Nicht besser, aber länger röntgen
In unklimatisierten Spitälern gehen Röntgengeräte schnell kaputt. Ein Schweizer Start-up ändert das.
Was haben ein Verkehrsunfall, eine Lungenentzündung und ein Beinbruch gemeinsam? Damit die Betroffenen richtig untersucht und behandelt werden können, braucht es Röntgenaufnahmen. Das ist selbstverständlich in einem Land wie der Schweiz, aber nicht in Afrika oder Asien. «Die Mehrheit der Weltbevölkerung hat noch immer keinen Zugang zu dieser Technik, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sie vor mehr als 100 Jahren erfunden wurde», sagt Bertrand Klaiber, der Gründer von Pristem.

Um diesem Übel abzuhelfen, will der Unternehmer aus Lausanne ein widerstandsfähiges, erschwingliches Röntgengerät in die Schwellenländer bringen. Doch was unterscheidet seinen Röntgenapparat von den Modellen, die in afrikanischen und asiatischen Spitälern bereits gebraucht werden? Er wurde so konzipiert und entwickelt, dass er den unterschiedlichen Bedingungen und Einschränkungen in diesen Spitälern Rechnung trägt. Und das ändert alles.
Das Problem: Hitze, Staub, Feuchtigkeit
«In den meisten Schwellenländern kämpfen die Spitäler mit chronischer Unterfinanzierung, häufigen Stromausfällen, Überschwemmungen, Staub, Wind und Hitze – sie haben wenig mit unseren keimfreien, klimatisierten Spitälern zu tun», sagt Klaiber. «In solchen Umgebungen überleben herkömmliche medizinische Geräte, die in und für die Industriestaaten entwickelt werden, nicht lange. Und weil meist auch die Ersatzteile oder geschultes Wartungspersonal fehlen, sind die Geräte schnell unbrauchbar.»
Um ein Röntgengerät zu entwickeln, das den Bedingungen in den Schwellenländern Rechnung trägt, begann Pristem ganz von vorne. «Wir befragten die zukünftigen Anwender in Afrika über ihre speziellen Verhältnisse und Bedürfnisse», sagt Klaus Schönenberger, Mitgründer und Verwaltungsratspräsident von Pristem. Ein Team von 35 Forschern und Ingenieuren aus der Fachhochschule Westschweiz (HES-SO), dem Paul-Scherrer-Institut und dem Universitätsspital Lausanne entwickelte unter der Leitung des Essential-Tech-Programms des Zentrums für Zusammenarbeit und Entwicklung am Eidgenössischen Polytechnikum in Lausanne (EPFL) einen Prototyp.
Mechanik statt Elektronik
Das Resultat dieser Zusammenarbeit ist der Globaldiagnostix-Röntgenapparat, der Temperaturen bis zu 45 Grad Celsius, eine Luftfeuchtigkeit von bis zu 98 Prozent und hohe Staubbelastungen aushält. Der Elektromotor, der in den herkömmlichen Röntgenapparaten den Schwenkarm steuert, wurde mit einer mechanischen Vorrichtung ersetzt, und zur weiteren Kostensenkung werden die Aufnahmen nicht auf Film, sondern digital aufgezeichnet. Ein speziell entwickelter Generator kann bei Stromausfall den Betrieb des Geräts während einiger Stunden gewährleisten.
«Die Hersteller medizinischer Geräte sind immer auf Innovation fokussiert, aber in Afrika sind die Prioritäten anders; hier geht es darum, die elementaren Bedürfnisse abzudecken», sagt Bertrand Klaiber. «Ein Patient am Yaoundé-Spital in Kamerun braucht nicht die neueste Technologie. Wichtig ist, dass die Geräte überhaupt funktionieren. Wir bieten genau das.»
«Ich leiste Arbeit, die Sinn ergibt»
Die Wartung medizinischer Geräte kostet jährlich etwa 10 Prozent des Kaufpreises, was auf Dauer sehr kostspielig wird. Schönenberger: «Oft kaufen oder erhalten Regierungen medizinische Geräte, die in Europa oder in den USA hergestellt wurden, ohne dass sie daran denken, ein Budget für die Wartung bereitzustellen oder Personal dafür einzustellen.» Pristem biete eine sechsjährige Garantie, und wo Internetzugang besteht, könne das Personal vor Ort via Computer in der Ausführung vorbeugender Wartung unterstützt werden. «Das Internet ermöglicht auch radiologische Leistungen mit unserem Gerät aus Distanz, was für Gebiete mit akutem Mangel an medizinischen Fachkräften entscheidend sein kann.»
Klaibers und Schönenbergers Projekt wächst. 400 Arbeitsplätze wollen sie in Afrika und 25 in der Schweiz schaffen. «Ich habe meinen Job im Marketing aufgegeben, weil ich wieder etwas Sinnvolles machen wollte», sagt Klaiber. «Jetzt kann ich feststellen, dass ich Arbeit leiste, die Sinn ergibt.» Pristem habe enge Kontakte zu einem Spital in Kamerun, «damit wir nie vergessen, wo die wirklichen Bedürfnisse liegen». Das Start-up braucht 10 Millionen Franken, um das Produkt auf den Markt zu bringen – die Hälfte davon hat sich Pristem bereits gesichert.

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