Anforderung an die ElternschaftMutterseelengechillt
Kaum hat eine Frau ein Kind bekommen, soll sie vor allem eines sein: entspannt. Unsere Autorin fragt sich: Wie unrelaxt muss eine Gesellschaft sein, die das so vehement verlangt?

Das Kind ist zwei Tage alt, da kommt die Pflegerin ins Zimmer und legt Tabletten und eine grüne Broschüre auf den Nachttisch: drei Paracetamol und die freundliche Aufforderung, sein Baby nicht umzubringen. «Bitte nicht schütteln! ... zart und zerbrechlich!»
Nicht so zart sind die Ratschläge der Fachkraft. Sie schüttelt ihre Patientinnen nicht, dafür hat sie ein Lieblingsadjektiv, das sie immer dann sagt, wenn es um Frauen, um Mütter, um punktuell zerbrechliche Personen geht. Drückt eine den Notschalter, weil ihr Neugeborenes grosse Mengen Flüssigkeit ausspuckt, ruft die Pflegerin: «Ist halt Fruchtwasser. Entspannen Sie sich!» Einer anderen Mutter, einer mit vielen Fragen und fahrigen Händen, kann sie leider keine Fortschritte attestieren. «Sie werden nie eine entspannte Mutter», lautet ihr Urteil zehn Stunden nach der Geburt.