Milliardengeschäft mit rülpsenden Kühen
Zwei Schweizer Unternehmen sind führend bei der Entwicklung von Mitteln gegen Methangas, mit welchem die Wiederkäuer zur Erderwärmung beitragen.

Kühe sind grosse Luftverschmutzer. Verdauen sie Gras, entsteht im Pansenmagen als Abfallprodukt Methan – ein Gas, das von den Tieren rülpsend ausgestossen wird. Eine Milchkuh mischt so die Luft täglich mit 500 Liter Methan auf. Von allen Rindviechern dieser Welt gelangen zusammengerechnet rund 100 Millionen Tonnen pro Jahr in die Atmosphäre. Dort wirkt Methan als aggressives Treibhausgas, und zwar zwanzigmal stärker als die gleiche Menge Kohlendioxid. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen schätzt, dass die Viehhaltung rund 15 Prozent zum gesamten Ausstoss von Treibhausgasen weltweit beiträgt.
Die Frage, wie er sich stoppen lässt, ohne dass die Konsumenten gleich auf Milch, Käse und Rindfilets verzichten müssen, beschäftigt seit über zehn Jahren Forscher und Entwicklungsabteilungen auf der ganzen Welt. Die Nase vorn haben dabei zwei Schweizer Firmen: das in Rolle VD ansässige Biotechunternehmen Zaluvida und die DSM Nutritional Products in Kaiseraugst AG. Beide haben einen vielversprechenden Stoff in der Pipeline, der die Gasentwicklung in den Kuhmägen zumindest eindämmen soll.
Bei Zaluvida heisst der Methanblocker Mootral. Es handelt sich um ein reines Naturextrakt. Gewonnen wird es aus Allicin, zu finden etwa in Knoblauch, und aus Orangenschalen. Mootral ist als Tierfutterzusatz in allen wichtigen Märkten heute schon erhältlich. «Mit der gezielten kommerziellen Vermarktung werden wir im Sommer 2018 starten», sagt Sprecher Daniel de Carvalho. Als natürlicher Stoff verfügt Mootral über den grossen Vorteil, dass er für die Marktzulassung keine grossen gesetzlichen Hürden zu meistern braucht.
Den Unternehmen winkt ein Milliardengeschäft
Noch nicht ganz so weit wie Zaluvida ist die DSM Nutritional Products, die Schweizer Tiernahrungstochter des niederländischen Chemiekonzerns DSM. Ihr in den Labors in Kaiseraugst AG entwickelter Futterzusatz senkt den Methanausstoss der Kühe um mindestens 30 Prozent. Konkret hemmt das darin befindliche Molekül 3-NOP ein im Magen für die Methanproduktion verantwortliches Enzym. Maik Kindermann, Forschungsleiter des Projekts «Clean Cow» in Kaiseraugst, verweist darauf, dass mehrere unabhängige Studien, unter anderen eine des deutschen Max-Planck-Instituts, die Wirksamkeit bestätigt haben. Der Stoff habe, wenn er in die Nahrungskette gelange, weder für die Kuh noch für den Menschen schädliche Nebenwirkungen. Weil es sich jedoch um ein chemisch synthetisiertes Molekül handelt, ist der Zulassungsprozess langwieriger als beim natürlichen Mootral. «Das Ziel von DSM ist es, das Produkt 2019 auf den Markt zu bringen», sagt Sprecher André van der Elsen.
Die Experten bescheinigen sowohl 3-NOP als auch Mootral ein Umsatzpotenzial von mehr als einer Milliarde Dollar. Der Mikrobiologe Rudolf Thauer vom Max-Planck-Institut schätzt das Marktvolumen für die Methan-reduzierenden Zusatzstoffe auf 17 Milliarden Dollar. Seine konservative Berechnung beruht auf der Annahme, dass rund die Hälfte der weltweit 3,5 Milliarden Rinder, Schafe und Ziegen mit «Anti-Rülpsern» versorgt würden, und zwar zum Preis von 10 Dollar pro Jahr und Tier. Das Geschäftsziel von Zaluvida ist bescheidener. Das Unternehmen möchte in zehn Jahren mit Mootral rund drei Milliarden Euro umsetzen, wie Daniel de Carvalho durchblicken lässt. «Wir streben eine Marktdurchdringung von knapp 10 Prozent beim weltweiten Kuhbestand an.»
Fachleute erwarten klare Rollenverteilung
Es bleibt also noch genug Spielraum für andere Anbieter ähnlicher Zusatzstoffe. Fachleute wären nicht überrascht, wenn es dereinst zu einer klaren Rollenteilung käme, mit Mootral von Zaluvida als Futterzusatz für die biologische und mit 3-NOP von DSM für die konventionelle Viehhaltung. Deshalb hat die Tatsache, dass die kleine Zaluvida mit ihren gerade mal 300 Beschäftigten bei der Markteinführung derzeit die Nase vorn hat, beim Milliardenkonzern DSM noch keine Nervosität heraufbeschworen.
Oder doch? Jedenfalls kann man sich bei DSM einen Seitenhieb an die Adresse des Konkurrenten nicht verkneifen. «Im Gegensatz zu unserem Zusatzstoff vermissen wir bei Mootral Studien, welche die Wirksamkeit des Produkts detailliert nachweisen», sagt André van der Elsen. Diesen Vorwurf lassen die Leute von Zaluvida nicht auf sich sitzen. De Carvalho stellt klar: «Mootral ist in mehr als zwanzig Studien untersucht worden, mit dem Ergebnis, dass der Stoff die höchste Wirksamkeit aller sich in der Entwicklung befindlichen oder bereits erhältlichen Substanzen hat.»
Einig sind sich beide Unternehmen, dass finanzielle Anreize der Behörden die Markteinführung entscheidend beschleunigen könnten. Die kanadische Provinz Alberta etwa entschädigt seit einigen Jahren Bauern, die Massnahmen ergriffen haben, um die hohen Treibhausgasemissionen in der Rindfleischproduktion zu verringern. Dabei werden Methan und das beim Futterpflanzenanbau dem Boden entweichende Lachgas in CO2-Äquivalente umgerechnet.
Staatliche Anreize sind gar nicht nötig
«Nach ähnlichem Modell könnte man die Viehhalter auch für den Einsatz unseres neuen Zusatzstoffes belohnen», sagt Van der Elsen. Er ist aber überzeugt, dass sich die Methanblocker über kurz oder lang auch ohne staatliche Anreize durchsetzen werden, zumal sie eine durchaus erwünschte Nebenwirkung haben: Die Kuh kommt, weil bei der Verdauung weniger Energie verloren geht, mit weniger Futter über die Runden – eine Einsparung für die Bauern, welche die Kosten für die neuen Zusatzstoffe mehr als aufwiegen soll.
Zaluvida wie DSM bereiten sich heute schon darauf vor, von einer jäh anschwellenden Nachfrage nicht unliebsam überrollt zu werden. «Die notwendigen Rohstoffe für Mootral sind jetzt schon in Mengen verfügbar, die es uns erlauben würden, sämtliche Kühe dieser Welt damit zu füttern», sagt Daniel de Carvalho. Ausserdem lasse sich der Zusatzstoff problemlos in die bestehende Futtermittelproduktions- und Lieferkette integrieren. Bei DSM heisst es, man sei als globaler Konzern in der Lage, die Produktion von 3-NOP jederzeit schnell hochfahren zu können.
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