
Ein einziger Tweet kann heute eine politische Karriere zerstören. In Südafrika erfährt das gerade Helen Zille, deutschstämmige Ex-Chefin der grössten Oppositionspartei des Landes, der Demokratischen Allianz (DA). Der Kolonialismus habe nicht nur negative Folgen gehabt, tippte die Premierministerin der Westkap-Provinz kürzlich in ihr Smartphone: Man denke nur an die Unabhängigkeit der Justiz, das Transportwesen und Leitungswasser. Kaum war die Meldung zu ihren über eine Million Followern gelangt, brach ein Sturm der Entrüstung los. Vor allem dunkelhäutigen Südafrikanern kam der Satz vor wie: «Aber Hitler hat doch die Autobahnen gebaut.»
Ausgerechnet die liberale Politikerin mit jüdischen Vorfahren, deren Eltern aus Nazideutschland nach Südafrika geflohen waren, liess sich bei der Rechtfertigung rassistischer Unterwerfung ertappen. Der Kolonialismus habe für Afrikaner überhaupt keine Vorteile gehabt, hagelte es Reaktionen: «Er brachte nur Unterdrückung, Ausbeutung, Rassismus, Armut.»
Gerade erst zur Alternative geworden
Die Vorstellung der europäischen Überlegenheit ist in den Köpfen weisser Südafrikaner noch immer verankert. Sei es, dass eine blonde Immobilienmaklerin ihre zu Tausenden im Meer badenden dunkelhäutigen Landsleute «Affen» nennt oder dass ein bleichgesichtiger Landwirt einen Schwarzen, der unerlaubt über seine Farm läuft, einfängt und in einen Sarg einnagelt. Vielen weissen Südafrikanern gilt das Versagen der Regierung unter dem korrupten Präsidenten Jacob Zuma als Beweis, dass Afrikaner keine moderne demokratische Gesellschaft führen können: ein logischer Kurzschluss, der so absurd ist, wie wenn jemand Hitlers Wahnsinn auf dessen Hautfarbe zurückführen würde.
Für die DA ist der Fauxpas der 66-Jährigen eine potenzielle Katastrophe. Gerade hat sich die Partei als glaubhafte Alternative zum regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) aufbauen können: Die von Zille geführte Regierung der Provinz Westkap mit Sitz in Kapstadt ist bürgernah, verlässlich und korruptionsfrei. Diesen Erfolg hat Zille leichtfertig gefährdet. Sie hat sich nun vor einem Disziplinarverfahren der Partei zu verantworten. Der schwarze DA-Chef, Mmusi Maimane, fordert den Rücktritt seiner einstigen Mentorin. Denn der Rassismusvorwurf trifft die Achillesferse der noch immer von Weissen dominierten DA, die sich zu einer unter allen Südafrikanern mehrheitsfähigen Partei mausern will.
Verteidigt von den Weissen
Allerdings wird Zille von den meisten weissen Südafrikanern noch immer verteidigt. Nur wenige scheinen den Aufschrei unter Schwarzen zu verstehen, darunter Peter Bruce. «Wir sind alle noch Rassisten», schreibt der Herausgeber der Wirtschaftszeitung «Business Day»: «Alles, was wir tun können, ist dieses Überlegenheitsgefühl zu identifizieren und zu bekämpfen. Im Büro. Im Auto. Und bei der Analyse der Politik.»
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Mit einem Tweet ins Abseits
Südafrikas liberale Vorzeigepolitikerin Helen Zille steht vor dem Aus.