Nächtlicher Showdown auf der Fähre
Krimi der Woche: In ihrem zweiten Psychothriller «Ein drittes Leben» baut die australische Autorin Tania Chandler ein Bedrohungsszenario zwischen Wahn und Wirklichkeit auf.

Der erste Satz
Brigitte joggte über die Fifth Parade auf die Uferpromenade zu.
Das Buch
Eigentlich sollte es eine Idylle sein: Eine Insel, die zwar nicht weit vom Festland entfernt ist, aber nur mit einer Fähre erreicht werden kann. Koalas und seltene Vögel leben hier. Ein Ort, um ein ruhiges und sicheres Leben zu führen, haben sich Brigitte und Aidan gedacht, als sie aus der Grossstadt Melbourne hierherzogen. Beide haben dort ungute Erlebnisse hinter sich, beide waren in gewaltsame Todesfälle verwickelt. Aidan hat als Detective in Notwehr eine Frau erschossen und ist traumatisiert. Jetzt ist er Kleinstadtpolizist, Brigitte arbeitet für eine Lokalfernsehstation und kümmert sich um die drei Kinder.
Brigitte ist die Hauptfigur in «Ein drittes Leben», dem zweiten Roman der Australierin Tania Chandler, und war es schon im ersten Roman «Zwei Leben». Für Brigitte ist die Insel keine Idylle. Sie reagiert panisch auf Wasser. Und die seltsamen Geräusche in der Nacht beunruhigen sie. War das nur ein Koala oder drohendes Unheil? Dann wird nach einer Unwetternacht eine bekannte TV-Köchin ermordet im Wasser gefunden; sie trug einen Mantel, wie Brigitte ihn trägt. In der lokalen Buchhandlung stellt der Ex-Freund von Brigitte aus Melbourne seinen neuen Roman vor. Es geht um die Leiche einer Frau, die am Ufer eines Sees im Wasser gefunden wird.
Dann gerät Brigittes Leben völlig aus den Fugen. Einerseits durch familiäre Schicksalsschläge, durch Aidans zunehmende Paranoia, durch wachsende Ängste. Brigitte fühlt sich immer stärker diffusen Bedrohungen ausgesetzt; die Grenzen zwischen der Wirklichkeit und Vorstellungen und Albträumen verwischen sich immer mehr. So ist Tania Chandlers Roman alles andere als ein konventioneller Krimi, sondern vielmehr ein Psychothriller, in dem sich Gefahr auf leisen Sohlen aus unerwarteten Ecken nähert – oder doch nur eingebildet ist? Brigitte weiss nicht mehr, wem sie trauen kann und wem nicht. Bis es zum nächtlichen Showdown auf der Fähre kommt.
Im ersten Roman von Tania Chandler kam der Soundtrack von Nick Cave und Nirvana. Hier sind es vor allem Songs von Tom Waits, die Brigitte begleiten. Man spürt, dass Musik der Autorin wichtig ist. In einem Interview sagte sie, dass der Song «Everything's Turning to White» von Paul Kelly eine frühe Inspiration für diesen Roman gewesen sei, und Kellys Song war inspiriert durch eine Kurzgeschichte von Raymond Carver, in der ein Mann die Leiche eines ermordeten Mädchens in einem Fluss findet. Der grosse australische Singer/Songwriter Kelly und die amerikanische Literaturikone Carver – keine schlechten Paten für einen Roman.
Die Wertung
Die Autorin
Tania Chandler, geboren in Melbourne, wo sie immer noch lebt, arbeitet als Redaktorin. 2015 veröffentlichte sie ihren ersten Roman «Please Don't Leave Me Here», der 2017 als «Zwei Leben» auf Deutsch erschienen ist. «Ein drittes Leben» (Dead in the Water» setzt die Geschichte von Brigitte aus dem ersten Roman fort.

Tania Chandler: «Ein drittes Leben» (Original: «Dead in the Water», Scribe, Melbourne 2016). Aus dem Englischen von Karen Witthuhn. Suhrkamp, Berlin 2018. 299 S., ca. 15 Fr.
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