Mit Gammel Geld machen
Anfang Februar hat die Stadt drei Problemhäuser im Kreis 4 gekauft. Für den früheren Besitzer hat sich das Geschäft gelohnt. Dies legen neue Zahlen nahe.
Beim Kauf der drei «Gammelhäuser» gibt die Stadt Zürich nicht nur viel Geld aus: Ein Teil der Ausgaben von 32 Millionen Franken fliesst direkt an sie zurück. Der frühere Besitzer wird dem Steueramt geschätzte 5 Millionen Franken Grundstückgewinnsteuer abliefern. Diese Abgabe muss bezahlen, wer Boden mit Erlös verkauft. Sie sinkt, je länger man ein Haus vor dem Verkauf besessen hat. Die Neufrankengasse 6 erwarb der frühere Besitzer laut TA-Informationen im Jahr 2002, die Neufrankengasse 14 2005, die Magnusstrasse 27 im Jahr 2010.
Aufgrund der Bodenpreise im Quartier lässt sich der damalige Marktwert der drei Liegenschaften annäherungsweise ausrechnen. Gemäss dieser Schätzung kosteten sie zusammen gut 15 Millionen Franken. Wie viel der frühere Besitzer tatsächlich gezahlt hat, ist nicht bekannt. Bei einem Weiterverkauf für 32,3 Millionen bliebe also ein Plus von gut 17 Millionen Franken. Die 5 Millionen Franken Grundstückgewinnsteuer ergeben sich aus dem geschätzten Ertrag und der jeweiligen Besitzdauer.
Der hohe Gewinn, den der Eigentümer wohl herausholte, hat vor allem eine Erklärung: die starke Aufwertung, die das Langstrassen-Quartier seit längerem erfährt. Der Preis pro bebautem Quadratmeter hat sich dort in den letzten 15 Jahren verdreifacht. An kaum einem andern Ort in Zürich ist die Verteuerung des Bodens so schnell fortgeschritten. «Die Preisexplosion ab 2014 ist verrückt», sagt ein Quartierkenner.
50 000 Fr. für den Quadratmeter
Der Stadtrat erwarb die drei Häuser Anfang Februar im Dringlichkeitsverfahren. Parlament und Stimmbevölkerung können deshalb nichts dazu sagen. Details des Geschäfts bleiben geheim. Beides stört die Bürgerlichen.
Kritiker von links bis rechts beanstanden auch den Kaufpreis als zu hoch. Bei der Neufrankengasse 14 und der Magnusstrasse 27 zahlte die Stadt über 50'000 Franken pro Quadratmeter. Dies übersteigt den üblichen, bereits hohen Quartierpreis bei weitem. Allerdings haben alle Häuser eine hohe Ausnutzung und bestehen aus Kleinstwohnungen oder Einzelzimmern. Insgesamt sind es 111. Auf die einzelnen Wohneinheiten ausgerechnet, liegt der Preis zwischen 208'000 Franken (Magnusstrasse) bis 331'000 Franken (Neufrankengasse 6).
Kritiker bemängeln, dass die «Massierung von Kleinstwohnungen» die Preise nach oben treibe. Die Stadt sagt, sie habe nicht über dem Marktwert gekauft. Gegenüber dem TA schätzten drei Treuhandfirmen den Wert der Häuser, die sich in einem renovationsbedürftigen Zustand befinden, auf 30 bis 40 Millionen Franken.
Die kostendeckenden Mieten sollen am Ende 678 bis 919 Franken betragen. Das sei «nicht superbillig», sagte Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne), aber bedeutend weniger als vorher. Früher zahlten die Mieter, die meist von der Sozialhilfe lebten, mindestens 1100 Franken pro Einheit. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb ein Verfahren wegen Mietwuchers eingeleitet.
«Liegenschaften in eine AG einzubringen, ist sehr gescheit, um kurzfristig weniger Steuern zu zahlen.»
