Mitglied der Zwickauer Terrorzelle: «Zustand stark verschlechtert»
Die Anwälte der mutmasslichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe beklagen sich über die Haftbedingungen ihrer Mandantin. Derweil gibt es neue Spuren zum Nagelbomben-Anschlag.

Die Anwälte der in Untersuchungshaft sitzenden mutmasslichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe beklagen sich über die Unterbringung ihrer Mandantin in der Kölner Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf. «Ihre Menschenwürde wird mit Füssen getreten», zitierte «Spiegel Online» heute aus einem zehnseitigen Schreiben der Anwälte Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl.
So gerät Zschäpes Hofgang, der ihr nach 23 Stunden Einzelzelle täglich für 60 Minuten gewährt wird, demnach zum Spiessrutenlauf. Ihre Runde führe nahe am Zellentrakt vorbei, Mitgefangene würden sie regelmässig «bespucken, beschimpfen und bedrohen». Das mutmassliche Mitglied der Terrorzelle «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) habe daher bereits auf ihre Zeit an der frischen Luft verzichtet und den ganzen Tag in der Zelle verbracht.
Bis Ende Dezember brannte in ihrer Zelle 24 Stunden am Tag das Neonlicht. Nach einer ersten Beschwerde ihrer Anwälte bekam Zschäpe die Möglichkeit, das Licht tagsüber selbst ein- und selbst auszuschalten. Allerdings müsse nachts, so die Anweisung, das Licht weiter brennen. Es wird befürchtet, dass sie sich das Leben nehmen könnte. Wegen der Suizidgefahr schaut alle fünfzehn Minuten ein Gefängnisbeamter in die Zelle, um festzustellen, dass sie noch lebt.
Die Anwälte schreiben, Zschäpe mache einen "völlig übermüdeten und erschöpften Eindruck".Das Schreiben wurde dem Bericht zufolge an die Anstaltsleitung, die Bundesanwaltschaft und den nordrhein-westfälischen Justizminister verschickt.
Neue Hinweise zu Nagelbomben-Anschlag
Auf dem Computer der Zwickauer Neonazi-Zelle haben Ermittler derweil einem Magazinbericht zufolge neue Indizien dafür gefunden, dass die mutmasslichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für den Kölner Nagelbomben-Anschlag vom 9. Juni 2004 verantwortlich sind. Wie der «Focus» heute vorab berichtete, waren auf der Festplatte Dateien zu dem Kölner Attentat gespeichert, die in dem Propaganda-Film der Gruppe auftauchen. Die Namen der entsprechenden Dateien führen demnach direkt zu Böhnhardt und Mundlos.
Die Sequenzen zeigen dem Bericht zufolge Bilder einer Überwachungskamera, mit denen damals nach den beiden Tätern gefahndet worden war. Zu sehen sind zwei Männer, die Fahrräder zum Anschlagsort schieben. Auf einem der Räder war die Bombe deponiert, die wenig später in der überwiegend von Türken bewohnten Keupstrasse in Köln-Mülheim explodierte. Bei der ferngesteuerten Detonation wurden 22 Menschen verletzt.
Die nun auf der Festplatte der mutmasslichen Terroristen gefundenen Dateien mit den Bildern der Überwachungskamera tragen laut «Focus» die Namen «gerri auf kamera.avi», «max auf kamera.avi» und «max auf kamera von hinten.avi». Diese Namen führen dem Bericht zufolge unmittelbar zu den beiden Zwickauer Neonazis: Nach Erkenntnissen der Ermittler nutzte Böhnhardt demnach in Anlehnung an seinen Tarnnamen «Holger G.» den Spitznamen «Gerri». Mundlos lebte laut dem Bericht unter dem Pseudonym «Max B.».
Auch mutmassliche Unterstützer in Haft
Das Zwickauer Neonazi-Trio aus Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe soll nach seinem Untertauchen 1998 die Terrorgruppe «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) gegründet haben. Der Gruppe werden neun Morde an Migranten in den Jahren 2000 bis 2006 zur Last gelegt, ausserdem der Mord an einer Polizistin 2007 in Heilbronn. Neben dem Nagelbomben-Anschlag in Köln-Mülheim soll die jahrelang unentdeckt gebliebene Zelle auch für einen weiteren Sprengstoffanschlag in Köln 2001 verantwortlich sein, bei dem eine Frau schwer verletzt wurde.
Zu den Taten hatte sich der NSU auf Propaganda-DVDs bekannt, die nach dem Auffliegen der Gruppe im vergangenen November in deren Wohnung in Zwickau gefunden wurden. Zuvor waren Mundlos und Böhnhardt nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach tot in ihrem Wohnmobil aufgefunden worden, Zschäpe stellte sich später der Polizei. Neben ihr sitzen auch vier mutmassliche Unterstützer der Zelle in U-Haft, darunter der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben aus Jena.
Wohlleben habe bei der Flucht des Trios ab 1998 offenbar eine grössere Rolle gespielt als bislang bekannt, berichtete nun der «Focus». Laut einem Vermerk des Thüringer Verfassungsschutzes für die Bundesanwaltschaft vom 14. November 2011 habe Wohlleben zunächst als «Fluchthelfer» sowie «unmittelbare Zugangs- und Kontaktperson der drei Gesuchten» gegolten. Später soll der Ex-NPD-Funktionär demnach die Flucht des Trios als «Logistiker, Kontakt- und Finanzmittler» unterstützt haben. 2000 und 2001 soll er dem Bericht zufolge zumindest gewusst haben, wo sich die drei Flüchtigen aufhielten.
Laut «Focus» ziehen die Verfassungsschützer in ihrem vertraulichen Vermerk den Schluss, dass Wohllebens Einsatz für das Trio «über eine rein koordinierende Funktion» hinausgegangen sei. Alles spreche dafür, dass er bei der Fluchthilfe «eine steuernde Rolle» gespielt habe.
AFP/kle
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