Neue Bedingungen für Fussball-WM und Olympia-Gastgeber
Fifa und Olympisches Komitee reagieren auf Kritik: Austragungsländer müssen nun Menschenrechte einhalten.

Für die Olympischen Spiele 2008 in Peking wurden 1,5 Millionen Menschen zwangsumgesiedelt. Als der chinesische Bürgerrechtler Ye Guozhu dagegen mit einer friedlichen Demonstration protestieren wollte, wurde er verhaftet, zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt und dort misshandelt.
Die Regierung missachtete während der Spiele auch die Pressefreiheit. Im Olympia-Medienzentrum wurde den Journalisten der Zugriff auf Internetseiten westlicher Medien und von Menschenrechtsgruppen verwehrt.
Solche Szenen sollen sich bei Sport-Grossanlässen nicht wiederholen. Das Internationale Olympische Komitee (IOK), der Weltfussball-Verband Fifa, der europäische Fussballverband Uefa und die Commonwealth Games Federation sind als erste Sportorganisationen der neuen Plattform für Menschenrechte an Sport-Grossanlässen (Mega-Sporting Events Platform for Human Rights) beigetreten. Diese wurde Ende vergangenen Jahres gegründet.
Diktaturen werden verpflichtet, Rechte zu respektieren
Mit dem Beitritt ist eine Verpflichtung verbunden: Ab sofort dürfen nur noch jene Länder Fussball-Weltmeisterschaften, Europameisterschaften oder Olympische Spiele austragen, die sich bereits bei der Bewerbung vertraglich dazu verpflichten, in der Bauphase und während des Anlasses die Menschenrechte einzuhalten. Werden sie verletzt, haben die Opfer Anspruch auf Entschädigung.
Das bedeutet nicht, dass eine Diktatur wie China oder ein autoritär geführter Staat wie Russland, welche die Menschenrechte systematisch missachten, keine Sport-Grossanlässe mehr durchführen dürfen. Aber sie müssen garantieren, dass sie sie rund um die Vorbereitung und die Durchführung der Spiele einhalten. Konkret: Die Regierung darf friedliche Demonstrationen der Bevölkerung gegen die Spiele nicht unterdrücken, wie es zum Beispiel 2014 während der Olympischen Winterspiele in Sotschi geschah. Sie muss die Pressefreiheit gewährleisten und die Arbeiter vor Unfällen und Ausbeutung im Zusammenhang mit dem Bau der Stadien und der Athletenunterkünfte schützen. Kinderarbeit ist verboten. Ebenso die Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel Frauen oder Homosexuellen.
Am weitesten fortgeschritten mit der Umsetzung dieser Bestimmungen ist die Fifa. Sie hat bereits 2014, zwei Jahre vor Gründung der neuen Plattform, damit begonnen, eine umfassende Menschenrechtspolitik zu erarbeiten. Seit letztem Jahr hat sie sie in ihren Statuten verankert, seit diesem Juni in konkrete Leitlinien gegossen. Laut Nachhaltigkeitschef Federico Addiechi geschah dies aus eigenem Antrieb. Doch ein Fifa-Kadermitglied sagt: «Natürlich hat auch der Druck von Sponsoren und Medien gewirkt.» 2015 hatten Visa, Coca-Cola und Adidas von der Fifa verlangt, Katar zu einer Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der ausländischen Arbeiter zu bewegen, die die WM-Stadien bauen.
Vom Mahner zum Berater
Den Stein ins Rollen brachte John Ruggie, ehemaliger Stellvertreter von UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Als UNO-Sonderbeauftragter für Unternehmen und Menschenrechte verfasste er die UNO-Prinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die seit 2011 in Kraft sind. Sie schreiben Staaten und Firmen vor, bei allem wirtschaftlichen Handeln die Menschenrechte zu respektieren. Und sie verankern ein Recht auf Wiedergutmachung im Fall von Menschenrechtsverletzungen durch wirtschaftliche Akteure.
Zu diesen gehört die Fifa, die Milliarden umsetzt. 2014 schrieb Ruggie dem damaligen Präsidenten Sepp Blatter einen Brief, in dem er ihn ermahnte, künftig die UNO-Leitlinien einzuhalten. Die Fifa lud Ruggie prompt ein, sie bei der Erarbeitung einer eigenen Menschenrechtspolitik zu beraten.
Als erster grosser Sportverband trat Ende 2016 das IOK der neuen Plattform für Menschenrechte bei. Für die Ausschreibung der Olympischen Spiele 2024 gelten nun deren Richtlinien, wie ein Sprecher bestätigt. Die Fifa ist seit April Mitglied, die Uefa seit Ende Juli. «Menschenrechtskriterien sind von nun an integraler Bestandteil des Ausschreibungsverfahrens für Gross- und Klubanlässe», sagt ein Uefa-Sprecher. Dabei sind auch sechs UNO-Organisationen, Sponsoren wie Adidas und Coca-Cola, internationale Gewerkschaftsverbände und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und Terre des Hommes.
Die Schweiz spielt eine führende Rolle
Eine tragende, vielleicht sogar die wichtigste Rolle innerhalb der Plattform spielt die Schweizer Regierung. Sie lud 2015 zu einem ersten Treffen in Glion VD. Sie organisierte 2016 zusammen mit der US-Regierung die vorbereitende Konferenz, war bei der Gründung dabei und unterstützt die Plattform finanziell. «Die Schweiz als Initiantin war von Anfang an dabei», bestätigt Pierre-Alain Eltschinger, Sprecher des zuständigen Aussendepartements. Zusammen mit der US-Regierung sitzt die Schweiz im Steuerungsausschuss. Dieser wird von Mary Robinson präsidiert, der ehemaligen Staatspräsidentin Irlands und UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte. Als einziges Land gehört die Schweiz zudem drei von vier Unterausschüssen an.
Die führende Rolle der Schweiz lässt sich erklären: Wenn sie zuschauen würde, wie an Sportanlässen die Menschenrechte verletzt werden, würde sie sich erneut politisch angreifbar machen – wie schon wegen des Bankgeheimnisses oder dubioser Rohstoffgeschäfte. Denn die Schweiz ist mit Abstand der wichtigste Standort grosser Sportverbände, darunter die Fifa in Zürich, die Uefa in Nyon und das IOK in Lausanne. «Als Sitzstaat von über siebzig internationalen Sportverbänden spielt die Schweiz eine Schlüsselrolle, um den Respekt der Menschenrechte in dieser Branche zu fördern», sagt Eltschinger. Als Standort einiger der wichtigsten Sportverbände und multinationalen Unternehmen der Welt fühle sie sich verpflichtet, sich der Achtung der Menschenrechte zu widmen.
Nun bemüht sich die Plattform, weitere Sportorganisationen für einen Beitritt zu gewinnen, etwa die Weltverbände für Leichtathletik, Basketball, Rugby und Cricket sowie das Internationale Paralympische Komitee.
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