Mubarak-Urteil treibt die Menschen auf den Tahrirplatz
Das Urteil gegen den Ex-Diktator und seinen Clan hinterlässt bei vielen einen schalen Nachgeschmack. Die Wut über die Freisprüche für Mubaraks Söhne und hohe Beamte treibt die Menschen auf die Strasse.
Der gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak ist wegen seiner Rolle bei der Tötung Hunderter Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt worden, doch viele Ägypter sind mit dem Gerichtsurteil vom Samstag unzufrieden. Auf dem Tahir-Platz in Kairo versammelten sich am späten Samstagabend bis zu 10'000 Menschen. Sie protestierten vor allem gegen die Freisprüche für enge Mitarbeiter des ehemaligen Machthabers. Auch in den Hafenstädten Alexandria und Suez kam es zu Protesten.
Die Demonstranten bezeichneten den Prozess nach der Urteilsverkündung am Samstag als Farce und skandierten: «Das Volk will die Hinrichtung des Mörders.» «Der Gerechtigkeit wurde nicht genüge getan», sagte Ramadan Ahmed, dessen Sohn am 28. Januar 2011 getötet wurde. «Das ist ein Schwindel.» 60 Menschen verletzt
Mubarak wurde am Samstag wegen Mitschuld an der Tötung von Hunderten Demonstranten während des Volksaufstands im vergangenen Jahr zu lebenslanger Haft verurteilt. Von der Anklage wegen Korruption wurden der Ex-Präsident und seine beiden Söhne Gamal und Alaa hingegen freigesprochen. Auf den Strassen wurden die Urteile zuerst mit Jubel aufgenommen. Minuten nach der Urteilsverkündung brach im Gerichtssaal und davor dann aber ein Handgemenge aus. Vor dem Gerichtsgebäude versuchten Polizisten, aufgebrachte Mubarak-Gegner zurückzudrängen. Nach einem Bericht des Staatsfernsehens wurden mindestens 60 Menschen verletzt.
Nach der Urteilsverkündung, die Mubarak noch mit versteinertem Gesichtsausdruck hinnahm, erlitt der 84-Jährige während des Hubschrauberflugs zum Gefängnis eine «gesundheitliche Krise», wie aus Sicherheitskreisen verlautete. Staatlichen Medien zufolge hatte er einen Herzinfarkt. Das konnte zunächst aber nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden.
Tausende Polizisten sicherten das Gerichtsgebäude
Viele hatten die Todesstrafe für Mubarak gefordert, viele einen Freispruch gefürchtet. Tausende Bereitschaftspolizisten hatten die Polizeiakademie in Kairo, in der der Prozess stattfand, abgeriegelt, um Demonstranten und Angehörige der Opfer davon abzuhalten, den Gerichtssaal zu stürmen. Hunderte hatten sich zu der Urteilsverkündung, die vom ägyptischen Staatsfernsehen live übertragen wurde, vor dem Gebäude versammelt.
Richter Ahmed Rifaat dürfte wohl auch deshalb einen Mittelweg zwischen Todesstrafe und Freispruch gewählt haben, um weiter aufkochende Spannungen zwischen beiden Seiten vor der polarisierenden Stichwahl um das Präsidentenamt zu vermeiden. Bei der Abstimmung am 16. und 17. Juni stehen sich der letzte Ministerpräsident unter Mubarak, Ahmed Schafik, und ein Kandidat der unter Mubarak verbotenen Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, gegenüber. In den Städten Hurghada und Fajjum wurden am Samstag die Wahlkampfzentralen von Schafik angegriffen und beschädigt.
Richter Rifaat beschrieb die Ära Mubarak als «30 Jahre der Dunkelheit» und einen «finsteren Albtraum», der erst geendet habe, als das Volk sich gegen Mubarak erhoben habe. Mubarak und sein mitangeklagter Innenminister Habib el Adli hätten nichts unternommen, um die Tötungen der Demonstranten während der 18-tägigen Massenproteste zu verhindern.
Unmut über Freisprüche von Polizeioffizieren
El Adli wurde wie Mubarak wegen Mitverantwortung für die rund 900 getöteten Demonstranten zu lebenslanger Haft verurteilt. Neben den Freisprüchen für die beiden Mubarak-Söhne verärgerten offenbar vor allem die Freisprüche für sechs hohe Polizeioffiziere die Bevölkerung. Anwälte von Opferangehörigen taten unmittelbar nach Urteilsverkündung lautstark im Gerichtssaal ihren Unmut kund. «Das Volk will die Justiz säubern», riefen sie. Einige hielten Banner hoch, auf denen Stand: «Gottes Urteil ist die Hinrichtung».
Richter Rifaat bemängelte, dass die Anklage zu wenige konkrete Beweise vorgelegt habe und gar keine Beweise dafür, dass die Demonstranten von Polizisten getötet wurden. Weil auch die eigentlichen Täter nicht verhaftet worden seien, könne er die Polizeioffiziere nicht verurteilen.
Die Korruptionsvorwürfe gegen Mubarak und seine Söhne seien bereits nach zehn Jahren verjährt gewesen, weswegen ihm keine andere Wahl als ein Freispruch geblieben sei, führte der Richter aus. Vor wenigen Tagen erhob die Staatsanwaltschaft allerdings gegen Gamal und Alaa Mubarak eine weitere Klage wegen Insiderhandels. Möglicherweise war dies ein Schritt, um die Wut der Bevölkerung über den absehbaren Freispruch zu besänftigen.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch