Neue Diesel-Autos sind dreckiger als vor 15 Jahren
Messergebnisse der Empa zeigen: Seit Jahren stossen Dieselautos mehr Stickoxide aus als erwartet. Die geltenden Abgasnormen behindern die Anstrengungen in der Lufthygiene.

Dieselautos haben einen zwiespältigen Ruf. Und dieser wird einmal mehr bestätigt: Die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf hat soeben beunruhigende Ergebnisse veröffentlicht. Abgasmessungen an einem Renault Mégane Grandtour 1.5 dCi Diesel, Modelljahr 2016, lieferten bei realen Fahrtests auf der Strasse Werte für Stickoxide, die in ihrer Höhe überraschen. «Sie sind teilweise sogar schlechter als bei einem 10 bis 15 Jahre alten Diesel», sagt Thomas Bütler von der Empa.
Und das ist kein Einzelfall: Zwei weitere Fahrzeuge der unteren Mittelklasse und gleichen Jahrgangs, ein Opel Astra 1.6 CDTL und ein Ford S-MAX 2.0, wiesen ebenfalls enorm hohe Stickoxidwerte auf – 600 bis 900 Milligramm pro Kilometer. Zum Vergleich: Ab Herbst 2019 gilt bei der Strassenmessung für neue Fahrzeugmodelle ein Grenzwert von 168 Milligramm. Damit bestätigt die Empa Messungen anderer Labors und Organisationen wie zum Beispiel der deutschen Umwelthilfe. Stickoxide sind ein Schadstoff, der die Atemwege angreifen kann; er spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung des Reizgases Ozon.
Infografik: Hohe Stickoxidwerte

Der Befund der Empa ist umso erstaunlicher, weil in der EU und in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten grosse Anstrengungen unternommen wurden, um die Stickoxidwerte in der Luft zu senken. In den 90er-Jahren sind die Werte deutlich gesunken, seit dem Jahr 2000 stagnieren sie jedoch. Zwar wird der Jahresgrenzwert von 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nur noch knapp übertroffen.
Dennoch kommen sich die Lufthygieniker durch die Autoindustrie betrogen vor. «Das Problem der Dieselfahrzeuge ist ja schon lange bekannt. Wären die strengeren Vorschriften für die Autohersteller bereits früher durchgesetzt worden, wären die Stickoxide heute weit unter dem Grenzwert», sagt Peter Maly, Geschäftsführer der Organisation Ostluft, welche die Luftqualität in der Ostschweiz und in Zürich überwacht. Das sei, so Maly, eine Voraussetzung, um die Ozongrundlast – und damit die Ozonspitzen – weiter zu reduzieren.
Schlupfloch in Vorschriften
Der Stundengrenzwert für Ozon wird im Sommer in der Stadt Zürich immer noch mehr als 50-mal deutlich übertroffen. Den Autoherstellern kann man laut Andreas Burgener von Auto-Schweiz keine Verletzung der Vorschriften vorwerfen, weil die getesteten Fahrzeuge nicht die schärferen Tests bestehen müssen. Trotzdem stellt sich die Frage, warum Automodelle der neusten Abgasnorm Euro 6 solch hohe Emissionswerte aufweisen. Autokäufer gingen bisher davon aus, mit jeder neuen Euronorm hätten sich auch die Abgaswerte verbessert.
Dem ist aber nicht so. Die Gründe: Die bisherige international standardisierte Typenprüfung ging von Normen aus, die nichts mit der Realität zu tun haben. Die Bestimmung zum Beispiel des Leergewichts oder der Fahrwiderstände beruht auf Messmethoden aus den 90er-Jahren. Zudem waren die simulierten Fahrzyklen unrealistisch. Inzwischen könnten neue Prüfstände zum Beispiel bei der Empa die realen Fahreigenschaften besser abbilden.
Bilder: Dieselgate – VW schummelt bei Abgasvorgaben
Hinzu kam, dass die Autoindustrie ein gesetzliches Schlupfloch fand. Der Prüfstandtest musste laut Vorschrift bei einer Umgebungstemperatur von 20 Grad absolviert werden. Also griffen Ingenieure zu einem Trick: Bei Daimler zum Beispiel schaltet die Abgasreinigung unter 10 Grad ab, bei Opel bereits unter 17 Grad. Bei den Wagen anderer Hersteller wie Audi oder Fiat geschieht die Abschaltung nach 22 Minuten – der Prüfstandtest dauert jedoch nur 20 Minuten. Das wurde bisher nach EU-Emissionsverordnung nicht als illegal eingestuft. Der Hersteller will mit diesem technischen Eingriff den Motor schonen.
«Grundsätzlich geht es wohl um Kosteneinsparungen», sagt Empa-Motoreningenieur Thomas Bütler. Günstige Standard-Abgasreinigungen können schneller verschleissen, wenn sie lang in Betrieb sind. Zudem erhöht sich der Treibstoffverbrauch und damit der CO2, sobald die Abgasrückführung aktiv ist. Der Kunde will heute jedoch ein sparsames Auto – und immer mehr auch ein klimafreundliches. Den «billigsten» Weg wählte dabei bekanntlich Volkswagen. Der Konzern manipulierte einfach die Software, um die Abgasnormen in den USA einzuhalten.
Video: VW erklärt den Dieselskandal für beendet
Mit diesen Tricks sollte es aber ab Oktober ein Ende haben – knapp sieben Jahre nachdem die EU beschlossen hat, realistischere Abgasmessverfahren zu entwickeln. «Es wird ein Ruck durch die Autoindustrie gehen», so Bütler. Denn: Das Typenprüfungsverfahren wird nun grundlegend angepasst, und dies bei unterschiedlichen Temperaturen. Aber vor allem muss die nächste Modellgeneration ab diesen Herbst zusätzlich einen sogenannten RDE-Test (Real-Driving-Emission) absolvieren, wie ihn die Empa-Forscher bei den drei Dieselautos durchführten. Dabei absolviert das Fahrzeug einen Parcours mit vorgeschriebenem Profil: innerstädtisch, über Land, Autobahn, nicht allzu viel Höhenmeter.
Die Ingenieure werden laut Bütler bei den neuen Modellen zumindest ab Mittelklasse nicht darum herumkommen, die sogenannte Ad-Blue-Technologie anzuwenden. Dabei wird eine wässrige Harnstofflösung ins Abgas der Dieselfahrzeuge eingespritzt, um Stickoxide auf chemischem Weg zu reduzieren. Diese Methode hat sich bei Lastwagen bereits bewährt, bei Autos werden sich die Fahrer aber erst daran gewöhnen müssen, regelmässig Ad Blue in den Zusatztank im Fahrzeug zu füllen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch