«Mit dem Euro weisst du, woran du bist»
Mit der EU-Mitgliedschaft Montenegros und des Kosovos wird es noch dauern. Die zwei Länder schätzen jedoch die Gemeinschaftswährung ohne die Verpflichtungen der Eurozone.

Doch die zwei jüngsten Staaten Europas haben vielen anderen Beitrittskandidaten gegenüber anscheinend einen Vorsprung: Sie haben den Euro. Sicher, die Schwäche der Gemeinschaftswährung in Folge der Griechenland-Krise macht schon ein wenig Sorgen. Vorerst aber ist es offensichtlich von Vorteil, den Euro zu nutzen, ohne der Eurozone anzugehören und die damit verbundene Verantwortung zu schultern: Deren Mitglieder dürfen Griechenland unter die Arme greifen und müssen selbst Sparkurs halten.
Doch in Montenegro wie im Kosovo geht alles seinen gewohnten Gang. «Wir hatten nie irgendwelche Zweifel an unserer Entscheidung, den Euro einzuführen», sagte der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic der AP. «Der Euro hat ausländische Investoren ermutigt und zu unserer wirtschaftlichen Stabilität beigetragen.»
Beide Länder hatten die Währung übernommen, als sie 2002 in der EU eingeführt wurde. Sie umgingen damit die strikten wirtschaftlichen Auflagen für Länder, die der Union zwar schon angehörten, aber noch nicht bereit für die Gemeinschaftswährung waren. Damals gehörte Montenegro noch zu Jugoslawien, suchte aber schon nach Möglichkeiten, sich abzukoppeln.
Am Anfang war die Mark
Vor der Euro-Einführung hatte in beiden Ländern die Deutsche Mark als Zahlungsmittel gegolten, in Montenegro seit 1996 und im Kosovo seit 1999 nach der Trennung von Serbien. Sie sind nicht wie andere Mitglieder der Eurozone gezwungen, sich an Vorschriften wie die Defizitgrenze zu halten, haben aber auch währungspolitisch nichts mitzureden. Fachleute weisen zudem darauf hin, dass der Euro als Währung auch der Wettbewerbsfähigkeit schaden kann. «Einerseits hat der Kosovo mit dem Euro eine stabile Währung ohne Inflationssorgen, aber ein starker Euro hat bisher dem Export geschadet», erklärt der Wirtschaftsexperte Shpend Ahmeti. «Im Ergebnis wurde der Kosovo teurer als andere Länder der Region.»
Das gilt ebenso für Montenegro. Doch für Djukanovic hatte der Euro den entscheidenden psychologischen Effekt, sein nur 680'000 Einwohner zählendes Land näher an die EU heranzuführen. Das ist umso wichtiger, als es die Beitrittskriterien auf wenigstens vier Jahre hinaus nicht erfüllen kann. Der Kosovo ist von diesem Ziel sogar noch weiter entfernt, weil seine umstrittene Erklärung der Unabhängigkeit von Serbien nicht von allen EU-Ländern anerkannt wird.
Thema beim Beitritt
Djukanovic sagt, der Euro habe Montenegro auch geholfen, die Inflation zu bekämpfen, sein Haushaltsdefizit von vier Prozent unter Kontrolle zu halten und die Staatsverschuldung bei rund 36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu stabilisieren. «Diese Zahlen sind besser als in den meisten Ländern der Europäischen Union», erklärte er. «Daher hatten wir alle Vorteile des Euro.» Die meisten Montenegriner stimmen ihm zu. «Es ist viel besser, Euros in der Tasche zu haben als so eine wackelige einheimische Währung, die dauernd rauf und runter geht», findet der Buchhalter Milan Rasovic. «Mit dem Euro weisst du wenigstens, woran du bist.»
Die Europäische Zentralbank sieht dabei zu. Sie heisst eine einseitige «Euro-isierung» nicht gut, hat aber auch nichts dagegen unternommen, weil in den zwei kleinen Ländern eine verhältnismässig kleine Geldmenge kursiert und die Währung doch zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen hat.
Doch der Euro wird spätestens dann zum Thema werden, wenn es mit einem Beitritt der beiden Länder ernst wird. Werden sie die Währung beibehalten dürfen, selbst wenn sie die Bedingungen dafür nicht erfüllen? Äusserungen von EU-Vertretern laufen darauf hinaus, dass man sich damit beschäftigen wird, wenn es so weit ist.
Problem Geldwäsche
Aus den Einzelheiten des Geldflusses macht die montenegrinische Regierung ein ziemliches Geheimnis. Monatlich treffen Metallkisten voll neuer Banknoten mit geheimen Sonderflügen aus Deutschland ein. Wie viel gebracht wird, womit dafür bezahlt wird und ob das Geld ein Ersatz für alte Banknoten ist oder zusätzlich in Umlauf gebracht wird, wissen nur Insider. Mit dem ersten Flug 2002 kamen Banknoten und Münzen im Wert von 30 Millionen Euro, um die geltende Mark abzulösen. Der Kosovo tauschte 2002 bei Deutschland über eine Milliarde Mark in eine erste Euro-Tranche. Seither ist das Geld in Umlauf, und dazu alle die Euro, die aus dem Ausland hinzukamen.
In Montenegro ist die umlaufende Geldmenge deutlich grösser geworden. Grund sind Investitionen von Ausländern, zumeist Russen und Briten, die Grundstücke an der Adria kaufen und in den Tourismus und andere Branchen investieren. Djukanovic zufolge summieren sich die direkten ausländischen Investitionen seit 2006 auf 1,07 Milliarden Euro.
Geldwäsche ist eine Sache, die EU-Vertretern Kopfzerbrechen macht, da Montenegro keine eigenen Euro mit bestimmten Kennzeichen druckt und prägt. «Es ist sehr leicht für das organisierte Verbrechen, dorthin zu gehen, über das Bankenwesen grosse Mengen nicht registrierte Euro-Noten zu kaufen und damit ihr Bargeld aus einem anderen Rechtsraum zu waschen», glaubt Charles Tannock, Montenegro-Experte beim Auswärtigen Ausschuss des Europaparlaments.
dapd/mt
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