Millionengeschenk für AKW-Betreiber
Die prognostizierten Kosten für das Atomende steigen. Der Sicherheitszuschlag, den der Bundesrat 2014 eingeführt hat, wird trotzdem wieder gestrichen.

Es ist eine Niederlage für die Atomgegner. Der Bundesrat streicht den pauschalen Sicherheitszuschlag von 30 Prozent auf die prognostizierten Endkosten für die Stilllegung der fünf Atomkraftwerke in der Schweiz und die Entsorgung des Atommülls. Er macht also rückgängig, was er 2014 selber beschlossen hat – als Reaktion auf die drohende Finanzierungslücke, die er ausgemacht hatte. Die AKW-Betreiber mussten in der Folge für die Jahre 2015 und 2016 mehr einzahlen, je 262 statt 176 Millionen Franken. Gegen den Vorschlag, den sie als «willkürlich» taxierten, wehrten sie sich in der Folge juristisch – vergeblich.
Der Vorschlag ist Teil der geplanten Revision der Stilllegungs- und Entsorgungsfondsverordnung, die der Bundesrat heute in die Vernehmlassung geschickt hat. Und er ist umstritten. «Der Vorschlag geht in die völlig falsche Richtung», kritisiert Nils Epprecht von der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). «Angesichts der grossen finanziellen Risiken für Bund und Steuerzahlende müsste der Sicherheitszuschlag gestärkt werden.» Nebst der bautechnischen Teuerung seien diverse Finanzierungsrisiken in den Beiträgen bislang nicht berücksichtigt. Die Energie-Stiftung verlangt, dass der Sicherheitszuschlag bei der Stilllegung bei 30 Prozent beibehalten, bei der Entsorgung auf 100 Prozent erhöht werden soll.
Die Forderung der Atomgegner rührt aus den Erfahrungen mit den Kostenprognosen. Vor 17 Jahren veranschlagte die Kostenstudie 2001 den Betrag auf 13,7 Milliarden Franken. Seither sind die prognostizierten Beiträge stetig gestiegen. Die Kostenstudie 2016 geht von einem Betrag von 23,5 Milliarden Franken aus. Das Departement von Energieministerin Doris Leuthard hat diese Zahl weiter nach oben korrigiert, auf 24,6 Milliarden Franken – das ist ein Plus von 80 Prozent im Vergleich zu 2001.
Risiken «sehr viel besser als bisher» abgebildet
Seinen Entscheid begründet der Bundesrat mit der neuen Methodik der Kostenstudie 2016, die Prognoseungenauigkeiten und Risiken «sehr viel besser als bisher» abbilde. Die Beibehaltung des pauschalen Sicherheitszuschlags würde laut Bundesrat «zu einer mehrfachen Absicherung von Unsicherheiten führen». Er verweist auf die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK). Diese kam in ihrem Prüfbericht von diesem Frühjahr zum Schluss, dass die methodischen Änderungen der Kostenschätzung und der Kostengliederung einen pauschalen Zuschlag von 30 Prozent auf die Gesamtkosten nicht mehr rechtfertigen würden. Allerdings empfahl die EFK nicht, den Zuschlag ganz zu streichen, sondern ihn zu reduzieren: beim Entsorgungsfonds auf 12,5 Prozent, beim Stilllegungsfonds auf 5 Prozent.
So gross das Unverständnis bei den AKW-Gegnern ist, so gross scheint die Erleichterung im Kreise der AKW-Betreiber. Ihr Branchenverband Swissnuclear argumentiert, der Sicherheitszuschlag sei «schlicht nicht mehr nötig». Die Kostenstudie 2016 wende eine neue Methodik an, die Risiken und Prognoseungenauigkeiten umfassend berücksichtige. Sie seien nun als neuer und massiver Kostenblock in die Kostenstudie integriert.
Betreiber verlieren an Einfluss
Gänzlich glücklich sind die AKW-Betreiber aber dennoch nicht. Grund sind andere Neuerungen, die der Bundesrat ebenfalls plant. So etwa will der Bundesrat die Anzahl der unabhängigen Mitglieder in der Stenfo-Verwaltungskommission sowie im Anlage- und Kostenausschuss erhöhen. Bislang dürfen die AKW-Betreiber höchstens die Hälfte stellen, neu sollen es nur noch maximal ein Drittel sein. «Damit wird der Einfluss der Betreiber reduziert», stellt der Bundesrat klar. Im erläuternden Bericht zur Revision erklärt er, warum er diesen Schritt macht. «In der Praxis kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Vertretern der Eigentümer und unabhängigen Mitgliedern, unter anderem hinsichtlich der Governance.» Auch die EFK hat in ihrem Prüfbericht 2014 festgestellt, der Einfluss der Eigentümer sei im Verhältnis zu den Verantwortlichkeiten des Bundes zu hoch.
Swissnucelar sieht das anders. Der Vorschlag des Bundesrats berge Gefahren. Die Mittel in den beiden Fonds gehören den AKW-Betreibern, wie der Branchenverband ausführt. Seien die Betreiber nicht mehr angemessen vertreten, verlören die Entscheide der Fondsinstanzen an «Akzeptanz und Kompetenz». Und er mahnt: Mit der sinkenden Mitsprache der Betreiber in den Fonds steige die direkte Verantwortung des Bundes für die Finanzierung von Stilllegung und Entsorgung.
Die Atomkritiker dagegen begrüssen den Vorschlag des Bundesrats. Die Stenfo-Verwaltungskommission besitze weitreichende Kompetenzen in der Festlegung der Beiträge, sagt SES-Experte Epprecht. «Es sollte demnach nichts als logisch sein, dass der direkte Einfluss der AKW-Betreiber, die mit tiefen Beiträgen ihre laufenden Kosten tief halten und Kosten in die Zukunft verlagern wollen, eingeschränkt wird.»
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