenzte Anzahl von Ausbildungsplätzen an, doch das funktioniert mehr schlecht als recht.
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