
Von Susanne Anderegg Seit 2010 steht Claudia Nielsen dem Gesundheitsdepartement der Stadt Zürich vor, zu dem die zwei Spitäler Triemli und Waid gehören. Seit 2012 gilt in der Schweiz ein neues System der Spitalfinanzierung; seither werden die Spitäler nicht mehr über Globalbudgets finanziert, sondern über Fallpauschalen. Mit der Behandlung von Patienten sollten sie so viel verdienen, dass sie ihren Aufwand inklusive Investitionen und Abschreibungen decken können.
Den beiden Stadtspitälern gelingt dies nicht, weshalb ihre Besitzerin, die Stadt Zürich, dieses Jahr fast 40 Millionen Franken zuschiessen muss, drei Viertel davon fürs Triemli. Hauptgrund sind die hohen Abschreibungen für das neue Bettenhaus, das weit über 400 Millionen Franken gekostet hat. Denn die Stadt baute nicht nur ein wunderschönes Haus für die Patientinnen und Patienten, sondern auch eines mit einer topmodernen Energieanlage, die den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft entspricht. Auch die muss amortisiert werden.
Prinzip Hoffnung
Claudia Nielsen war diese Ausgangslage bekannt, als sie ihr Amt antrat – auch wenn der Neubau vor ihrer Zeit geplant worden war. Doch statt sich Gedanken über eine allfällige Neuausrichtung der Spitäler zu machen, setzte sie aufs Prinzip Hoffnung. Noch vor zwei Jahren, kurz vor Eröffnung des neuen Bettenhauses, beurteilte sie das finanzielle Risiko als «gering und vorhersehbar», wie sie im September 2015 in der Antwort auf eine FDP-Anfrage schrieb. «Der Stadtrat rechnet auch in den kommenden Jahren mit einem Kostendeckungsgrad von nahezu 100 Prozent.» Es gebe Anzeichen, dass die Tarife steigen würden. Und vor allem sollten steigende Fallzahlen dafür sorgen, dass die Rechnung aufgeht.
Doch sie ist nicht aufgegangen und wird dies voraussichtlich auch in den nächsten Jahren nicht tun. Trotzdem hält die Gesundheitsvorsteherin an ihrem Rezept fest: Mehr Patientinnen und Patienten sollen es richten.
Nielsen hat keine Eile, etwas zu ändern, und schon gar nichts Grundlegendes. Für ihre «Spitälerstrategie», die kaum mehr ist als eine Auslegeordnung, brauchte sie Jahre. Im Frühling präsentierte sie neun Eckwerte. Sechs davon sind Selbstverständlichkeiten: Die Stadt bleibt Eigentümerin. Die beiden Spitäler stellen ein verlässliches Angebot für alle Bevölkerungsgruppen sicher und betreiben keine Risikoselektion. Als Teil einer Versorgungskette sind sie mit anderen stationären und ambulanten Angeboten vernetzt. Sie erbringen gemeinwirtschaftliche Leistungen. Sie erfüllen zusätzliche städtische Qualitätsvorgaben wie jene zur 2000-Watt-Gesellschaft. Sie streben Kooperationen mit anderen Spitälern an. All dies ist gut, aber nicht neu, die Stadtspitäler handelten bisher schon danach.
Wünsche formuliert
Zwei weitere Eckwerte sind Wünsche: Die Spitäler sollen langfristig kostendeckend arbeiten und Investitionen aus eigener Kraft tragen. Sie sollen eine Rechtsform erhalten, die es ermöglicht, mit der Veränderungsdynamik im Gesundheitswesen Schritt zu halten. Wie das genau gemacht werden soll, wird nicht gesagt. Nur ein Eckwert nennt eine konkrete Änderung: Waid und Triemli werden zu einem Spital an zwei Standorten unter einer Leitung und einer Rechnung zusammengeführt – was eine CVP-Motion bereits 2009 erfolglos gefordert hatte, ist heute unbestritten. Durch die Bündelung der Kräfte sollen beide Spitäler gestärkt werden. Die Fusion soll die Koordination und Weiterentwicklung des Angebotes gewährleisten. Dass jemand auf etwas verzichtet, davon ist keine Rede.
Im Stadtrat kam Nielsen mit ihrer Spitälerstrategie, die eigentlich gar keine ist, noch durch. Doch der Gemeinderat ist höchst unzufrieden damit. In seltener Einmütigkeit hat die vorberatende Spezialkommission gestern Rückweisung beschlossen. Dass selbst die SP so kurz vor den Wahlen gegen die eigene Stadträtin stimmte, ist bemerkenswert. Der Gesamtgemeinderat wird am 6. Dezember entscheiden. Von rechts bis links fanden die Kommissionsmitglieder die Vorlage ungenügend. Sie verlangen von Nielsen konkrete Vorschläge zu den verschiedenen Problemfeldern: Positionierung des neuen Stadtspitals, Kapitalausstattung, Organisationsform. Und sie machen Druck: Innert zwölf Monaten soll der Stadtrat dem Gemeinderat die neuen Weisungen vorlegen.
Personalverschleiss
Nielsen hat schon viel zu viel Zeit verstreichen lassen. Sie habe zuerst Erfahrungen mit der neuen Spitalfinanzierung sammeln wollen, rechtfertigt sie ihre lange Untätigkeit. Das überzeugt nicht. Andere Spitäler hatten längst eine Strategie für das neue Zeitalter erarbeitet und sich darauf vorbereitet, bevor die Umstellung erfolgte. Sie haben sich organisatorisch neu aufgestellt, haben Ambulatorien eröffnet, sind Partnerschaften mit Rehakliniken eingegangen.
Tatsächlich dürfte der Grund für Nielsens Rückstand in ihrem Personalverschleiss liegen: Häufige Personalwechsel in ihrem Kader wegen des rüden Führungsstils der Chefin führten zu Verzögerungen.
Nun eilt es. Schon bald wird der Kanton seine Spitalplanung aktualisieren und die Leistungsaufträge teilweise neu vergeben. Da ist es wichtig, dass die Stadtspitäler wissen, was sie in Zukunft machen sollen. Eine Idee, die in Fachkreisen schon öfter zu hören war, ist eine viel stärkere Fokussierung der beiden Häuser: Das Waidspital, dessen Klinik für Akutgeriatrie landesweit einen hervorragenden Ruf hat, soll voll auf die Altersmedizin setzen und nur noch jene Abteilungen behalten, die dafür notwendig sind. Das Triemli würde weiterhin die ganze Breite der Grundversorgung anbieten und zusätzlich ausgewählte Gebiete der spezialisierten Medizin, in Koordination mit dem Unispital.
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Nielsens Rechnung geht nicht auf
Das Parlament verlangt endlich eine konkrete Strategie für die Spitäler Waid und Triemli. Was Gesundheitsvorsteherin Claudia Nielsen (SP) vorgelegt hat, ist ungenügend.