Nochmals runter mit der Verzinsung
Es wäre ein historischer Tiefststand: Die BVG-Kommission empfiehlt, den Mindestzinssatz auf 0,75 Prozent zu senken.

So mancher Erwerbstätige wird leer schlucken, wenn er übernächstes Jahr seinen Pensionskassenausweis studiert: Das Guthaben, das er bis zu seiner Pensionierung angespart haben wird, wird innert eines Jahres nicht gewachsen, sondern gesunken sein – weil es tiefer verzinst wurde. Das jedenfalls empfiehlt die Eidgenössische Kommission für berufliche Vorsorge, die BVG-Kommission, dem Bundesrat. Er soll den Mindestzinssatz auf 2019 von heute 1 Prozent auf 0,75 Prozent senken, wie sie gestern mitteilte.
Folgt der Bundesrat dieser Empfehlung, wird der Satz so tief sinken wie noch nie seit Einführung der BVG-Obligatoriums. Damals, im Jahr 1985, ging man davon aus, dass alle Pensionskassen die Guthaben ihrer Versicherten mit mindestens 4 Prozent würde verzinsen können.
«Diese Senkung ist uns nicht leichtgefallen», sagt Christine Egerszegi, Präsidentin der BVG-Kommission und frühere FDP-Ständerätin. Aber man müsse den Satz den Realitäten anpassen. Und die zeigen: Der durchschnittliche Zinssatz fällt auf absehbare Zeit. Die Kommission orientiert sich bei ihrer Empfehlung vor allem am Zinssatz der 10-jährigen Bundesobligationen und berücksichtigt daneben die Renditen von Aktien, Anleihen und Liegenschaften. Hätte sie sich wie bis anhin an den 7-jährigen Bundesobligationen orientiert, hätte sie den Mindestzinssatz noch stärker, auf 0,38 Prozent, senken müssen.
Arbeitgeber wollten tieferen Satz
Um den Mindestzinssatz wurde in der Kommission hart gerungen. Manche Mitglieder wollten ihn auf 0,25 Prozent senken (der Schweizerische Versicherungsverband), andere auf 1,25 Prozent erhöhen (Gewerkschaften). Nach Meinung von Adrian Wüthrich, Präsident von Travailsuisse und SP-Nationalrat, berücksichtigt die Kommission die in der Regel höheren Erträge aus Aktien, Anleihen und Immobilien zu wenig, weshalb eine Erhöhung zu verantworten gewesen wäre. Die Arbeitgeber hingegen hätten den Satz auf 0,5 Prozent gesenkt.
«Mit diesem überhöhten Mindestzinssatz werden manche Pensionskassen dazu animiert, zu grosse Risiken einzugehen», kritisiert ihr Direktor Roland A. Müller. Beide, Gewerkschaften wie der Arbeitgeberverband, sind mit dem heutigen System unzufrieden. Wüthrich möchte, dass der Mindestzinssatz nicht mehr im Voraus, sondern nach Jahresende festgelegt wird – dann, wenn die Rendite bekannt ist. Diesen Vorschlag wollen die Gewerkschaften in die BVG-Revision einbringen. Die Arbeitgeber hingegen wollen den Mindestzinssatz gleich ganz abschaffen; die obersten Organe der Pensionskassen könnten am besten entscheiden, wie hoch sie die Guthaben verzinsen können.
Es liegt auch mehr drin
Auch Christine Egerszegi findet, dass der Mindestzinssatz mit 0,75 Prozent sehr tief ist. Aber: Damit ihn eine Pensionskasse ausrichten kann, muss sie eine Rendite von 2,38 Prozent erzielen, denn sie muss auch Verwaltungskosten bezahlen und Reserven äufnen. Die Kommission hat sich laut Egerszegi an den schwächsten Kassen orientiert. Könnten sie die Guthaben nicht genügend verzinsen, führe dies zu einer Umverteilung von Erwerbstätigen zu Pensionierten. Kassen aber, die es sich leisten könnten, könnten die Guthaben auch viel höher verzinsen.
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