Neue Perspektiven in der Roten Fabrik
Für die Vergabe der Ateliers herrscht ein neues Regime. Inzwischen sind fast alle neuen Mieter eingezogen.
Es ist noch immer die Rote Fabrik, und es sind noch immer die gewohnten Backsteinwände. Aber an diesem Samstag, just zum Tag der offenen Tür, scheinen die 125-jährige Fassade noch röter, der See noch blauer, die Installationen und Dekorationen noch bunter zu sein. Fast so, als hätte die Sonne der Patina den Garaus gemacht.
Auch im Innern der Fabrik – genauer im Trakt B, wo sich auch die Aktionshalle für Konzerte und die Kunst- und Ausstellungsräume der Shedhalle befinden – gab es in den vergangenen Wochen und Monaten eine Art künstlerischen Frühlingsputz: 20 Mieterinnen und Mieter der dortigen Ateliers haben die Gänge neu gestaltet. Am Freitag fand die Vernissage des Projekts «The Gang» statt. Seither ist von der trüben Atmosphäre in den schmucklosen Korridoren nichts mehr übrig geblieben.
Anfang April haben die Teilnehmer damit begonnen, die rund 150 Laufmeter zwischen den verschiedenen Ateliers zu bespielen. Jedem wurde ein Bereich von ungefähr vier Metern zugeteilt, um die eigene Kunst buchstäblich in die Gänge zu bringen. Entstanden ist so eine Art Collage, die ebenso vielschichtig wie überraschend ist – wie die Ideen, an denen die Kunstschaffenden hinter ihren Ateliertüren tüfteln. Bis zum Umbau des 2012 durch einen Brand in Mitleidenschaft gezogenen Trakts sollen die Kunstinstallationen erhalten bleiben. Wann das sein wird, ist unklar: Einen Termin gibt es noch nicht.
Kunst als Vernetzung
«The Gang» ist weit mehr als eine reine Aufwertung der Infrastruktur: Das Projekt trägt auch zur Vernetzung der neuen Mieterschaft in der Roten Fabrik bei. Ihre Zusammensetzung hat sich nämlich in den vergangenen Wochen und Monaten komplett verändert. Nachdem manche Ateliers in der Vergangenheit über ein Vierteljahrhundert von derselben Person genutzt wurden, hat die Stadt 2013 die Mietdauer auf fünf Jahre beschränkt. Mit der Einführung des veränderten Regimes haben auch neue Kunstformen in den Ateliers Einzug gehalten. Waren es bisher hauptsächlich bildende Künstler, die dort arbeiteten, sind es nun auch Theaterschaffende, Literaten und Filmemacher.
Eine der neuen Ateliermieterinnen ist die Künstlerin Muriel Baumgartner, die das Projekt «The Gang» mitorganisiert hat. Sie empfinde es als grosses Privileg, in der Roten Fabrik arbeiten zu dürfen, sagt sie beim Rundgang durch die Korridore. «Bisher konnte ich Räume nur für kurze Zeit zwischennutzen. Ich war noch nie fünf Jahre lang an ein und demselben Ort.»
Privilegierter Arbeitsort
Auch die Regisseurin Liliane Ott und ihre Freundin, die Kostümbildnerin Alicia Nogueira, können es noch kaum fassen, dass sie den Zuschlag für eines der Ateliers erhalten haben. Vor einem Monat sind die beiden eingezogen. «Es ist wie ein Traum», sagt Nogueira. «Am liebsten würden wir gar nicht mehr weg von hier. Aber die zeitliche Beschränkung ist richtig. Ohne sie hätten wir diese Chance auch nie erhalten.»
Weniger glücklich über die Veränderungen ist Suleika de Vries. 19 Jahre lang hat die 36-jährige Künstlerin eines der Ateliers genutzt. Nun muss sie die Rote Fabrik verlassen. Inzwischen habe sie einen neuen Arbeitsort gefunden, aber die Suche danach sei alles andere als leicht gewesen. Sie findet die neue Beschränkung der Mietzeit auf fünf Jahre zu kurz. «Diese Zeit reicht nicht aus, um künstlerisch etwas aufzubauen. Acht bis zehn Jahre wären besser.»
Beim Blick in die lichtdurchfluteten Ateliers, deren Fenster teilweise den Blick auf den See und die Berge freigeben, ist es nur verständlich, dass die Mieter nie mehr wegwollen – und nur fair, dass sie es nach fünf Jahren müssen.
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