Nach wem kommt das Kind?
Ganz die Mama oder doch Grossvaters Eierkopf? Die Frage, ob ein Kind mehr nach Mama oder Papa kommt, beschäftigt Familien seit jeher.

So herzig! Ganz die Mama. Und den Appetit, den hat sie vom Papa, gäll? Wer bei Freunden oder am Familientürk mit einem Kleinkind auftaucht, kann sich neben unzähligen Jöhs auch auf die Mutter aller Fragen gefasst machen: «Nach wem kommt das Kind?»
Und los gehts. Zuerst die Äusserlichkeiten. Da kann jeder mitreden. Falls Sie ein Mädchen präsentieren, stammen die grossen, unschuldigen Rehaugen, die Goldlöckchen und das süsse Lächeln von der Mutter. Klar. Bleiben Buddha-Bauch, Ohren und Kopfform für den Vater. Obwohl, hatte die Mama als Kind nicht auch diesen, zwar nicht ganz so krassen, Eierkopf? Im Haus der Schwiegereltern wird in diesem Moment gerne auch mal verstaubtes Beweismaterial in Form vergilbter Familienfotos ausgegraben.
Können Sie hingegen mit einem Thronfolger aufwarten, kommt das spitzbübische Lächeln, der schelmische Blick und das struppige Haar vom Papa. Prost! Woher denn sonst. Ausser, wenn der Haarwuchs spärlich spriesst, dann gerät der kleine Mann ganz nach dem Grossvater. Weil es ja immer eine Generation überspringt. Wenn schon der eigene Sprössling nicht vom eigenen Schlag ist, dann wenigstens das Engelskind, äh, Enkelkind. In den ersten Monaten sehen im Neugeborenen alle, was sie sehen wollen. Auch wenn alle Babys blaue Augen haben.
Das Werweissen nervt zuweilen. Bleibt aber spannend. Das Kind wartet ja mit ständig neuen Verhaltensmustern auf, die es sich bei den Eltern abgeguckt hat. Es furzt und isst mit den Händen, ganz der Papa, oder es beginnt zauberhaft zu singen wie die Mama.
Und doch schwingt da und dort leise Enttäuschung mit. Was, wenn mir das Kind überhaupt nicht gleicht? Weder äusserlich noch vom Charakter her? Waren meine Gene zu schwach? Warum konnte ich mich nicht durchsetzen? Reproduktion gescheitert? Wie gehen Mütter und Väter damit um?
Ladies first. Die meisten Frauen und Mütter (Macho-Mamas ausgenommen) gehören zur Spezies der Gleichmacherinnen. Meistgehörter Schlüsselsatz: «Ich auch!» Sie nivellieren ihre Umgebung um sich gleichwertig und deshalb wohl zu fühlen. Was sie zu liebenswürdigen und sozialen Wesen macht, gleichzeitig aber daran hindert, eine Führungsrolle zu übernehmen. Viele Frauen scheitern im Arbeitsleben daran. Weil der Schritt in die Chefetage Abgrenzung und Andersartigkeit (ich bin besser) bedingt. Frauen vergleichen ständig. Klatsch und Tratsch.
Mütter sehen ihr Kind als Teil von sich selbst. Ein wunderbarer, natürlicher Reflex. Selbst wenn das Kleine ein Ebenbild des Vater darstellt. Sie reduzieren Andersartigkeit, in dem sie glauben, dass sie in einer früheren Phase ähnlich waren. Oder sie entdecken in ihrem Kind eigene verborgene Potenziale. Das Kind gleicht ihnen so oder so. Das wissen sie in ihren Herzen. Sie haben es schliesslich geboren.
Absolut typische Charakterzüge des Partners beim eigenen Kind werden nach aktuellem Status der Beziehung gewertet. Im guten Fall betonen sie diese sogar. Im ungünstigen Fall muss das Kind zum Besseren erzogen werden. Wie der Partner auch.
Bei Männern ist Andersartigkeit Programm. Sie sind etwas Besonderes. Sie beschäftigen sich eher mit sich selbst als mit ihrer Umgebung. Meistgehörter Schlüsselsatz: «Du auch?» Sie streichen ihre oft vermeintliche Einzigartigkeit vornehm (Gentleman) oder direkt (Prolo) heraus und machen sich damit Freunde (Gleichgesinnte), Kollegen (Bewunderer) oder Feinde (Neider). Ihre Kinder sehen sie als Teil ihres neuen Lebensabschnitts, als Teil ihrer Familie. Und im Gegensatz zur Mutter weniger als Teil von sich selbst.
Väter sehen ihre Töchter und Söhne eher so, wie sich selbst, als eigenständige Personen. Ihre Brust schwillt unheimlich an, fast wie beim Milcheinschuss, wenn ihnen der Sprössling gleicht. Je weiter der Apfel vom Stamm gefallen ist, desto empfindlicher schmerzt es aber auch. Wobei sie sich das nie anmerken liessen. Weil sie ihre Partnerin lieben. Und ein Kind mit der Person zu haben, die sie wirklich lieben, ist doch das Allergrösste.
Am Ende spielt es gar keinen Tango, wem die Augen, die Nase oder das Lächeln Ihres Kindes gleichen. Die Menschenmasse in Monthy Pythons «Life of Brian» bringt es auf den Punkt, wenn sie wie aus einem Munde schreit: «Wir sind alle völlig verschieden.»
Dieser Artikel wurde erstmals am 15. August 2012 publiziert und am 15. Mai 2023 in dieses Redaktionssystem übertragen.
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