Mini-Szene Rock 'n' Roll
Die Rockclubs verschwanden aus dem Stadtbild. Also stellte sich die Frage: Wars das mit dem Rock 'n' Roll in Zürich? Der neue Club Minirock sagt laut: Nein!

«What Ever Happened to My Rock 'n' Roll?», fragte die Band Black Rebel Motorcycle Club im gleichnamigen Stück vor etwas mehr als 15 Jahren. Was ist nur aus meinem Rock 'n' Roll geworden? Eine Randerscheinung, diesen Schluss jedenfalls lässt der derzeitige Blick auf Zürichs Clublandschaft zu.
Das Schlüsseljahr war 2012. Nachdem das Abart, der Rockclub schlechthin und Sozialisationsort für Hunderte, im Jahr 2012 seine Tore für immer geschlossen hatte, setzten zwei andere Clubs auf Gitarrensound. Der eine machte nach wenigen Jahren wieder dicht, der andere wechselte bald in eine andere, modernere Tanzmusiksparte. Als vor drei Jahren auch noch das wöchentlich im Mascotte aufspielende «Karaoke from Hell», eine Rock-Institution aus den Neunzigern, mit ihren Auftritten aufhörte, dachten einige, man könne nun einer Jugendkultur dabei zusehen, wie sie langsam in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Nicht mit einem Knall, wie das zum Rock passen würde, sondern schleichend.
Rock ist der neue Jazz
Was ist nur aus dem Rock 'n' Roll geworden? Eine Frage, der weltweit auch Musikkritiker auf den Grund gehen. Nicht zuletzt, weil der Absatz von elektrischen Gitarren stark rückläufig ist, weil Innovation längst in den Hip-Hop abgewandert ist und weil die grossen Rockshows stets von Musikern bestritten werden, die vor 40 Jahren ihren Zenit erlebten – heute also weit über 60 sind. Oder wie das Comedian Marc Maron in seinem neuen Programm auf den Punkt bringt: «Früher fand man es geil, wenn einer der Stones auf der Bühne hinfiel. Das war Rock 'n' Roll. Heute macht man sich Sorgen.» Kurz: Rockmusik wird immer älter, deren Protagonisten immer melierter, wie das einst auch dem Jazz widerfahren ist, ebenfalls einst Symbol für eine aufrührerische, jugendliche Kultur und heute längst Zeichen für rotweinselige Bürgerlichkeit.
Die richtige Grösse
Die Antwort könnte also eine ernüchternde sein, auch in Zürich. Längst ist die Rockmusik dort angekommen, wo die Kritiker sie schon immer vermuteten. Sie zeichnen das Bild des älteren Herrn in Jeansjacke, der in einer schummrigen Bar die Hand zu einer Faust ballt, während «Another Brick in the Wall» aus der Jukebox scheppert. Es ist ein Bild, das jeder sofort nachvollziehen kann. Aber stimmt es auch?
Natürlich ist die Realität um einiges vielfältiger. Das Obenuse-Fäscht etwa, das ein- bis zweimal im Jahr an verschiedenen Orten stattfindet, lockt jeweils Hunderte an. Auch die Konzerte mit Rockmusik etwa im Dynamo oder in der Roten Fabrik laufen noch immer bestens. Nur das Publikum wird an diesen Orten kaum jünger, es altert quasi mit den Bands. Der Vergleich mit dem Jazz hat also seine Richtigkeit. Es bestätigt sich auch, wenn man sich in Zürich umschaut: In der einstigen Institution Züri-Bar etwa gibt es Rockabende, bestritten von Männern über 40.
Wars das nun also mit dem Rock 'n' Roll in Zürich? Natürlich nicht, es geht unter leicht veränderten Vorzeichen einfach weiter. Kein Zufall, heisst der neue Club, der Ende Monat seine Tore öffnen soll, Minirock und liegt etwas abseits der Ausgehmeile Langstrasse. Kein Zufall auch, finden darin nur etwa 80 Gäste Platz. Aus Sicht der Betreiberinnen Vera Egloff und Olivia Deppe genau die richtige Grösse für einen Rockclub. Sie sind zwei von zwölf Betreiberinnen und Betreibern.
In einem Punkt unterscheidet sich Minirock von seinen Vorgängern: In der Geschäftsleitung wirken insgesamt drei Frauen mit – eine Seltenheit in der von Männern dominierten Zürcher Clublandschaft. «Das Geschlecht ist egal, Hauptsache, er oder sie arbeitet gut», sagt Egloff. Um die Programmation kümmert sich mit Meli Gubser ebenfalls eine Frau.
Egloff und Deppe fügen aber auch an, dass vieles beim Alten bleibe. Es handle sich schliesslich um Rockmusik, man müsse das nicht neu erfinden. Die Parameter sind noch immer die gleichen. Von Donnerstag bis Samstag spielen DJs alles zwischen Indie, Grunge, Punk, Garage oder Heavy Metal. Auch DJs anderer musikalischer Sparten sowie Cervelat-Promis lassen an einigen Abenden ihre liebste Rockmusik laufen. Daneben wolle man auch die Gay-Szene anlocken. Etwas, das es vor ein paar Jahren in diesen Kreisen nur sehr selten gab.
Keine Ü-30-Party
Dass der Club sein Publikum finden werde, daran glauben die Betreiber. Auch unter den ganz jungen Leuten, von denen heute noch viele immer wieder dem Charme der Gitarre verfallen. Die Zeit der Rockclubs ist also nicht vorbei, sie hat sich nur verändert.
Vielleicht lässt sich dies noch sagen: Gut, gibt es für Gitarrenmusik wieder eine Heimat in der Stadt. Und sei sie noch so klein. Die eingangs gestellte Frage beantwortet Vera Egloff so: «Rock ist unkaputtbar.»
Der Club Minirock geht amWochenende vom 29. und 30. September an der Badenerstrasse 281 auf. Geöffnet hat er jeweils von Do. bis Sa. Facebook

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