Mondfühlige Bäume
Nadelholz, das bei abnehmendem Mond geschlagen wird, soll widerstandsfähiger sein. Eine Schweizer Studie zeigt nun, dass an dieser alten Bauernregel etwas dran ist.
Dem Mond werden viele Einflüsse auf Mensch und Natur nachgesagt: Alte Bauernregeln messen den Phasen des zu- und abnehmenden Mondes und seinem Rhythmus («obsigend/nidsigend») grosse Bedeutung zu. Fichtenholz, das im Winter bei abnehmendem Mond oder um Neumond herum gefällt wird, gilt als speziell robust.
Eine der ersten Hinweise lieferte der griechische Naturforscher Theophrastos von Eresos (372-287 v. Chr.). Er nannte den Beginn des abnehmenden Mondes als besten Zeitpunkt für den Holzschlag. Solches Holz gilt bis heute als besonders dicht, schwindarm und weniger empfindlich gegen Fäulnis oder Insektenbefall. Seine Witterungsbeständigkeit macht es im Aussenbereich bei Haus- oder Stallbauten interessant.
Die «Mondholz»-Euphorie wird indessen von vielen Wissenschaftlern mit Skepsis betrachtet, einige stellen sie in die esoterische Ecke. Forscher, die trotzdem daran festhalten, laufen Gefahr, nicht ernst genommen zu werden. Der frühere ETH-Dozent Ernst Zürcher weiss ein Lied davon zu singen. Mit seinem holzkundlichen Interesse für das Studienobjekt Mondholz stand er lange Zeit ziemlich alleine. Nicht aber im globalen Kontext: Für Zürcher, heute an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel und Lehrbeauftragter an der ETH Lausanne, ist es kein Zufall, dass die guten Eigenschaften von Mondholz in zahlreichen Kulturen geschätzt werden - von Bhutan über Europa bis in den Amazonas.
Der Mondholz-Kenner Zürcher legt jetzt Ergebnisse einer in der Fachzeitschrift «Trees - Structure and Function» veröffentlichten Studie vor, die Aufschlüsse zur Wirkung der Mondphasen und der Jahreszeit auf die Eigenschaften von Hölzern gibt. Zusammen mit drei Kollegen der ETH Lausanne und der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Bellinzona sowie unter aktiver Mitarbeit von Forstleuten wurden 576 Bäume, Fichten und Edelkastanien an vier Standorten der Schweiz über einen Zeitraum von 24 Wochen gefällt.
20 000 Testproben angefertigt
Daraus fertigten die Forscher über 20 000 Testproben an; bei einem Teil untersuchten sie das Schwind- und Trocknungsverhalten im klimatisierten Raum sowie im Trocknungsschrank.
Die Ergebnisse bestätigen Zürchers Hypothese, dass diese Hölzer je nach Mondphase subtile, jedoch statistisch signifikante Unterschiede bezüglich Wasserverlust, Dichte und Schwindverhalten aufweisen. Das Trocknungsverhalten der Fichtenholzproben verändert sich zum Beispiel am stärksten in den drei Tagen vor Vollmond und den ersten Tagen der danach einsetzenden abnehmenden Phase. Überraschend ist hingegen der Befund, dass bei Fichten wie Edelkastanien die Eigenschaften gleichzeitig im Zusammenhang mit dem siderischen Mondzyklus (Gang durch die Tierkreiskonstellationen) variieren.
Kein endgültiger Beweis
Holzexperte Klaus Richter von der Abteilung Holz der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) in Dübendorf attestiert der Studie, sie sei solide durchgeführt worden und habe wissenschaftlich wertvolle Erkenntnisse zutage gefördert. Laut Richter sind aber die aufgezeigten mondbezogenen Einflüsse auf den Wassergehalt und die Formstabilität des Fichtenholzes nicht gleichläufig. Zudem werde der Sachverhalt bestätigt, dass nur ein relativ kleiner Teil der Eigenschaftsschwankungen durch die Mondzyklen erklärbar ist.
«Die Ergebnisse unserer Studie sind noch kein Beweis, dass Holz aus solch speziellen, mondbezogenen Fälldaten auf die Dauer besondere bautechnische Eigenschaften besitzt», relativiert auch Ernst Zürcher mögliche Folgen für die Praxis. Seiner Meinung nach stellt sich nach wie vor die Frage, ob auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Pilzen und Insekten sowie die mechanischen Festigkeiten, die Härte und die Brennbarkeit nach diesen Rhythmen in ausgeprägter Form variierten.
Spielt vielleicht auch die Art der Nutzung eine Rolle, etwa das Belassen der Krone bei gefällten Bäumen zwecks langsamer Austrocknung? Oder auch die Art der Trocknung - zum Beispiel Freilufttrocknung oder rasche Kammertrocknung? Hier ortet Zürcher weiteren Forschungsbedarf. «Eigentlich geht es da weniger um Nostalgie gegenüber alter Traditionen», sagt Zürcher, «als vielmehr um das wissenschaftliche Entwickeln einer Art Biotechnologie, wo mit Einbezug der Faktors Zeit bestmögliche, für die Verwendung adäquate Eigenschaften des Holzes erzielt werden sollten.»
Neben den Mondphasen spielt auch die Stellung des Mondes in bestimmten Tierkreiskonstellationen (nicht identisch mit den Tierkreiszeichen) eine messbare Rolle beim Trocknungsverhalten des Holzes. Der Neumond befindet sich Ende Dezember in Tiefstposition, im Tierkreisbild des Schützen, während der vorangehende Vollmond beim Höchststand im Tierkreisbild Zwillinge steht. Befindet sich nun der Erdtrabant in dieser Jahreszeit in der absteigenden Periode («nidsigend»), müsste laut Zürcher genauer geprüft werden, ob dies einen kumulierenden Effekt auf die Holzeigenschaften hat.
Anschwellen im Mondzyklus
Die Einwirkungen des Mondes auf Holz beschäftigt Zürcher schon seit Jahrzehnten: 1998 legte er zusammen mit Fachkollegen aus Italien und Frankreich in der Wissenschaftszeitschrift «Nature» dar, dass junge, vom Sonneneinfluss abgeschirmte Stämme im Rhythmus von 25 Stunden minim zu- und abnehmen - ähnlich wie das Meer mit seinen Gezeiten.
In eine ähnliche Richtung wies bereits vor bald 40 Jahren ein Laborversuch mit Bohnen in den USA: Legt man sie ins Wasser, nehmen sie im Rhythmus von Neumond, Vollmond und Viertelstellungen mehr oder weniger Wasser auf. Die grösste Differenz des Auf- und Abquellens beobachteten die Forscher 3,5 Tage vor Vollmond und zum Zeitpunkt des Vollmondes.
Die speziellen Eigenschaften von Mondholz lassen sich laut Zürcher auch aus physikalischer Sicht deuten. Ein neues Gravitationsmodell der deutschen Bundeswehr-Universität bei München kommt zum Ergebnis, dass sich der Zustand der Wassermoleküle im Rhythmus der Mondphasen verändert. Deswegen, so vermutet Zürcher weiter, könnte Holz beim Trocknen zu bestimmten Zeitpunkten weniger Feuchtigkeit verlieren, was es dichter macht. Der Mond verursacht nicht nur die Meeresgezeiten, er beeinflusst auch Bäume. Foto: Robert Atanovski (AFP)
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