Mit diesen acht Tipps schwingen Sie Reden wie Cäsar
Schweizer haben viele Talente – Reden vor Publikum gehört nicht dazu. Acht Ratschläge, damit Sie bei der nächsten Ansprache eine gute Figur abgeben.

Kann doch nicht sein, dass wir Schweizer keine besseren Redner sind. Als lebten wir am Meer und könnten nicht schwimmen. Wer sonst hat so oft Gelegenheit, vor Publikum zu reden? Wir lieben es, uns zu versammeln, und irgendwer muss da immer etwas sagen: an der Gemeindeversammlung, während der 1.-August-Feier, der GV des Sportclubs. Doch selbst im Bundeshaus sind brillante Reden rar. In Erinnerung bleiben stattdessen unglückliche Auftritte, etwa des grünen Nationalrats, der unlängst Schweinetransporte mit Deportationen von Juden im Zweiten Weltkrieg verglich. Oder des Bundespräsidenten, der am Tag der Kranken über die heilende Wirkung des Lachens referierte und dabei ein Gesicht machte, als kündigte er ein Staatsbegräbnis an. In der Werbung siehts nicht besser aus: Seit 15 Jahren unerreicht ist der TV-Spot mit dem Patron der Fischer-Bettwarenfabrik, der seine Duvets «mit Fädere vo tote Tier» anpreist.
Das ist kein Zustand. Wir müssen mehr reden und vor allem: besser. Bevor Sie jetzt sagen, «geht mich nichts an», denken Sie an den Schwager, der bald 60 wird. Oder daran, dass die Tochter vielleicht mal heiratet. Die Feste und Apéros bis Ende Jahr sind die Gelegenheit, an Ihrer Redekunst zu feilen.
1. Werden Sie erwachsen
Wer eine anständige Rede halten will, da müssen wir etwas schulmeisterlich werden, hat sich vorzubereiten. Also: Nicht warten bis am Vortag und dann eine Nachtschicht einlegen. Beim x-ten zerknüllten Entwurf geht die Kreativität verloren. Besser ist ein Brainstorming zwei Wochen vorher. Was will ich sagen? Welche Ideen, Erlebnisse habe ich dazu? «So kicke ich mein Unterbewusstsein an, damit es immer wieder Gedanken liefert, wenn ich durch die Stadt gehe oder Zeitung lese», sagt Thomas Skipwith. Der Aargauer ist mehrfacher Rhetorik-Europameister und Redecoach. Dann: Detailliert die Rede planen, aufschreiben. Für eine Weihnachtsansprache rechnet Skipwith mit zwei Stunden Vorbereitung. «Für eine Businesspräsentation kann bis zu einer Stunde pro Minute Redezeit nötig sein.» Schliesslich: Proben. Laut. Im Stehen. Wie ein Theaterstück.
2. Sprechen Sie wie Cäsar
In vielen Büchern und Seminaren wird behauptet, der Inhalt eines Vortrages sei unwichtig, hauptsächlich zähle die Körpersprache. Gemäss einer vielverbreiteten These werden sogar 93 Prozent der Kommunikation nonverbal vermittelt. Sprachwissenschaftlerin und Soziologin Sara Keel ist kritisch: «Es gibt meines Wissens keine einzige wissenschaftliche Studie, die diese These belegt. Das würde ja bedeuten, dass wir eine Rede fast vollständig verstehen, auch wenn sie in einer fremden Sprache vorgetragen wird.»
Die an der Universität Basel tätige Forscherin hat an der soeben abgeschlossenen Nationalfonds-Studie «Speaking in Public» mitgewirkt. Es sei extrem wichtig, welche Worte man wähle – und wie man sie verpacke. Dafür gibt es eine Wunderwaffe: rhetorische Stilmittel. Zum Beispiel Dreierfiguren («Ich kam, ich sah, ich siegte»), Wiederholungen, Vergleiche oder Antithesen («Mit Plan A haben wir verloren, mit Plan B werden wir gewinnen»). Solche Stilmittel machen Sätze erst lebendig und prägnant. Keel sagt: «Studien zeigen, dass sie sehr wirksam sind, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen und Applaus zu erzeugen. Das Gute ist: Jeder kann sie lernen.» Google hilft, falls Sie Ideen brauchen.
3. Werden Sie nervös
Beim Gedanken, dass Sie bald an der Hochzeit Ihres besten Freundes eine Ansprache halten müssen, wird Ihnen ganz anders? Gut so. Sie sollten Ihre Nervosität nicht überspielen, sondern den Adrenalin-Kick nutzen: Nie sind Sie so wach und konzentriert, wie wenn Sie vor 50 Leuten stehen, die Sie erwartungsvoll anschauen. Oder wie es Thomas Skipwith frei nach dem Philosophen Augustinus formuliert: «Es muss in mir drin brennen, damit ich im Publikum ein Feuer entfachen kann.»
Das weiss auch Sänger Büne Huber. Er sagte kürzlich in einem Interview mit dieser Zeitung, wenn er vor einem Konzert ausnahmsweise nicht nervös sei, dann versuche er sich selber zu verunsichern, «um den Fokus zu haben».