Der frühere Besitzer ist aus einem weiteren Grund in die Kritik geraten. Im November 2016 gründete er eine Aktiengesellschaft. Dieser überschrieb er 13 Häuser, die fast alle in Zürich stehen. Dazu gehörten auch jene drei, die er zwei Monate später der Stadt anbot. Bis dahin hatten ihm die Liegenschaften als Einzelfirma gehört.
Aus Sicht des ehemaligen AL-Gemeinderats Niklaus Scherr dient die Gründung der AG vor allem dazu, Steuern zu sparen. Bei Aktiengesellschaften wird der Unternehmensgewinn bedeutend tiefer besteuert als bei Privatpersonen. In einem Blogbeitrag vermutet Scherr eine Ersparnis von 700'000 Franken bis zu 1 Million. Diese Einbusse trifft weniger die Stadt Zürich als vor allem den Wohnort des früheren Besitzers. Durch die Umwandlung in eine AG umgeht dieser laut Scherr ausserdem hohe AHV-Beiträge. Selbstständige müssen auf jeden Gewinn solche abgeben, Aktiengesellschaften nicht.
Eine Steuerexpertin, die für den TA die Beurkundung der AG auswertete, bestätigt den Befund: «Liegenschaften in eine Aktiengesellschaft einzubringen, ist sehr gescheit, um kurzfristig weniger Steuern zu zahlen.» Gleichzeitig relativiert sie: Um über die Gewinne verfügen zu können, müsse sich der Eigentümer diese als Dividende oder Lohn auszahlen. Darauf fallen für ihn als Privatperson wiederum Steuern an. Das gleiche die vorherige Einsparung langfristig mehr oder weniger aus. Für eine Umwandlung in eine AG sprächen ausserdem auch andere gute Gründe als nur jener, Steuern zu optimieren.
Das Tram 1 hat Verspätung
Ein weiterer Kritikpunkt am Kauf besteht darin, dass die zwei Häuser an der Neufrankengasse vielleicht bald dem geplanten Tram 1 weichen müssen. Ihre Vorderseiten liegen innerhalb der 30 Meter breiten, neuen Strasse, welche die Stadt für das Tram 1 zwischen Lager- und Hohlstrasse ziehen würde. Den nötigen Baulinien stimmte die Zürcher Stimmbevölkerung 2008 zu.
Die Zukunft des Trams 1 bleibt allerdings neblig. Der Zürcher Gemeinderat fordert eine schnelle Realisierung. Der Stadtrat sieht dagegen keinen «unmittelbaren Handlungsbedarf». Auch der Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) lehnt einen baldigen Bau der Linie ab. Andere Projekte hätten Vorrang – etwa die Tramverbindung Hardbrücke sowie die Tramverlängerungen nach Schlieren und Affoltern. Der Kantonsrat will derzeit ebenfalls kein Tram 1. Die neue Linie ohne kantonale Unterstützung zu finanzieren, käme für die Stadt zu teuer. Vor 2030 wird also sicher nichts passieren.
Unklar ist auch, ob man die Häuser für das Tram abreissen müsste. Vor der Abstimmung über die Baulinien kursierte die Idee, dass man den nötigen Platz als eine Art Galerie herausfräsen könnte. Der Stadt Zürich ist allerdings keine solche statische Abklärung bekannt. Laut Patrick Pons, Sprecher des Finanzdepartements, schneidet die Baulinie 55 und 60 Prozent der zwei Grundstücke ab. Bei einem Abriss würde die Stadt also über die Hälfte des Bodens verlieren. Dafür bekäme sie eine Entschädigung. «Und wir könnten die Parzellen eventuell zusammen überbauen, was mehr Nutzfläche ermöglichte als zwei einzelne Ersatzneubauten.»
Das seien aber hypothetische Fragen, sagt Patrick Pons. Nun habe man erst einmal Wohnraum für Menschen gesichert, die auf dem freien Markt wenig Chancen hätten. Wann diese Menschen wieder einziehen könnten, lasse sich noch nicht sagen. Alle beteiligten Abteilungen arbeiteten darauf hin, die Renovationen so schnell wie möglich abzuschliessen.
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