
«Unsere Bäuerinnen und Bauern sollten sich auf eine naturnahe Produktion konzentrieren», fordert Martin Graf, grüner Alt-Regierungsrat des Kantons Zürich und Geschäftsführer des gentechkritischen Vereins Gen Au Rheinau, in seinem Gastbeitrag in dieser Zeitung vom 12. Dezember. Was heisst nun aber «naturnah» in Bezug auf Pflanzenzüchtung und Pflanzenschutz? Bieten nicht genau hier die modernen Züchtungsmethoden wie die Genomeditierung grosse Chancen?
Als Forscherin am Immunsystem der Pflanzen studiere ich, wie sich Pflanzen selber gegen Krankheiten wehren können. Die dabei erzielten Ergebnisse lassen sich in der Züchtung anwenden: Das Immunsystem unserer Kultursorten kann so gestärkt werden, dass sie gezielt Krankheitserreger abwehren können und somit weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssen. Mit anderen Worten, wir geben den Kultursorten gewisse Komponenten zurück, die sie im Lauf der langen Selektions- und Optimierungsprozesse durch den Menschen verloren haben. Mit modernen, gezielten Züchtungsmethoden wird der Pflanze geholfen, sich selber besser zu schützen – ganz naturgetreu.
Des Weitern schreibt Martin Graf: «Ein volatiles Klima mit Extremausschlägen bedingt vor allem Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit. Einseitigkeit hat ausgedient!» Auch ich bin eine grosse Befürworterin der Vielseitigkeit. Vielseitigkeit in Bezug auf Sorten und Vielseitigkeit in Bezug auf Pflanzenzuchtfirmen und -institutionen. Auch hier können die modernen Züchtungsmethoden einen Beitrag leisten. Durch die schnellere, präzisere Züchtung können alte, bewährte Sorten an Standortbedingungen angepasst werden, und neue Sorten können schneller auf den Markt gebracht werden.
«Eine einseitige Verbotspolitik bei modernen Züchtungsmethoden greift zu kurz.»
Die Gesetzgebung muss jedoch angepasst werden, sodass auch kleine Züchtungsunternehmen eine faire Chance erhalten, ihre Sorten mittels moderner Methoden zu züchten. Es muss darauf hingearbeitet werden, dass nicht die Züchtungsmethode, sondern die Sorte mit ihren Eigenschaften entscheidend ist für die Zulassung. Moderne Methoden brauchen keine grosse Industrie. Im Gegenteil, kleine Universitätslabors sind in der Lage, Methoden wie die Genomeditierung anzuwenden. Wird das Zulassungsverfahren weniger aufwendig und teuer als bis anhin, können sich auch Start-ups bilden. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg weg von der Monopolisierung weniger Saatgutfirmen hin zu einem bunten Nebeneinander vieler Unternehmen und Institutionen.
Zur Thematik der Patente schreibt Martin Graf: «Bis September 2022 wurden weltweit über 20’000 Patentgesuche zur Genomediting-Methode Crispr-Cas9 gestellt.» Dazu muss gesagt werden, dass eine Vielzahl dieser Patente im Bereich der Humanmedizin gestellt wurden. Fakt ist, dass lediglich rund 2000 dieser Patente im Pflanzenbereich eingereicht wurden. Direkt auf Pflanzeneigenschaften wie etwa Schädlingstoleranzen beziehen sich wenige Hundert. Auch bezüglich der Patente ist eine angemessene Regulierung gefragt. In der Schweiz werden neue Sorten durch den Sortenschutz geschützt. Sortenschutz und Patente sollen so gestaltet sein, dass Innovation gefördert und nicht verhindert oder monopolisiert wird.
Eine einseitige Verbotspolitik bei modernen Züchtungsmethoden greift zu kurz. Wir müssen uns die Mühe nehmen, angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Züchtungsmethoden ihr Potenzial entfalten können – gerade im Hinblick auf die nachhaltige Produktion gesunder Pflanzen.
Teresa Koller ist Oberassistentin am Institut für Pflanzen- und Mikrobiologie der Universität Zürich. Sie führt Feldversuche durch mit transgenem Getreide (Weizen, Gerste und Mais) mit verbesserter Krankheitsresistenz.
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Gastkommentar zur Agrarpolitik – Naturnaher Pflanzenschutz dank Gentech
Mit modernen, gezielten Züchtungsmethoden wird Pflanzen geholfen, sich selber besser zu schützen. Das sollten wir fördern.