Militärputsch in Mali – Regierungschef unter Arrest
Der malische Premier Diarra hat den Rücktritt der gesamten Regierung bekannt gegeben. Zuvor hatten ihn Soldaten verhaftet. Frühere Putschisten streiten ab, dass es sich um einen neuen Putsch handelt.

Wenige Stunden nach seiner gewaltsamen Gefangennahme durch einen Trupp von Soldaten hat der malische Regierungschef Cheick Modibo Diarra den Rücktritt der gesamten Regierung bekannt gegeben. Eine Begründung für die Entscheidung gab er nicht an.
«Ich trete mit meiner Regierung zurück», sagte Diarra in einer kurzen Erklärung im staatlichen Fernsehen. Der Regierungschef war in der Nacht von Soldaten festgenommen worden, die aus der Militär-Garnison Kati zu seiner Wohnung in der Hauptstadt Bamako kamen.
Brutales Eindringen in Diarras Wohnung
Der Trupp habe die Eingangstür von Diarras Haus «demoliert» und den Regierungschef «ziemlich brutal» behandelt, sagten die Mitarbeiter des bisherigen Regierungschefs. Diarra wollte den Angaben zufolge in der Nacht nach Frankreich reisen, um sich in Paris einem Gesundheits-Check zu unterziehen.
Er habe zuvor eine kurze Fernsehansprache aufgenommen. Die Aufnahme sei jedoch vom Militär beschlagnahmt worden. Militärsprecher Bakary Mariko sagte, Diarra sei gefasst worden, als er versucht habe, nach Frankreich zu reisen. «Er wollte das Land verlassen, nachdem er Unruhe gestiftet hatte.»
Diarra steht nach seiner Festnahme durch Armeeangehörige laut seiner Familie nun unter Hausarrest. Er könne «weder empfangen, wen er will, noch dorthin gehen, wohin er will», sagte eines seiner Familienmitglieder der Nachrichtenagentur AFP. In seinem Haus in der Hauptstadt Bamako befänden sich Soldaten, die seine Bewegungsfreiheit einschränkten.
Hauptmann streitet Putsch ab
Das Umfeld des einstigen Putschistenführers Hauptmann Amadou Haya Sanogo streitet ab, dass es zu einem Staatsstreich kam. «Das ist kein neuer Putsch», sagte ein Vertrauter Sanogos, Bakary Mariko, dem Sender France 24.
Er warf Diarra zugleich vor, nicht im Interesse Malis gehandelt, sondern eine «persönliche Agenda» verfolgt zu haben. Staatschef Dioncounda Traoré werde «in den kommenden Stunden» einen neuen Regierungschef ernennen, sagte Mariko.
Sanogo war bereits an einem Putsch im März beteiligt, bei dem der langjährige Präsident Amadou Toumani Touré gestürzt wurde. In dem Machtvakuum nach dem Putsch gelang es Tuareg-Rebellen und mit ihnen verbündeten Islamisten innerhalb weniger Tage, den gesamten Norden des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Danach setzten sich jedoch die Islamisten durch und vertrieben die Tuareg aus allen grösseren Orten.
Wegen der Unruhen sind nach UNO-Angaben fast 350'000 Menschen auf der Flucht. Etwa 200'000 von ihnen seien innerhalb des Landes vertrieben worden, sagte Flüchtlingskommissar António Guterres am Montag im UNO-Sicherheitsrat. Noch einmal mehr als 140'000 hätten in Nachbarländern Schutz gesucht.
Streit um Militäreinsatz
Der 60-jährige Astrophysiker Diarra war weit über die Landesgrenzen hinaus als Wissenschaftler bekannt. Er arbeitete früher an Weltraumprojekten der US-Raumfahrtbehörde Nasa mit. Später vertrat er den Internetriesen Microsoft in Afrika.
Diarra hatte sich wiederholt dafür ausgesprochen, eine internationale Militärtruppe solle gegen die Islamisten im Norden einschreiten. Offiziell übergab Hauptmann Sanogo zwei Wochen nach dem Putsch vom März die Macht wieder an eine zivile Regierung, faktisch aber behielt er in Bamako erheblichen Einfluss.
Sanogo sprach sich gegen den Plan zur Stationierung ausländischer Soldaten in Mali aus. Nach dem letzten Stand wollte die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas im Auftrag der UNO 3300 bis 5000 Mann nach Mali entsenden.
EU will Ausbilder schicken
Erst am Montag hat auch die Europäische Union offiziell mit der Planung für einen Militäreinsatz in Mali begonnen. Sie will zwischen 200 und 250 Militärausbilder in die Hauptstadt Bamako schicken, sagten Diplomaten.
Die EU-Aussenminister beschlossen in Brüssel ein Krisenmanagementkonzept, das die Grundlage für die Einsatzplanung bildet. Der Beschluss zur Entsendung der EU-Militärs folgt später. Die Ausbilder der EU sollen die Streitkräfte Malis wieder in die Lage versetzen, für die Sicherheit im Land zu sorgen.
Ban warnt vor schwerer Krise
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat derweil vor einer dramatischen Ausweitung politischer Unruhen, terroristischer Aktivitäten sowie Drogen- und Waffenschmuggel innerhalb der Sahelzone gewarnt.
Vor allem die Lage in Mali sei Teil einer «anhaltenden, systemischen Krise» in der gesamten Region, sagte Ban vor dem UNO-Sicherheitsrat. So könnten die Herausforderungen in Mali nicht effektiv angegangen werden, solange sich die internationale Gemeinschaft nicht auch den Problemen der gesamten Sahelzone widme.
AFP/sda/mw
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