Neue Minister gegen den Unmut der Ägypter
Eine Kabinettsumbildung soll Ägypten aus der Wirtschaftskrise bringen.

Mit einer Kabinettsumbildung versucht Ägyptens Premierminister Sherif Ismail, die Wirtschaftsreformen im bevölkerungsreichsten arabischen Land voranzutreiben und auf die zunehmende Unzufriedenheit in breiten Bevölkerungsschichten zu reagieren. Neun Ministerien aus den Bereichen Wirtschaft und öffentliche Dienstleistungen erhalten neue Ressortleiter, zwei weitere werden durch Zusammenlegungen aufgelöst. Das Parlament billigte am Dienstag eine entsprechende Liste, die der Premier ihm tags zuvor hatte zukommen lassen. Die Abgeordneten konnten die Umbesetzung nur pauschal genehmigen oder ablehnen. Präsident Abdel Fattah al-Sisi kann die Minister nun ernennen.
Über eine Kabinettsumbildung war seit Oktober spekuliert worden, der Druck auf die Regierung ist zuletzt aber stark gestiegen. Viele Menschen bis weit in die Mittelschicht hinein leiden darunter, dass die Zentralbank im November den Kurs der Landeswährung freigegeben hat. Das ägyptische Pfund verlor gegenüber dem Dollar zeitweise mehr als die Hälfte seines Wertes. Die Inflation stieg im Januar auf mehr als 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, die Preise für Lebensmittel und Getränke um mehr als 37 Prozent. Nach Angaben ägyptischer Medien sind das die höchsten Werte seit mehr als drei Jahrzehnten.
Vor dem Kollaps
Finanzminister Amr al-Garhy sagte, er gehe davon aus, dass die Inflation ihren Spitzenwert im ersten Quartal erreichen werde und dann wieder zurückgehe. Unabhängige Experten rechnen mit einem Rückgang erst in der zweiten Jahreshälfte. Die Zentralbank hatte den zuvor von ihr festgesetzten Kurs freigegeben, um die akute Dollarkrise zu lösen. Die Devisenreserven Ägyptens waren zeitweise unter 16 Milliarden Dollar gefallen. Unternehmen konnten bei den Banken keine Devisen mehr bekommen, um Importe zu finanzieren. Die Wirtschaft stand vor dem Kollaps.
Die Notenbank gab daraufhin den Kurs frei und erfüllte so auch eine Bedingung des Internationalen Währungsfonds (IWF) für einen Kredit von 12 Milliarden Dollar über drei Jahre, auch wenn der IWF nur eine «Flexibilisierung des Wechselkursregimes» gefordert hatte und nicht die vollständige Freigabe. Seither haben sich zwar die Reserven der Zentralbank auf mehr als 26 Milliarden Dollar erholt, viele Menschen können ihren Lebensstandard aber nicht mehr halten. Zugleich sind durch die Abwertung des Pfunds die Kosten für die Energie- und Nahrungsmittelsubventionen nochmals stark gestiegen.
Die Ministerin für internationale Zusammenarbeit, Sahar Nasr, übernimmt nun auch das bisherige Ressort Investitionen. Ali al-Sayed Mosselhi, der unter dem 2011 gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak Sozialminister war, führt das neue Ministerium für Versorgung und Handel. Ausgewechselt wurden zudem die Minister für Landwirtschaft, Transport, lokale Entwicklung, Planung und Verwaltungsreform, dazu die Chefs der Ressorts höhere Bildung und Wissenschaft, Erziehung und der Minister für Parlamentsbeziehungen.
Ein einheitliches Wirtschafts- und Handelsministerium gibt es in Ägypten mit seinen 32 Ministerposten jedoch weiterhin nicht. Die Zusammenlegungen signalisieren aber eine Konsolidierung der bislang zersplitterten Zuständigkeiten. Ein angekündigtes Investitionsgesetz, das als Voraussetzung für stärkeres wirtschaftliches Engagement ausländischer Unternehmen gilt, lässt auf sich warten. Dem Versorgungsministerium waren Engpässe bei Zucker und Reis angelastet worden. Westliche Diplomaten und unabhängige Experten aber halten gleichermassen Strukturreformen für unverzichtbar für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und sehen die Konzentration der Regierung auf Megaprojekte kritisch.
Überlebenswichtige Importe
Das marode Bildungswesen ist eines der grössten Probleme in Ägypten, das mit einem Bevölkerungswachstum von bald 2,5 Millionen Menschen pro Jahr fertigwerden muss. Das Landwirtschaftsministerium hatte bei der Regulierung der für Ägypten überlebenswichtigen Weizenimporte einen Schlingerkurs gefahren und mehrmals neue Grenzwerte für den Mutterkornpilz erlassen, um sie kurz später wieder aufzuheben. Daraufhin hatten internationale Anbieter zeitweise nicht auf Ausschreibungen für Weizenlieferungen geboten. Ägypten ist der grösste Importeur des Getreides, die Versorgung vor allem der armen Bevölkerungsschichten mit Brot hängt davon ab. Auch gab es einen Korruptionsskandal bei Subventionen für in Ägypten angebautes Getreide. Die Regierung war erst im März umgebildet worden; damals erhielten zehn Ministerien vor allem aus dem Bereich Wirtschaft neue Chefs.
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