Muslimbrüder lehnen Regierungsbeteiligung ab
Ägypten hat eine neue Führung, doch ein Ende der Staatkrise ist nicht in Sicht. Der Widerstand gegen Übergangspräsident Mansur und seine Regierung zieht sich durch alle politischen Strömungen des Landes.
Ägyptens neue Führung kämpft bei ihrem Neustart mit grossen Widerständen aus allen politischen Lagern. Die islamistische Muslimbruderschaft lehnt eine Beteiligung an der Übergangsregierung des neuen Ministerpräsidenten Hasem al-Beblawi entschieden ab. Die liberale Nationale Heilsfront des frisch ernannten Vizepräsidenten Mohammed al-Baradei kritisierte ebenfalls den Fahrplan von Übergangsstaatschef Adli Mansur für eine Verfassungsreform und Neuwahlen. Und auch die Jugendbewegung Tamarod ist nach dem Sturz von Mohammed Mursi weiter unzufrieden.
Die Muslimbruderschaft werde jedes Kooperationsangebot der Regierung ablehnen, sagte einer ihrer Sprecher am Mittwoch in Kairo. Auch Gespräche über eine nationale Aussöhnung lehnte er als «irrelevant» ab.
Schlag gegen die Demokratie
Al-Beblawi hatte zuvor allen gesellschaftlichen Gruppen und ausdrücklich auch der Muslimbruderschaft eine Beteiligung an seiner Übergangsregierung angeboten. Er berät derzeit über die Zusammensetzung eines neuen Kabinetts. Die Ablehnung der Muslimbrüder war erwartet worden. Die Gruppe wertet Mursis Sturz vor einer Woche als Putsch und Schlag gegen die Demokratie und fordert dessen Rehabilitierung.
Das führende liberale Oppositionsbündnis lehnte unterdessen den von Interimspräsident Mansur angekündigten Fahrplan zu Neuwahlen ab. Man sei nicht dazu befragt worden, das sei ein Bruch vorheriger Versprechen, hiess es in einer Erklärung der Nationalen Heilsfront am späten Dienstagabend. In Mansurs Vorlage fehlten entscheidende Passagen, andere müssten geändert oder entfernt werden. Um welche Passagen es sich dabei handelt, wurde nicht erläutert. Auch die Muslimbrüder hatten den Zeitplan bereits abgelehnt.
Volksabstimmung über Verfassung
Mansur schlägt zunächst die Einsetzung zweier Komitees vor. Diese sollen Änderungen an der islamistisch ausgerichteten Verfassung ausarbeiten, die unter der Herrschaft Mursis und dessen Muslimbruderschaft verabschiedet worden war. Innerhalb von viereinhalb Monaten soll es dann eine Volksabstimmung über die geänderte Verfassung geben. Im Anschluss daran sollen innerhalb von zwei Monaten Parlamentswahlen stattfinden – das wäre etwa Mitte Februar; danach hätten die Abgeordneten eine Woche Zeit, um einen Termin für die Präsidentenwahl festzulegen.
Auch die Jugendbewegung Tamarod, die die jüngsten Massenproteste gegen Mursi weitgehend organisiert hatte, kritisierte Mansurs Fahrplan. Der Übergangspräsident gebe sich selbst zu viel Macht, indem er Gesetze erlassen können. Ein Plan von Tamarod für die Zeit nach Mursi sieht hingegen einen weitgehend repräsentierenden Übergangspräsident vor.
Treibstoffknappheit, Stromausfälle und Inflation
Derweil erliess die Staatsanwaltschaft Haftbefehl gegen den Chef der Muslimbruderschaft und neun weitere führende Mitglieder. Mohammed Badie, seinem Stellvertreter Mahmut Essat und acht weiteren Funktionären der islamistischen Gruppe wird vorgeworfen, zur Gewalt aufgerufen zu haben, wie das Büro des Generalstaatsanwalts mitteilte. Bei Ausschreitungen vor einer Kaserne der Republikanischen Garde waren am Montag 54 Menschen getötet worden. Badie ist der geistliche Führer der Muslimbrüder. Die Mitglieder schwören ihm absoluten Gehorsam.
Die neue Regierung am Nil wird schon bald Lösungen für schwierige wirtschaftliche Probleme finden müssen. Treibstoffknappheit, Stromausfälle und Inflation machen den Ägyptern zu schaffen. Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate setzten am Dienstag ein Zeichen ihrer Unterstützung des Umsturzes und versprachen der Regierung acht Milliarden Dollar an Notkrediten. Damit füllen sie eine Lücke, die der Sturz Mursis gerissen hat: Bislang hatte Katar Ägypten mit Milliardenhilfen unterstützt. Die Führung des Emirats ist mit der Muslimbruderschaft verbündet.
Die US-Regierung begrüsste derweil den Fahrplan für Neuwahlen in Ägypten. Der Vorschlag, wie eine demokratisch gewählte zivile Regierung wieder hergestellt werden könne, sei ermutigend, erklärte das Weisse Haus. Die US-Regierung rief alle Ägypter auf, die Gelegenheit zu ergreifen und über eine neue Verfassung, ein neues Parlament und einen neuen Ministerpräsident abzustimmen.
AP/mrs
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