Mit tiefen Steuern können wir nicht locken
Die Schweiz liegt im Ranking der Unternehmenssteuern im Mittelfeld. Daran dürfte die Steuer-AHV-Vorlage nur etwas ändern, wenn die Kantone ihre Steuersätze stark senken.

Die Schweiz ist für Unternehmen kein besonders attraktiver Steuerort. Gemäss dem Tax-Attractiveness-Index der Ludwig-Maximilians-Universität München ist sie in den Jahren 2007 bis 2017 von Rang 27 auf Rang 36 zurückgefallen, vor ihr liegen nicht nur bekannte Steueroasen wie die Bahamas, die Cayman-Inseln oder britische Inselterritorien, sondern auch die Niederlande (14. Rang), Irland (17.) oder Nachbarländer wie Österreich (20.) und Frankreich (30.).
Der Grund liegt in teilweise einschneidenden Reformen in zahlreichen Ländern seit 2010 und reihum gesenkten Steuersätzen. Damals rutschte die Schweiz kurzzeitig auf Rang 46 ab. Dank der zweiten Unternehmenssteuerreform und ihrer Umsetzung in den Kantonen hat sie zwar wieder einige Plätze wettgemacht. Ganz aufholen konnte die Schweiz bisher aber nicht.
Wettbewerb der Steuersätze
Deborah Schanz, Professorin für Betriebswirtschaft und verantwortlich für den Steuerattraktivitäts-Index, sagt, die Schweiz sei lange besonders als Standort für Holdinggesellschaften attraktiv gewesen. «Diese Zeit ist allerdings vorbei», so Schanz. «Die Verschärfungen von internationalen Regeln, besonders durch die OECD, haben dazu geführt, dass an einem Standort tatsächlich auch unternehmerische Aktivitäten vorhanden sein müssen.»
Damit verlagere sich der Steuerwettbewerb mehr auf die Steuersätze. «Das ist der einfachste und sichtbarste Vergleich für die Unternehmen», sagt Schanz. «Zahlreiche Länder in Europa haben schneller als die Schweiz Reformen durchgeführt und sind nun hochattraktiv wie beispielsweise die Niederlande oder Irland.» Die Professorin rechnet damit, dass diese Entwicklung weitergehen wird.

Die Steuersätze sind allerdings auch ein Schwachpunkt des Indexes, zumindest wenn es um die Schweiz geht. Er bezieht nämlich bloss den Unternehmenssteuersatz des Kantons Zürich mit ein. Dieser liegt mit 21,2 Prozent deutlich höher als der Schweizer Durchschnitt von etwas über 17 Prozent. Noch höher ist der Steuersatz für die Unternehmen mit 21,6 Prozent allerdings im Kanton Bern. Damit liegt er in den beiden grossen Kantonen sehr viel höher als zum Beispiel in Zug (14,4%) oder in Basel (13%).
Wo die Schweiz läge, wenn der Durchschnitt oder der Basler Wert eingesetzt würde, kann Schanz nicht sagen. Auch aus anderen Ländern müsste sie dann die besten Werte einsetzen, findet sie. Die Rangliste bliebe deshalb «ähnlich». Neben den Steuersätzen komme es zudem auf weitere Rahmenbedingungen an. «Die Ausgestaltung der sogenannten Patent-Box – das heisst die Behandlung von Einnahmen aus Patenten – und der steuerlichen Behandlung von Forschungs- und Entwicklungskosten spielt eine wichtige Rolle», sagt Schanz.
Steuern sind nicht alles
Stefan Kuhn, Leiter Unternehmenssteuern und Firmenzusammenschlüsse (M&A) beim Beratungsunternehmen KPMG Schweiz, stimmt Schanz zu.. «Die Steuern sind nach wie vor wichtig, aber weniger prominent als vor zehn Jahren», sagt Kuhn. «Die Schweiz muss in verschiedenen Bereichen gute Rahmenbedingungen anbieten können.» Kuhn erlebt in der Praxis derzeit unterschiedliche Entwicklungen: «Es gibt Unternehmen, die sich aus der Schweiz zurückziehen, aber auch solche, die Funktionen in die Schweiz verlagern.»
Und was ändert die Steuer-AHV-Vorlage (STAF) an der Position der Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb? Stefan Kuhn betont, wie wichtig es sei, die Steuerprivilegien abzuschaffen: «Sonst drohen die schwarze Liste der EU und Abwanderungen ins Ausland.» Die Einführung der Patent-Box und der Abzüge auf Forschung und Entwicklungen sei positiv. Aber es wäre noch mehr möglich, findet Kuhn. Es gebe andere Länder, die das besser machten. «Bei den Steuersätzen sind wir gut unterwegs, allerdings nur, wenn die Kantone ihre angekündigten Senkungen der Steuersätze wahr machen», sagt Kuhn.
Ob das geschieht, ist unklar, weil einerseits in elf Kantonen der Zuzug von Unternehmen bei Steuersenkungen zu Einnahmenverlusten führt und die Sozialdemokraten fast überall Widerstand gegen Steuersenkungen angekündigt haben. Der Wettbewerb unter den Kantonen werde nicht abnehmen, sagt Kuhn voraus. «Der Kanton Zürich wird dabei mit seinem Steuersatz von zwischen 18 und 19 Prozent schlechte Karten haben.» Seine Nachbarn lägen bis zu 6 Prozent tiefer. «Das ist wesentlich, da überlegen sich Firmen schon, wo sie ihren Sitz aufbauen.»
Gleichzeitig erhöht die Vorlage die Dividendenbesteuerung und macht Teile der letzten Unternehmenssteuerreform rückgängig. Dies habe aber keine negativen Auswirkungen auf die Position der Schweiz im internationalen Wettbewerb, sagt Kuhn. «Die Erhöhung der Dividendenbesteuerung betrifft eher inländische Firmen, vor allem kleine und mittlere Unternehmen.» Die teilweise Rücknahme beim Kapitalanlageprinzip sei zwar unschön, dass aber einmal versteuerte Einlagen nicht ein zweites Mal versteuert werden müssten, wenn sie ausgeschüttet würden, bleibe bestehen.
«Relikt aus alten Zeiten»
Nicht angetastet werden die Stempelabgaben und die Verrechnungssteuer. Erstere erachtet Kuhn als Nachteil. Sie seien ein «Relikt aus alten Zeiten» und würden umgangen, indem bestimmte Aktivitäten nicht in der Schweiz durchgeführt würden. Ähnlich wirke die Verrechnungssteuer: «Unternehmen müssen Kapital an anderen Orten aufnehmen, um für Investoren attraktiv zu sein.»
Die Schweiz schöpfe den international zulässigen Spielraum mit der Steuer-AHV-Vorlage nicht aus, findet Kuhn. Die Vorlage sei das Resultat eines Kompromisses. Man könne aber noch Verbesserungen anbringen. Deborah Schanz sieht es ähnlich: «Wer stehen bleibt, wird im Ranking zurückfallen.»
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