Mord im Zürcher Seefeld: Das sagen Experten
Nach dem Tötungsdelikt werden massive Vorwürfe laut: Warum durfte der 23-jährige Tobias Kuster in den Hafturlaub? War das gerechtfertigt? Dazu Strafvollzugsexperten.

Erst zwei Tage nach dem Mord an einem 43-jährigen Schweizer im Zürcher Seefeld leitete die Polizei eine öffentliche Fahndung nach dem Verdächtigen Tobias Kuster ein. Der Kriminelle war bereits am 23. Juni nicht mehr aus seinem unbegleiteten Hafturlaub zurückgekehrt, doch die Polizei hatte nicht reagiert. Nun wird sie scharf kritisiert. Und auch SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr muss viel Kritik einstecken, vor allem aus bürgerlichen Kreisen. Es könne doch nicht sein, das ein vorbestrafter Krimineller unbegleitet Hafturlaub bekomme, lautet der Vorwurf.
«Gar keine Hafturlaube wirken kontraproduktiv.»
Die Kritik am Hafturlaub greife zu kurz, meint Strafvollzugsexperte Thomas Noll. Er ist überzeugt, dass ein Hafturlaub die Sicherheit nicht gefährdet, sondern ihr vielmehr dient. «Gar keine Hafturlaube wirken kontraproduktiv. Denn je fester man die Schraube während des Vollzugs ansetzt, desto sicherer wird zwar der Vollzug selbst. Doch die Gefahr nach dem Tag der Entlassung ist ungleich grösser.», sagte Noll zum «Blick». Dies würden zahlreiche Studien aus dem Ausland zeigen.
Im Fall von Tobias Kuster, der erst nach rund drei Jahren einen Tag alleine in Freiheit verbringen durfte, sei man sogar sehr vorsichtig vorgegangen. «Da blieb nicht mehr allzu viel Zeit, um ihn an das Leben draussen zu gewöhnen, zumal auch eine bedingte Entlassung in Betracht gezogen werden musste», meint Noll zur fünfeinhalbjährigen Haft des Kriminellen. Den konkreten Entscheid, ob tatsächlich Hafturlaub gewährt werde, fälle eine ganze Gruppe von Verantwortlichen.
«Der Vollzug ist viel restriktiver geworden.»
Benjamin Brägger sieht das ähnlich. «Die Aufgabe der Behörden ist es, Kriminelle so zu behandeln, dass sie immer weniger gefährlich werden. Wenn man den Rückführungsauftrag ernst nimmt, muss man es mit Hafturlaub probieren», sagte der Stravollzugsexperte zu «10 vor 10». Dies sei das Element, das der Wirklichkeit am nächsten komme.
Laut Brägger, der an der Universität Basel lehrt, wurde das System in der Schweiz in den letzten Jahren verschärft und man hat neue Mittel in der Risikoanalyse entwickelt. «Der Vollzug ist viel restriktiver geworden. Es gibt viel weniger Insassen in geschlossenen Anstalten, die in den Freigang dürfen.» Trotzdem gebe es leider Vorfälle wie denjenigen von Tobias Kuster, weil man den Mensch einfach nicht zu hundert Prozent vermessen könne.
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