Nemzow wollte Asyl in Litauen beantragen
Der Oppositionelle Boris Nemzow wurde beim Spaziergang nach dem Essen getötet. Er bat 2012 offenbar den damaligen litauischen Ministerpräsidenten um Schutz.
Der am Freitag ermordete russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow hat erwogen, Asyl in Litauen zu beantragen. Das sagte der frühere Ministerpräsident des baltischen Staates, Andrius Kubilius.
Er habe Nemzow bei einem privaten Gespräch am Rande eines Kongresses seiner konservativen Partei im Jahr 2012 Schutz versprochen, sagte Kubilius. Nemzow habe damals damit gerechnet, nach den Massenprotesten gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Wladimir Putin festgenommen und inhaftiert zu werden.
«Er fragte, ob Litauen politisches Asyl gewähren würde. Ich sagte, ich hätte keine Zweifel daran und bot ihm an zu bleiben, aber letztlich lehnte er ab», sagte Kubilius. Die frühere Sowjetrepublik Litauen zählt innerhalb der EU und der Nato zu den grössten Kritikern Russlands und plädiert für schärfere Sanktionen gegen Moskau im Ukraine-Konflikt.
Ermittler berichten von Hinweisen
Ermittler haben laut russischen TV-Berichten möglicherweise das Fluchtauto der Mörder von Boris Nemzow gefunden. Der TV-Sender Rossija 24 zeigte das weisse Fahrzeug mit einem Nummernschild der russischen Teilrepublik Inguschetien, die im islamisch geprägten Konfliktgebiet Nordkaukasus liegt. Von den Tätern fehlte demnach allerdings jede Spur.
Zuletzt hatten Ermittler als einen von mehreren Ermittlungsansätzen auch einen islamistischen Hintergrund für den Mord nicht ausgeschlossen. Nach Darstellung der obersten Ermittlungsbehörde in Moskau hatte es gegen Nemzow Drohungen gegeben, nachdem der Politiker sich im Zuge des Anschlags auf das Pariser Satiremagazin «Charlie Hebdo» solidarisch mit den Franzosen gezeigt hatte. Weggefährten vermuten hingegen, dass Nemzow sein jahrelanger Kampf gegen den Kreml zum Verhängnis wurde.
«Minutiös geplant»
Der Mord an Nemzow war nach ersten Angaben der Ermittler «minutiös geplant». Auch der Tatort sei sehr genau ausgewählt worden, erklärte das zuständige Ermittlungskomitee. Sowohl die Polizei als auch der Kreml gingen von einem Auftragsmord aus.
Der 55-jährige Kritiker von Präsident Wladimir Putin war am Freitagabend in Sichtweite des Kremls auf einer Brücke erschossen worden. Der Nachrichtenagentur Tass zufolge wollte Nemzow nach dem Abendessen in einem Restaurant am Roten Platz noch einen Spaziergang machen. Seine Begleiterin, Medien zufolge eine 23 Jahre alte Ukrainerin, überlebte das Attentat. Laut Polizei wurden die Schüsse aus einem vorbeifahrenden, weissen Auto abgefeuert.
Es sei «offensichtlich», dass die «Organisatoren und Ausführenden des Verbrechens» wussten, welchen Weg Nemzow nehmen würde, hiess es in der Erklärung weiter.
Nemzow wurde mehrmals in den Rücken geschossen. Der oder die Täter nutzten den Angaben der Ermittler zufolge offenbar eine Makarow-Pistole, wie sie vom russischen Militär und der Polizei verwendet wird. Am Tatort seien sechs Patronenhülsen verschiedener Hersteller gefunden worden, was die Fahndungsarbeit erschwere. Die Zeugen des Mordes wurden laut dem Komitee bereits vernommen.
Grosse Trauer in Moskau
Der Mord sorgte für grosse Bestürzung in der russischen Hauptstadt. Zahlreiche Moskauer strömten zum Tatort, um dort Blumen niederzulegen und Kerzen anzuzünden. Oppositionelle würdigten Nemzow, der als einer der schärfsten Kritiker der russischen Ukraine-Politik galt, als Kämpfer für die Wahrheit.
Moskau genehmigte für diesen Sonntag überraschend eine Trauerkundgebung für 50'000 Menschen im Stadtzentrum. Die Initiative ging demnach vom Oppositionsführer und Ex-Regierungschef Michail Kasjanow aus. Er hatte mitgeteilt, dass die Opposition nach dem Mord auf einen geplanten Marsch gegen Putin verzichten werde.
sda/AFP
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