Mit Knochensägen zu mehr Grösse
In China boomt das Geschäft mit der operativen Körperverlängerung. Ein äusserst schmerzhaftes Unterfangen.

Bai Helong krempelt seine Hosen hoch und markiert die Stelle knapp unterhalb des Knies, wo er seinen Kunden in die Beine schneidet. Rund 3000 Patienten hat der chinesische Chirurg in den vergangenen 15 Jahren zu mehr Körpergrösse verholfen und damit «Träume erfüllt», wie er selbst sagt.
Etwa die Hälfte seiner Kunden aus China, den USA, Deutschland und Japan unterzogen sich dem Knochenjob ohne medizinische Notwendigkeit - nur weil sie grösser sein wollten. Für die Prozedur verlangt er umgerechnet gut 8000 Euro. In einer bescheidenen Privatklinik in einem Vorort von Shanghai hat Bai die Technik selbst entwickelt. «Ich bin sozusagen eine Koryphäe auf diesem Gebiet», erklärt er. Dabei sägt er durch Schien- und Wadenbein «ohne das Knochenmark zu verletzen».
Eine Woche später beginnt sich der Knochen zu regenerieren. Klammern aus Nickel und Titan, jede ein halbes Kilogramm schwer, werden ins Bein geschraubt. In den folgenden vier Monaten weitet Bai sie jeden Tag, um das Bein langsam zu strecken. «Wir brauchen vier Monate, um auf sechs bis acht Zentimeter zu kommen.»
Erste Versuche in der Sowjetunion
Operative Beinverlängerungen wurden erstmals in den 1950er-Jahren in der damaligen Sowjetunion durchgeführt - mit manchmal katastrophalen Ergebnissen. Damals wurde das Bein an drei Stellen durchgesägt und dabei auch das empfindliche Knochenmark verletzt. In manchen Fällen war danach ein Bein kürzer als das andere.
Auch Infektionen traten häufig auf. Heute ist die Methode nach Angaben von Bai sicher. Anstatt der früher üblichen Streckung um 1,0 bis 1,5 Millimeter täglich strebt er nur halb so viel an. «Seit 1995 ist uns kein einziger Fall misslungen, und jetzt ist es nicht mehr schmerzhaft», betont der Arzt.
«Ich wollte mein Selbstbewusstsein verbessern»
Aber wer unterzieht sich einer solchen Prozedur? «Kleine Leute können alle möglichen Probleme bekommen, in ihren Ehen, am Arbeitsplatz», sagt Bai. «Sie fühlen sich minderwertig, kämpfen mit psychologischen Problemen. Ich habe sogar Leute kennen gelernt, die sich umbringen wollten.»
Die 25-jährige Chinesin Dan Dan hat sich in Bais Klinik sechs Zentimeter größer machen lassen. «Ich wollte mein Selbstbewusstsein verbessern», sagt die hübsche Japanisch-Studentin, die inzwischen 1,59 Meter misst. «Jetzt bin ich sehr glücklich.» Vier Monate nach der Operation übt sie auf Krücken wieder laufen. Mit verzerrtem Gesicht kämpft sie sich im Schneckentempo durch die Flure der Klinik.
«Ich hoffe, dass ich in einem Jahr wieder normal gehen kann. Laufen, das ist was anderes», sagt sie. Nur ihre Mutter wisse über die Operation Bescheid, ihre Freunde hätten keine Ahnung, wo sie sei. «Sie sägen durch die Knochen, das ist in China nicht wirklich salonfähig», sagt sie. «Ich habe lange gezögert. Ich hatte richtig Angst.»
«Ich wollte ein besseres Leben»
Auch Wang Lijun hat ihren Freunden nicht gesagt, wo sie ist. Inzwischen hat die 30-Jährige keinen Kontakt mehr zu ihnen. Für acht Zentimeter mehr Körpergröße war sie 13 Monate in Behandlung. «Es war mein Geheimnis. Ich sagte niemanden was.» Mit 1,52 Meter habe sie kein Selbstvertrauen mehr gehabt. «Ich wollte ein besseres Leben.»
Nun arbeitet sie in der Verwaltung der Klinik. Laufen und springen könne sie «fast wie vorher». Nach Monaten schmerzhafter Behandlung hat sie dunkle, übel aussehende Narben auf den Beinen. Demnächst will sie vielleicht einen plastischen Chirurgen konsultieren.
AFP/jak
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