Mit jedem Tag ist Assad besser gewappnet
Syrien wartet nicht tatenlos auf einen Militärschlag: Das Regime soll Soldaten in Schulen einquartieren und Raketen in Wohnquartiere verlegen. Nun stellt sich die Frage, worauf die US-Militärs zielen sollen.
Im Ringen um eine militärische Antwort auf den Giftgas-Einsatz in Syrien steht eines bereits fest: Die Truppen von Präsident Bashar al-Assad können nicht mehr überrascht werden.
Während US-Präsident Barack Obama um die Zustimmung des US-Kongresses zu einem Militärschlag als Antwort auf den mutmasslichen Giftgas-Einsatz im August ringt, geben sich aber die Strategen in den US-Streitkräften zuversichtlich, dass auch noch in einer Woche die Truppen Assads derart geschwächt werden können, dass künftig keine Chemiewaffen eingesetzt werden können.
Lebende Schutzschilder
Dabei haben es die US-Planer von Tag zu Tag schwieriger. Nach Darstellung der syrischen Opposition hat Assad militärische Ausrüstung und Truppen in Wohngebiete verlegen lassen, um die Bewohner als lebendes Schild gegen Luftangriffe zu nutzen.
Bereits als in der vergangenen Woche ein US-Angriff unmittelbar bevorzustehen schien, wurden Raketenwerfer, Artillerie und andere schwere Waffen in Wohngebiete gebracht, wie mehrere Bewohner in Damaskus bestätigten. Ihre Namen wollten sie aus Angst vor Repressionen nicht nennen.
Zwei Mitglieder der Elitetruppe Republikanische Garde seien in ein leerstehendes Haus eingebrochen, das ihm gehöre, berichtete ein Mann. Sie hätten ein offizielles Dokument vorgelegt, nachdem sie dazu berechtigt seien, weil sich Syrien im Krieg befinde. Ein Frau berichtet, dass Soldaten in eine Schule neben ihrem Haus eingerückt seien.
«Das syrische Regime weiss, dass es 30 bis 40 potenzielle Ziele für US-Luftangriffe gibt - und es hatte genug Zeit, sich darauf vorzubereiten», sagt Hischam Dschaber, ein früherer libanesischer General, der das Nahost-Zentrum für Studien und politische Forschung in Beirut leitet. «Die Hälfte (der Ziele), wenn nicht mehr, wurde geräumt, verlegt oder getarnt. Das ist das ganz natürliche Vorgehen.»
Zudem sollen Soldaten in Schulen, Universitäten und innerstädtischen Regierungsgebäuden untergebracht worden sein. US-Generalstabschef Martin Dempsey berichtete, an Orten, die die syrische Armee für Angriffsziele halte, würden etwa Häftlinge stationiert.
Nicht alles kann verlegt werden
Vertreter der US-Regierung und Verteidigungsexperten versichern aber, die Truppen Assads könnten nicht alle potenziellen Ziele ausser Reichweite des US-Militärs schaffen. «Ein Gebäude kann weder verlegt noch versteckt werden», sagt ein Regierungsvertreter, der nicht genannt werden will. Andere Ziele könnten Start- und Landbahnen der syrischen Luftwaffe sein.
Der Verteidigungsexperte Anthony Cordesman vom Zentrum für strategische und internationale Studien erklärt, sollte ein Militärschlag erfolgreich sein, müssten schwer ersetzbare, zentrale Strukturen der Armee ausgeschaltet werden. Dazu gehörten Befehlsketten sowie Stabsstellen und Hauptquartiere.
Assads Sturz nicht als Ziel
Dempsey erklärte bislang, die möglichen Angriffsziele stünden mit der Fähigkeit zum Einsatz von Chemiewaffen sowie von Trägersystemen und Raketen in Zusammenhang. Mögliche Ziele seien zudem Luftabwehreinrichtungen rund um Chemiewaffendepots. Nach Angaben eines Regierungsmitarbeiters sollen die Lager selbst jedoch nicht angegriffen werden.
Obamas Wunsch ist ein begrenzter Militärschlag. Ziel ist weder der Sturz Assads noch eine so grosse Schwächung seiner Truppen, dass ihre Niederlage im Bürgerkrieg unvermeidlich wird. Dempsey erklärte, es werde an einem Konzept gearbeitet, mit dem sogenannte Kollateralschäden – tote Zivilisten, zerstörte zivile Infrastruktur – gering bleiben sollen. Die Angriffspläne würden laufend der Lage angepasst.
Assads Optionen
Ein grosse Fragezeichen ist die syrische Reaktion, sollte ein Militärschlag tatsächlich erfolgen. Beobachter gehen davon aus, dass diese massgeblich davon abhängen wird, welches Ausmass die Militäraktion der USA hat: Je grösser und länger die Angriffe, desto heftiger könnte die Reaktion Assads ausfallen.
«Seine erste Option ist die Propaganda», sagt Salman Scheich, Direktor des Brookings Doha Zentrums. Assad könnte die Wahrnehmung stärken, «dass der Westen abermals einen Staat im Nahen Osten angreift, einen arabischen Staat, ohne dass er dazu international berechtigt ist. Und er könnte die Dynamik verstärkten, indem er zeigt, wie sehr das auf Kosten der unschuldigen Zivilbevölkerung geht».
Ein Weg wäre, der Welt Bilder von toten Zivilisten zu zeigen, die angeblich bei US-Angriffen umgekommen sind. «Wenn es ihm gelingt, damit zu punkten, dann wird er sich wie ein Sieger fühlen, obwohl er gar nicht mit militärischen Mitteln geantwortet hat», sagt Scheich.
Sollte sich Assad zu einem Vergeltungsangriff gegen US-Verbündete entscheiden, würde er ein hohes Risiko eingehen. Ein Angriff auf das Nato-Mitglied Türkei könnte eine Reaktion der gesamten Nato provozieren. In Jemen sind derzeit rund tausend US-Soldaten stationiert, dazu Raketen und etwa ein Dutzend F-16-Kampfjets. Und auch ein Angriff gegen Israel würde eine massive Eskalation und Ausweitung es Konflikts bedeuten.
Beobachter gehen deswegen davon aus, dass Syrien nur dann Vergeltungsangriffe starten werde, wenn die US-Schläge unmittelbar die Macht Assads bedrohten.
AP/mw
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