Putins AtombombeNato hat Pläne für atomares Schreckensszenario
Russlands Drohungen mit Nuklearwaffen überschatten ein Nato-Treffen, bei dem die Verbündeten der Ukraine neue moderne Luftabwehrsysteme in Aussicht stellen.

Die Nato will nicht Kriegspartei sein, und doch spielen ihre Mitglieder eine immer wichtigere Rolle bei der Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression. Treffen des Bündnisses sind auch der Moment für neue Hilfszusagen und Absprachen. Lange war der Fokus auf Panzer und Artillerie, um den ukrainischen Streitkräften bei der Befreiung des Territoriums zu helfen. Nach dem russischen Dauerbeschuss von Städten in der Ukraine rücken nun komplexe Systeme zur Luftabwehr in den Vordergrund.
Die Nato sei nicht Teil des Konflikts, doch die Unterstützung durch die Allianz spiele eine Schlüsselrolle, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg am Donnerstag in Brüssel. Das Bündnis werde so lange wie nötig an der Seite der Ukraine sein. Rechtzeitig zum Treffen der Verteidigungsministerinnen und -minister der Nato-Staaten kam die Meldung, Deutschland habe die erste Flugabwehrwaffe Iris-T der Ukraine übergeben.
Das Luftabwehrsystem besteht aus einer Abschussrampe für acht Raketen auf einem LKW, einem Radarfahrzeug und einem Führungsfahrzeug. Die Flugabwehrwaffe, in Überlingen am Bodensee hergestellt, war eigentlich für Ägypten bestimmt und wurde kurzfristig umgeleitet. Deutschland hat drei weitere Systeme in Aussicht gestellt, mit denen ganze Städte vor Angriffen aus der Luft geschützt werden können.
Schutzschirm für Europa
Auch Frankreich, Grossbritannien und die USA liefern Systeme, mit denen Drohnenangriffe und Marschflugkörper abgewehrt werden können. Ein Dutzend Nato-Staaten schlossen sich beim Treffen zudem einer Initiative Deutschlands an, gemeinsam einen Schutzschirm gegen Luftangriffe aufzubauen. Russlands Krieg hat den Nato-Verbündeten Lücken in ihrer eigenen Verteidigung deutlich gemacht. Auch sonst stellt sich das Bündnis auf einen längeren Konflikt ein. Die Verbündeten stellen Winterkleider für die Streitkräfte der Ukraine in Aussicht, ebenso wie Generatoren oder Treibstoff.
Experten rechnen damit, dass der Winter die Kampfhandlungen verlangsamt und es zu einem Stellungskrieg kommen könnte. Das Thema Panzer ist dabei nicht vom Tisch. Die Ukraine soll über einen sogenannten Ringtausch rund hundert Kampfpanzer geliefert bekommen. Tschechien, Griechenland und Slowenien geben Panzer aus sowjetischer Produktion ab und bekommen dafür von Deutschland modernisierte Leopard-Panzer.
Ein russischer Einsatz von Atomwaffen werde «extrem ernsthafte Konsequenzen haben», betonte Stoltenberg.
Brisantes Thema auch Wladimir Putins Drohungen mit einem Nuklearschlag. Ziel der Drohung sei es, den Westen von der Unterstützung der Ukraine abzubringen, sagte Stoltenberg. Das werde aber nicht funktionieren. Wie würde die Nato aber reagieren, sollte der russische Präsident tatsächlich Nuklearwaffen einsetzen? Man bleibe wachsam angesichts der «gefährlichen Drohungen». Das Bündnis habe Pläne für alle Risiken: «Wir werden nicht ins Detail gehen, wie wir antworten.»
Bei der Nato redet man nicht gern öffentlich über Szenarien, insbesondere wenn es um die nukleare Abschreckung geht. Das öffentliche Schweigen ist Teil der Abschreckungsstrategie. Umso mehr sorgt Präsident Emmanuel Macron mit seiner Aussage für Irritationen, Frankreich werde nicht mit Atomwaffen reagieren, sollte Putin seine Drohung vom Nuklearschlag umsetzen.
Ein Einsatz von Atomwaffen werde «extrem ernsthafte Konsequenzen haben», betonte aber Stoltenberg. Auch der Einsatz von taktischen Nuklearwaffen in der Ukraine würde den Charakter des Krieges verändern, Russland damit eine rote Linie überschreiten.

Am Rande des Nato-Treffens tagte routinemässig auch die sogenannte Nukleare Planungsgruppe. Es sei wichtig, die Drohungen Russlands ernst zu nehmen, sagte die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Die Verbündeten seien auf alle Szenarien vorbereitet. Die Nato wird nächste Woche zudem wie jedes Jahr im Oktober in einer routinemässigen Übung die Einsatzbereitschaft der nuklearen Abschreckung testen.
US-Atomwaffen sind in unterirdischen Magazinen in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, der Türkei und Norditalien eingelagert. Die sogenannte nukleare Teilhabe der Nato sieht vor, dass europäische Partnerstaaten die US-Bomben von Flugzeugen zum Beispiel über gegnerischen Streitkräften abwerfen. Bei den Manövern wird geübt, wie die Atomwaffen sicher aus den Magazinen gebracht und an den Kampfflugzeugen montiert werden. Die Übungsflüge werden dann aber ohne Bomben durchgeführt.
Übungen mit Atomwaffen
Wäre es angesichts der angespannten Lage nicht besser gewesen, die Übung abzusagen? Das Manöver sei lange vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine geplant gewesen, betonte Stoltenberg. Genau jetzt sei es wichtig, keine Zweifel an der Verteidigungsbereitschaft der Nato aufkommen zu lassen: «Es würde ein falsches Signal nach Moskau aussenden, wenn wir diese Routineübung wegen des Kriegs in der Ukraine absagen würden», so Stoltenberg.
Auch Russland will in den kommenden Wochen Manöver mit Atomwaffen abhalten. Kann die Nato sicher sein, dass Putin dann ebenfalls ohne scharfe Bomben üben lässt? Das Bündnis kann sich dabei nach den Worten von Stoltenberg auf die Geheimdienste seiner Mitgliedstaaten verlassen. Beruhigend ist das nicht wirklich.
Fehler gefunden?Jetzt melden.