Müssen Schweizer Zalando-Kunden bald Gebühren bezahlen?
Der Onlinehändler hat ein Problem mit seinen Gratis-Retouren. CS-Ökonom Sascha Jucker erklärt, was das heisst.

Zalando legt in der Schweiz immer mehr zu. Der Onlinehändler machte 2018 in der Schweiz bereits 800 Millionen Franken Umsatz und damit fast ein Zehntel der Gesamtumsätze im Bekleidungs- und Schuhdetailhandel in der Schweiz. Das zeigt der neuste Retail Outlook der Credit Suisse.
Allerdings kämpft der Händler gleichzeitig mit tieferen Margen. Dies liegt den CS-Ökonomen zufolge auch an der Gratis-Retouren-Politik des Unternehmens. Versand und Rücksendung sind bei Zalando seit je gratis. In Italien hat sich der Händler nun entschieden, auf Bestellungen von unter 25 Euro Versandkosten zu erheben.
Sascha Jucker, müssen Schweizer Kunden bald Gebühren zahlen, wenn sie etwas bei Zalando bestellen oder zurückschicken?
Es wird sich zeigen, ob Zalando diese Massnahme auch in anderen Ländern einführt. Ausgeschlossen ist dies nicht.
Wieso machen Gratis-Retouren Zalando plötzlich zu schaffen?
Das liegt am veränderten Verhalten der Konsumenten. Der Wert der Warenkörbe ist gesunken, sprich Kunden kaufen für geringere Beträge ein. Das liegt zum einen am Wetter: Im abgelaufenen Jahr wurden wegen der hohen Temperaturen mehr Sommer- als Herbstkleider gekauft. Diese sind tendenziell günstiger. Zum anderen kaufen immer mehr Leute übers Handy oder Tablet ein. Über diese Kanäle wird eher Ware mit geringerem Bestellwert eingekauft. Das, gepaart mit der Gratis-Retouren-Politik und der hohen Retouren-Quote, führt zu tieferen Margen. Anteilsmässig nimmt damit der Kostenblock zu, die Profitabilität sinkt.
Zalando lockte viele Kunden mit Gratis-Versand und -Retouren an. Kann das Unternehmen aus diesem Modell überhaupt noch aussteigen, ohne die Kunden zu verscheuchen?
Man hat die Kunden sicher an etwas gewöhnt. Die Frage ist, welcher Effekt mehr wiegt: die Marktmacht, die Zalando mittlerweile im Bekleidungssegment hat, oder die Abneigung der Kunden gegenüber gebührenpflichtigen Retouren. Zalando bestraft in Italien nicht alle Kunden, sondern nur die, die wenig bestellen. Möglich wäre eine Ausweitung dieses Modells, dass also Versand und Retouren nur noch für gewisse Kundensegmente gratis sein könnten. Damit könnte das Unternehmen bereits Kosten einsparen.
Sind sinkende Margen ein Zalando-Problem? Die meisten Schweizer Händler verlangen zumindest für kleine Bestellmengen eine Gebühr.
Zalando hat Kunden an Gratis-Retouren gewöhnt, das stellt für viele andere Händler ein Problem dar. Denn mit Gratis-Retouren werden Händler nur profitabel, wenn sie ein enormes Wachstum im Onlinehandel erzielen können. Für kleinere Händler dürfte dies kaum aufgehen.
Zalando hält im Schweizer Bekleidungsmarkt bereits einen Marktanteil von 10 Prozent. Hat der stationäre Modehandel überhaupt noch eine Chance?
Die Schweizer Modehändler haben anfangs die Entwicklung des Onlinehandels verschlafen. Der Markteintritt von Zalando war bereits 2011 – bis vor wenigen Jahren hat sich hier nicht genügend getan. Eine Chance für kleinere Händler könnte sein, sich Plattformen wie Galaxus anzuschliessen, die vermehrt auf Mode setzen. Das könnte günstiger sein und eine grössere Kundschaft ansprechen, als eine eigene Plattform zu entwickeln. Dabei verlieren die Händler allerdings zu einem gewissen Grad ihre Selbstständigkeit – etwa, was Kundendaten anbelangt.
Käme nicht auch Amazon als solche Vertriebsplattform infrage? Bis jetzt wird Amazon meist nur als Bedrohung gesehen.
Durchaus. Schweizer Händler hätten sogar einen Vorteil gegenüber der ausländischen Konkurrenz, wenn sie sich Amazon anschliessen könnten. Denn das Abkommen, welches Amazon mit der Schweizer Post abgeschlossen hat, gilt gemäss unserem Wissensstand nicht für Dritthändler aus dem Ausland. Die Verzollung und der damit verbundene administrative Aufwand bleiben also bei ihnen. Schweizer Händler hätten diesen Nachteil nicht.
Rechnen Sie noch mit einer Amazon.ch-Domain? Das würde Lieferung und Verzollung in die Schweiz weiter vereinfachen.
Wenn Amazon eine .ch-Domain gewollt hätte, hätten sie das wohl gleichzeitig mit dem Postabkommen eingerichtet. Auszuschliessen ist es aber nicht. Der Schweizer Markt ist relativ klein – das Interesse, diese administrativen Kosten auf sich zu nehmen, dürfte gering sein.
Alle reden von Amazon, dabei fürchtet sich bereits jedes 7. Schweizer KMU vor der chinesischen Konkurrenz. Überholen Aliexpress & Co. bald Amazon als grösste Gefahr?
Das Wachstum des Onlinehandels aus China ist überproportional zum Wachstum aus dem restlichen Ausland. Allerdings beschränken sich diese Lieferungen in die Schweiz bis heute meist auf Kleinstsendungen. Das Problem ist nach wie vor, dass chinesische Anbieter relativ günstig in die Schweiz liefern können. Sie werden vom Weltpostverband subventioniert, weil China von seinem Schwellenlandstatus Gebrauch machen kann. Aliexpress zahlt somit deutlich tiefere Versandkosten. Zwar werden diese Versandkosten schrittweise angepasst – das wäre aber über Jahre hinweg und darum nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Machte in den letzten Jahren vor allem der Einkaufstourismus den Schweizer Händlern Bauchschmerzen, steigt nun der Wettbewerbsdruck noch weiter durch den wachsenden internationalen Onlinehandel. Was ist Ihr Fazit für den stationären Handel: Hat dieser langfristig eine Chance?
Der stationäre Handel macht immer noch einen riesigen Anteil aus – knapp 90 Prozent. Es wird immer einen Platz dafür geben. Ein Verdrängungskampf findet statt. Aber nicht in allen Bereichen gleich stark. Im Lebensmittelhandel etwa gehe ich nicht davon aus, dass der Onlinehandel bald ein disruptiver Faktor sein wird. Hier scheint in erster Linie der Standort der stationären Händler entscheidend. Andere Segmente wie der Heimelektronikmarkt sind durch Schweizer Onlinehändler bereits sehr gut abgedeckt. Diese sind auch preislich kompetitiver und teilweise günstiger als das Ausland.
Wieso kann die Schweiz in diesem Bereich günstiger sein als das Ausland?
Die Händler sind schon seit langem online, dadurch steigt die Preistransparenz. Die Bestellbeträge dürften hier auch höher sein als in der Mode, und zudem dürfte pro Quadratmeter Verkaufsfläche ein höherer Frankenbetrag umgesetzt werden – das heisst, Händler können mit tieferen Margen arbeiten.
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