4. Seien Sie auf Fehler gefasst
Was, wenn doch der Laptop schwarz bleibt, die Notizzettel zu Boden fliegen und aus dem Handy «We will rock you» plärrt? Vielleicht sind Sie so schlagfertig und können den Fauxpas mit einem lässigen Spruch wegwischen. Vielleicht bringen Sie in Ihrer Verlegenheit nur ein «Sorry» heraus. Beides ist okay. Skipwith empfiehlt, andere Redner zu beobachten. Wie reagieren sie auf Fehler? Merken Sie sich jene Reaktion, die zu Ihnen passt. Und: Lieber eine Rede mit Lapsus als ohne Pfiff.
5. Der Löwenbaby-Trick
Warum sind Löwendokus im Fernsehen spannend wie ein Thriller, wo doch die Raubkatzen fast den ganzen Tag schlafen? Weil die Filme mit einer Dramaturgie frisiert werden. Da gibts das Löwenbaby, das auf Erkundungstour geht, in den Bach fällt und fast ertrinkt, bis im letzten Moment die Mutter kommt und das Kleine rettet. Oder die Gazelle, die dem Löwenrudel unter Todesangst entkommt.
So sollten Sie auch mit Ihrer Rede verfahren: Tun Sie alles ausser langweilen. Steigen Sie mit einer persönlichen Anekdote zu Ihren Teamkollegen in die Ansprache zum Weihnachtsapéro ein, und gehen Sie zum Schluss wieder darauf ein. Bringen Sie eine Schraube mit, wenn Sie über die Funktionsweise einer neuartigen Niederdruckturbine referieren.
Wer es schafft, die Zuhörer zum Lachen zu bringen, hat ohnehin gewonnen. Sie dürfen auch einen Witz erzählen, aber bitte: Kündigen Sie ihn nie an. Wenn er nicht lustig ist, wirds sonst sehr, sehr peinlich. Für alle.
6. Suchen Sie die Nicker im Publikum
Sie kennen diese Sicherheitsinstruktion, bevor das Flugzeug abhebt: Die Stewardess zieht sich die Schwimmweste über den Kopf, und nach fünf Sekunden hört niemand mehr zu. Oft tendieren wir dazu, eine Rede ähnlich wie die Stewardess vor dem Start herunterzuspulen. Der grösste Fehler sei es, sagt Sara Keel, eine Rede als Monolog zu verstehen: «Wer es nicht schafft, mit dem Publikum zu kommunizieren, hat verloren.»
Nun klingt das ja gut, aber nie fühlt man sich einsamer, als wenn Dutzende Augenpaare auf einen gerichtet sind. Was tun? «Zurückschauen», sagen beide Experten. Und zwar richtig: Fixieren Sie einzelne Zuhörer, nehmen Sie wahr, welche Farbe ihr Pullover hat oder wohin sie blicken. «Zwei bis drei Sekunden oder einen Gedanken lang», sagt Thomas Skipwith. Nichts ist wichtiger, als dass sich das Publikum angesprochen fühlt.
Augenkontakt macht die Zuhörer aufmerksam – und bringt den einen oder anderen zum Nicken. Das kommt Ihnen zugute: Wenn Sie unsicher sind, halten Sie sich an die freundlichen, nickenden Gesichter, nicht an die Grummeligen mit den verschränkten Armen. Das macht Mut.
7. Stellen Sie Fragen
Ein weiteres Mittel, um mit dem Publikum in Dialog zu treten, sind Fragen. Denn Zuhörer sind im Grunde genommen ziemlich bequem. «In einem persönlichen Gespräch», sagt Sara Keel, «sind wir aufmerksam, weil in jedem Moment eine Frage an uns gerichtet werden kann, die es zu beantworten gilt. Bei einer Rede hingegen können sich die Zuhörer beruhigt ausklinken.» Deshalb: Stellen Sie Fragen. Echte sind schwierig, da ist die Gefahr gross, dass niemand antwortet. Rhetorische sind besser. Also Scheinfragen, deren Antwort auf der Hand liegt («Wollen wir nicht alle möglichst rasch zum Apéro übergehen?»).
Vermeiden Sie allerdings auch hier den monotonen Stewardessen-Duktus: Eine kurze Redepause nach der rhetorischen Frage verstärkt die Wirkung.
8. Die 2-2-96-Regel
Sie haben Ihre Rede hinter sich gebracht, sich fürs Zuhören bedankt und stehen nun etwas unsicher am Buffet: War die Ansprache gut? So mittel? Unterirdisch? Sie können beruhigt sein. Eine amerikanische Rhetorikregel besagt, dass nach einem Vortrag oder einer Präsentation von 100 Zuhörern zwei begeistert sind. Sie werden Ihnen gratulieren. Weitere zwei Personen aus dem Publikum werden der Meinung sein, sie hätten noch nie etwas Schlechteres gehört. Auch sie werden auf Sie zukommen. Konzentrieren Sie sich auf die schweigende Mehrheit: Die restlichen 96 Personen haben Ihre Darbietung ganz ansprechend gefunden, aber sie sagen nichts. «Seien Sie nicht so selbstkritisch», sagt Thomas Skipwith. «Trauen Sie sich etwas zu und seien Sie authentisch. Bloss nicht authentisch schlecht.»
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