Nietos schwierigste Mission
Der bisherige mexikanische Präsident versuchte den Drogenkrieg mit Krieg zu bekämpfen und scheiterte grandios. Sein Nachfolger Enrique Peña Nieto setzt auf eine andere Strategie.

Der künftige mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto übernimmt ein Land, in dem der Staat das Gewaltmonopol in weiten Teilen verloren hat. Im Norden sowie an der Pazifik- und Atlantikküste führen Drogenkartelle untereinander einen blutigen Verteilungskampf, gemeinsam geht es gegen Militär und Polizei. Unter den Opfern sind auch zahlreiche Zivilpersonen, der Drogenkrieg kostete während der Amtszeit des amtierenden Präsidenten Felipe Calderón schätzungsweise 50'000 Menschen das Leben.
Laut Umfragen ist die Sicherheitslage im Land neben der Wirtschaftssituation und dem Arbeitsmarkt die grösste Sorge der mexikanischen Wähler. Während sein Vorgänger Calderón den Konflikt zunehmend militarisierte und die Festnahme führender Drogenhändler forcierte, will Peña Nieto vor allem die Sicherheitslage verbessern.
Jeder Schlag kommt zurück
Mehrere Untersuchungen stützen den Ansatz des künftigen Staatschefs. So gehen Experten davon aus, dass jeder Schlag gegen die Kartelle eine neue Welle der Gewalt auslöst. Die Festnahme oder Tötung eines wichtigen Drogenbosses bringt regelmässig die fein austarierten Machtverhältnisse aus dem Gleichgewicht. Nach einem solchen Schlag versuchen konkurrierende Kartelle, ihr Einflussgebiet auszuweiten oder das Geschäft des Wettbewerbers sogar ganz zu übernehmen, was meist zu blutigen Auseinandersetzungen führt.
Peña Nieto will eine paramilitärische Gendarmerie unter ziviler Kontrolle gründen. So soll die alltägliche Gewalt bekämpft und gleichzeitig die Rolle des Militärs bei der Verbrechensbekämpfung schrittweise reduziert werden. Peña Nietos neuer Fokus auf die Lebensbedingungen der Mexikaner dürfte bei den Wählern gut angekommen sein. Viele Mexikaner fühlten sich in ihrer Sorge um die eigene Sicherheit zuletzt nicht mehr erst genommen, schreibt Eric Olson vom Mexican Institute in Washington in seiner jüngsten Analyse.
Peña Nieto will starken Staat, aber auch private Investitionen
Auch im Bereich der Wirtschaft warten enorme Herausforderungen auf Peña Nieto. Die viertgrösste Volkswirtschaft Amerikas war 2008 und 2009 in eine schwere Rezession gerutscht und während der sechsjährigen Amtszeit Calderóns insgesamt lediglich um 1,8 Prozent pro Jahr gewachsen. Peña Nieto will die Wettbewerbsfähigkeit der mexikanischen Wirtschaft steigern. Gemäss der Parteidoktrin strebt er einen starken Staat an, der «die Märkte reguliert, Energiereformen vorantreibt und über Geschäfts- und Entwicklungsbanken ein breiteres Portfolio an Finanzdienstleistungen ermöglicht». Gerade der Binnenmarkt müsse gestärkt werden, um die Wirtschaft anzukurbeln, betont Peña Nieto.
Um Gelder für bessere Sozialleistungen freizuschaufeln, plant Peña Nieto Massnahmen gegen die Korruption, die Kürzung von Gehältern hoher Beamter und die Streichung von Steuererleichterungen für Besserverdienende. Als Anhänger eines strengen staatlichen Dirigismus will sich der 45-Jährige allerdings nicht verstanden wissen. So plädiert er für eine Öffnung von Staatsbetrieben wie dem Ölkonzern Pemex für private Investoren, ohne jedoch das Unternehmen vollständig zu privatisieren. Dieses sogenannte brasilianische Modell soll die Staatsfirmen wettbewerbsfähiger machen und auf dem Weltmarkt besser positionieren. Von den geplanten Massnahmen erhofft sich Peña Nieto zusätzliche Investitionen von 800 Millionen Pesos (47 Millionen Euro) sowie die Schaffung von 200'000 neuen Arbeitsplätzen.
Keine echte Richtungswahl
Eine echte Richtungswahl war die Abstimmung am Sonntag nicht. Die Gouverneurswahlen in den Staaten Chiapas, Guanajuato, Jalisco, Morelos, Tabasco und Yucatán liessen keinen klaren Trend erkennen, im Kongress erlangte offenbar keine Partei die absolute Mehrheit.
Die ideologischen Unterschiede in der mexikanischen Parteienlandschaft sind ohnehin vergleichsweise gering. Während die in den vergangenen zwölf Jahren regierende Partei der Nationalen Aktion (PAN) als eher konservativ und wirtschaftsnah gilt, vereinigt die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) ein breites Bündnis linker Strömungen. Die Partei der Institutionellen Revolution (PRI) von Wahlsieger Peña Nieto hingegen gilt vor allem als Heimat gewiefter Machtpolitiker und hat ihre ideologische Ausrichtung bereits mehrfach geändert. Auch der künftige Präsident gilt als kühler Pragmatiker.
Auf den einzelnen Politikfeldern liegen die Parteien oft recht nahe beieinander, Kontroversen gibt es meist lediglich um die konkrete Vorgehensweise. Bei der Wahl am Sonntag entschieden sich die Mexikaner nun für einen jungen, frischen Vertreter der alten Staatspartei PRI, die das Land vor dem letzten zwölfjährigen Intermezzo in der Opposition über 70 Jahre lang regierte.
In seiner Siegesrede am Sonntag versuchte der Peña Nieto dann auch mehr zu einen, als zu polarisieren. Er lade alle politischen Kräfte des Landes zum Dialog ein und wolle sich für volle Demokratie und eine offene Gesellschaft einsetzen. Und er gab ein Versprechen, an dem er sich angesichts der drängenden Probleme des Landes vielleicht schon bald messen lassen muss: «Ich bin offen für Kritik.»
dapd/mrs
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