Mörderisch heisser Sommer in Wien
Krimi der Woche: Illusionslose Betrachtungen und ätzende Kommentare machen «Blumberg» vom Schweizer Andreas Niedermann zu einem aussergewöhnlichen Noir-Roman.

Der erste Satz
Die Taube auf dem Keyboard setzte das rechte Bein zurück, als sie den Luftzug von der Tür wahrnahm, und wandte ruckend den Kopf.
Das Buch
Isa Blumberg hat etwas Mühe, konsequent bei der Sache zu bleiben: «Immer waren es die Nebenschauplätze, die nach und nach deutlicher und drängender ins Blickfeld rückten, wesentlich wurden, viel wesentlicher als die eigentliche Hauptsache.» Das gilt auch für den ganzen Roman, dessen Titelfigur Blumberg ist. Der Fall rückt immer wieder an den Rand zugunsten von allgemeinen Beobachtungen und Reflexionen.
«Blumberg», ein Noir-Roman des in Wien lebenden Schweizers Andreas Niedermann, zeichnet sich durch einen angenehm unschweizerischen Tonfall aus, der an Autoren der Beatgeneration oder an Charles Bukowski und Jörg Fauser erinnert. Das war schon bei Niedermanns Debüt «Sauser» vor gut dreissig Jahren so, einem Roman, der mir bis heute in guter Erinnerung geblieben ist.
Die Hauptfigur in Niedermanns siebtem Roman «Blumberg» – der Name könnte eine Reverenz gegenüber Fauser sein, dessen «Schneemann» Blum hiess – ist gut fünfzigjährig, Ex-Punkerin und ehemalige Journalistin, Mutter eines Priesters. Eben hat sie ihren Job in der Kunstbranche verloren, weil sie eine Taube erschossen und die empörte Chefin geohrfeigt hatte. Ein Skinhead, den sie aus dem Antiaggressionstraining kennt, heuert sie an, um seinen verschwundenen Bruder zu suchen.
Dieser Krimiplot läuft über weite Strecken des Buches eher so nebenher mit. Isa Blumbergs Suche im unter einer sommerlichen Gluthitze leidenden Wien schafft den Rahmen für viele Abschweifungen und Betrachtungen zum modernen Leben und für ätzende Kommentare dazu. Und wenn es nur die verfluchte Sonne ist: «Draussen lauerte der Feuerball, er stand direkt vor dem Fenster und versuchte kraft seiner Glut die Lamellen der Jalousien einzuschmelzen, um ungehindert und frei zu tun, was zu tun war: Das menschliche Leben unerträglich zu machen. Die elende gelbe Drecksau.»
Es ist diese direkte und kraftvolle Sprache, die illusionslosen, aber nicht hoffnungslosen Blicke auf die Welt, in der wir leben, und dazu eine Prise Existenzialismus, die dieses Buch so aussergewöhnlich machen. Und aussergewöhnlich gut. Im lakonischen Reim «Fauser, Glauser, Sauser» hat Niedermann zu seinem Erstling seine literarischen Koordinaten zusammengefasst. Jörg Fauser, für mich der bedeutendste deutsche Autor der 1970er und 1980er. Friedrich Glauser, Aussenseiter und genialer Pionier der deutschsprachigen Kriminalliteratur. Und Sauser? Ist der bürgerliche Name des Abenteurers Blaise Cendrar. Niedermann lässt sich diesen Helden zwar nicht reimend anfügen, aber literarisch allemal.
Die Wertung
Der Autor
Andreas Niedermann, geboren 1956 in Basel, zog nach einer Ausbildung zum Chemie- und Textillaboranten quer durch Europa. Er war als Steinbrecher, Journalist, Kinobetreiber, Alphirt, Theatertechniker und Fitnesstrainer tätig. 1987 veröffentlichte er seinen ersten Roman, «Sauser» (Edition Moderne, Zürich; Neuausgabe 2007: Songdog-Verlag, Wien). 1989 zog er nach Wien, wo er 2004 den Songdog-Verlag gründete. Inzwischen hat er ein halbes Dutzend weitere Romane sowie ein paar Story-Bände veröffentlicht. Niedermann lebt als Autor und Verleger in Wien und Wengen.

Andreas Niedermann: Blumberg. Songdog-Verlag, Wien 2018. 314 S., ca. 25 Fr.
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