Neues Ringen um weniger Fluglärm in den Alpen
Der Bund überprüft womöglich die Gebirgslandeplätze neu. Die Flugbranche hält das für unnötig. Die Heliskiing-Gegner dagegen schöpfen Hoffnung.

«Jetzt geht das Theater wieder von vorne los!» So tönt es dieser Tage in Zermatt, wenn man mit Vertretern der Tourismus- und Flugbranche spricht. Auslöser ist ein Gerichtsurteil, das einen alten Streit neu entflammt – einen Streit, der einen sensiblen Lebensraum berührt: das Hochgebirge. Das Bundesverwaltungsgericht macht in einem neuen Urteil rückgängig, was der Bundesrat 2014 beschlossen hat. Damals legte die Regierung die Gebirgslandeplätze erstmals im Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) fest und senkte dabei die Zahl von 42 auf 40 – ein Zugeständnis an die Umweltverbände, die eine ersatzlose Streichung aller Gebirgslandeplätze und damit ein Heliskiing-Verbot gefordert hatten.
Als Folge dieser Reduktion musste der Bundesrat zwei Standorte aufheben; er entschied sich für Gumm (2060 m) und Rosenegg-West (3470 m) im Berner Oberland; beide liegen in Gebieten, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt sind. Die Gemeinden Grindelwald, Innertkirchen und Saanen indes taxierten diese Aufhebung als willkürlich und legten Beschwerde ein. Mit Erfolg, wie sich nun zeigt.
Die Richter geben den Gemeinden allerdings nicht direkt recht. Vielmehr bemängeln sie im Grundsatz den Kriterienkatalog, mit dem der Bundesrat über die Gebirgslandeplätze entscheidet. Darin würden unter anderem Aussagen darüber fehlen, wie weit die Gebirgsfliegerei nationale Schutzgebiete tangiere. Der Bundesrat hätte also im vorliegenden Fall ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) einholen müssen. Nur so lasse sich eine «umfassende Interessenabwägung» erreichen, so die Richter.
Das Urteil zieht womöglich weitere Kreise. Die Richter halten nämlich fest, dass der Bundesrat vor der Festlegung der Gebirgslandeplätze im SIL für alle Standorte, die in einem nationalen Schutzgebiet oder unmittelbar daran angrenzend liegen, ein ENHK-Gutachten hätte bestellen müssen. Nebst Gumm und Rosenegg-West also zu weiteren 20 Landeplätzen. Für die Richter ist es «fraglich», ob einzig die Aufhebung von zwei Landeplätzen die «zweckmässigste Anordnung zum bestmöglichen Erreichen der Schutzziele ist». Es werde zu prüfen sein, ob weitere Landeplatzschliessungen «unabdingbar» seien.
Flugbranche zieht rote Linie
Ob der Bundesrat dies tun wird, ist unklar. Das Departement von Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) prüft einen Weiterzug ans Bundesgericht, wie ein Sprecher sagt. Auf der juristischen Ebene ist das letzte Wort also womöglich nicht gesprochen – ebenso wenig auf der politischen. Für Grünen-Präsidentin Regula Rytz ist klar: «Der Bundesrat muss die Gebirgslandeplätze neu überprüfen und dabei die sensiblen Naturräume besser schützen.» Dafür müsse er zwingend die ENHK beiziehen. Rytz wird in der Frühlingssession den Bundesrat zum weiteren Vorgehen befragen.
Matthias Jauslin sieht das anders. Für den FDP-Nationalrat drängt sich eine Überprüfung nicht auf, wie er sagt. Jauslin, der den Aero-Club der Schweiz präsidiert, stellt zudem klar: «Weniger als 40 Gebirgslandeplätze sind für uns ein No-go.» Die Landeplätze seien für die Berggebiete wirtschaftlich und touristisch bedeutend – was die Heliskiing-Gegner freilich bestreiten. Ebenso bieten sie laut Jauslin die Möglichkeit, Rettungspiloten und Bergrettungsspezialisten auszubilden. Senkt der Bundesrat die Zahl unter 40, wird Jauslin im Parlament mit Vorstössen aktiv.
Zurückhaltend gibt sich die ENHK. Es sei nicht an ihrer Kommission, aus dem Gerichtsverdikt Forderungen an die Adresse des Bundesrats abzuleiten, sagt Präsidentin Heidi Z'graggen. Inhaltlich begrüsst die Urner CVP-Regierungsrätin das Urteil: «Das ist ein äusserst positiver Entscheid für den Landschaftsschutz.»
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