Rücktritt von Beat FeuzEr begann als «fauler Hund» – jetzt geht er als einer der Besten
Der Olympiasieger und Weltmeister hat genug: Nach seinen Lieblingsrennen in Wengen und Kitzbühel beendet er noch vor der Ski-WM seine Karriere.
Die Frage nach dem Karriereende verglich Beat Feuz einmal mit einer Mückenplage im Hochsommer. Die letzten zehn Jahre wurde er mit ihr konfrontiert, ein erstes Mal 2012 nach mehreren Knieoperationen und einer missglückten Fischöl-Kur, danach Winter für Winter, unabhängig davon, wie es ihm gerade lief. Feuz reagierte mal mit Witz und mal genervt, vor gut einem Jahr sagte er im persönlichen Gespräch: «Ich werde es dann schon spüren, wenn die Zeit gekommen ist, Schluss zu machen.»
Genau so ist es nun gekommen.
In den letzten Wochen ist das Gefühl in Feuz gereift, dass es genug ist mit dem Skifahren. Mit dem Entscheid hat er sein engstes Umfeld überrascht, die Trainer, sein Management, viele Freunde auch. Der Emmentaler fährt nächste Woche in Bormio, danach noch in Wengen und Kitzbühel, für die WM in Courchevel und Méribel im Februar bringt er die Motivation nicht mehr auf. Das Vorgehen passt zu Feuz, der bezüglich Prioritäten und Vorlieben nie ein Geheimnis gemacht hat: Lauberhorn und Streif, das sind seine Lieblingsstrecken. Auf diesen will er ein letztes Mal glänzen.
Mit Umwegen und Irrfahrten zu Glanztaten
Mit Feuz verliert die Schweiz einen der erfolgreichsten Skifahrer in der nationalen Geschichte. Er hat gewonnen, was ein Abfahrer gewinnen kann: Olympia-Gold, den Weltmeistertitel, viermal die kleine Kristallkugel für den Sieg in der Disziplinenwertung, je dreimal in Wengen und Kitzbühel – bis jetzt. In der Allzeitrangliste der besten Abfahrer ist ihm wohl einzig der Österreicher Franz Klammer überstellt.
Es sei über Jahre hinweg seine Leidenschaft gewesen, Grenzen auszuloten und Risiko auf sich zu nehmen, lässt der Sieger von 16 Weltcuprennen in einer Mitteilung verlauten. «Mein Gefühl war oft der Schlüssel zum Erfolg. Nun sagt mir mein Gefühl aber, dass die Grenzen erreicht sind.»
35 ist Feuz und Vater zweier Mädchen, an den Stammtischen häuften sich nach dem durchwachsenen Saisonstart ohne Podestplatz die Stimmen, wonach er nicht mehr bereit sei, sich mit letzter Konsequenz die Steilhänge dieser Welt hinunterstürzen. Es wird kaum der Grund dafür sein, dass er den Schlussstrich zieht. Feuz hat die Gefahren immer ausblenden oder zumindest richtig einschätzen können. Geprägt durch seine eigene (Leidens-)geschichte, die oft genug rezitiert worden ist, deren Konturen aber mit jedem Erfolg an Schärfe gewannen.
Mit zwei schon fuhr er Ski, daheim in Schangnau, wo die Eltern heute noch einen Skilift betreiben und sich der Fanclub in der Gaststätte die eine oder andere Harasse Bier gönnt. Nichts habe man ihm beibringen müssen, erzählte Mutter Hedi später einmal. Der Bub galt als Ausnahmetalent, als schlampiges Genie aber auch, weil er mollig war und sich vor den Konditionstests drückte. Sepp Brunner, sein langjähriger Trainer und heute Coach in Österreich, bezeichnete Feuz einst als «faulen Hund mit unerhörten Gewichtsschwankungen». Dessen Weg vom «Kugelblitz» zur Abfahrtskugel war denn auch ein steiniger. Einer mit Umwegen und Irrfahrten.
Die Freundin bekehrte ihn
Als 8-Jähriger brach sich Feuz beide Fersen, er sass drei Monate lang im Rollstuhl. Elfmal wurde sein linkes Knie operiert, nach Behandlungsfehlern und Komplikationen drohte sogar die Versteifung. Es gab Zeiten, da konnte er knapp einen Viertel des Trainingsumfangs der Konkurrenz absolvieren, aber immer wieder brachte er die Kraft auf für die paar Rennen, die ihm viel bedeuteten. So etwa für die Abfahrt an der Heim-WM 2017 in St. Moritz, als ihm die Schweizer Erwartungen schwer wie das Matterhorn auf seine Schultern luden, und er triumphierte, als sei es das Leichteste der Welt.
Zuweilen irritierte es, mit welcher Gleichgültigkeit der Berner Fragen nach möglichen bleibenden Schäden beantwortete. Und es faszinierte, wie er sich immer wieder aufraffte – und der so sehr gezeichnete Körper mit Fortdauer der Karriere tatsächlich widerstandsfähiger wurde. Die Entwicklung zum weltbesten Abfahrer wäre kaum möglich gewesen, hätte er an der Junioren-WM 2007 nicht die Österreicherin Katrin Triendl kennen und lieben gelernt. Die Physiotherapeutin hat Feuz ein Stück weit bekehrt und ihm die Devise «weniger Fast Food, weniger Leichtsinn» eingetrichtert.
Noch am Abend vor seinem ersten Weltcupsieg 2011 in Kvitfjell soll Feuz ein Fondue gegessen haben. Er selbst sagte vor ein paar Jahren, er sei sich früher nicht bewusst gewesen, was es im Skisport wirklich brauche. Gewisse Verletzungen wären vermeidbar gewesen, da ist er sich sicher, wobei sich sein Körper kreativ darin zeigte, ihm Streiche zu spielen: Als es dem Knie endlich gut ging, verletzte er sich an der Achillessehne. Und Monate vor seinem Weltmeistertitel kämpfte er mit einer Gesichtslähmung.
Die Familie steht nun im Fokus
Manchmal staunten nicht nur Trainer, Konkurrenten und Skifans, wie Beat Feuz das alles bewerkstelligte. Dieser Schneestreichler, der mit so viel Gefühl fahren kann, kaum einmal stürzte und während vier Saisons der mit Abstand konstanteste Abfahrer blieb. Die Bedeutung eines Olympiasieges hatte er jahrelang kleingeredet, nach dem Triumph im Februar in Peking reagierte er ungewohnt emotional – aus seinem Umfeld ist zu hören, dass jener Erfolg einiges bewirkte. Womöglich war es das letzte Häkchen, das es zu setzen gab.
Feuz hat die Ausbildung zum Maurer absolviert, die Rückkehr in den Beruf ist ausgeschlossen und finanziell auch nicht notwendig. Sein Investment und Engagement bei einem E-Bike-Spezialisten dürfte er ausbauen, für den einen oder anderen Werbepartner könnte er Botschafteraufgaben übernehmen. Am 26. Dezember will Feuz in Bormio genauer informieren. Sicher ist: Die Familie soll künftig im Fokus stehen.
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