Film-Highlights der Woche«Nostalgia» erzählt von Heimatgefühlen und der Mafia
Im Drama «Creed III» wird geboxt, und die Doku «The Mies van der Rohes» schildert, wie der bekannte Bauhaus-Architekt mit seiner Familie umging.

Nostalgia
Drama von Mario Martone, I/F 2022, 118 Min.
«Überkommt dich die Nostalgie?» «Vielleicht.» 40 Jahre lang hat Felice (Pierfrancesco Favino) keinen Fuss nach Neapel gesetzt, obwohl er dort aufgewachsen ist. Er hat sich längst ein Leben in Kairo aufgebaut, ist zum Islam konvertiert, hat eine Ägypterin geheiratet. Spricht er Italienisch, ringt er immer wieder um Wörter – die Sprache seiner Kindheit und Jugend ist ihm fremd geworden. Die einzige Verbindung zur alten Heimat: seine Mutter, die noch immer dort lebt. Als er sie besucht, stürzen die Erinnerungen auf ihn ein. Darum fragt Felices Ehefrau ihn nach der Nostalgie.
Regisseur Mario Martone, selbst ein Neapolitaner, hat den gleichnamigen Roman von Ermanno Rea verfilmt. «Nostalgia» setzt der Stadt ein Denkmal, vor allem dem Viertel Sanità. Wir sehen enge Gassen, alte Kirchen, viel Patina. Die Stadt hat ihren Charme. Aber eben auch ihre düsteren Seiten, denn immerhin ist Neapel die Stadt der Camorra.
Felice versucht, Kontakt mit Oreste (Tommaso Ragno) aufzunehmen. In ihrer Jugend waren die beiden beste Freunde. Im Gegensatz zu Felice ist der andere geblieben – und zum Mafiaboss aufgestiegen. Er ist berüchtigt für seine Brutalität. Und hat mit dem Rückkehrer eine Rechnung offen.
Es ist ausserordentlich spannend, wie der Film auf die Begegnung der beiden hinarbeitet. Regisseur Martone zieht die Schrauben betont langsam an und inszeniert die Camorra als eine schwer fassbare Bedrohung. Da wirken plötzlich auch die schönsten Gassen wie tödliche Fallen. (ggs)
Arthouse Piccadilly
Creed III
Boxdrama von Michael B. Jordan, USA 2023, 116 Min.
In diesem Spin-off der «Rocky»-Filmreihe ist der ehemalige, von Sylvester Stallone gespielte Titelheld erstmals nicht mit von der Partie. Stattdessen konzentriert sich der Film ganz auf Adonis Creed (Michael B. Jordan), der sich mit Rockys Unterstützung an die Spitze der Weltrangliste geboxt hat.
Anfangs geniesst Creed den Ruhestand, nur um kurz darauf wieder einzusteigen – ein Schema, mit dem «Rocky»-Fans bestens vertraut sind. Grund für den Wiedereinstieg ist Creeds Jugendfreund Damian Anderson (Jonathan Majors), der frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde und nun den Weltmeistertitel will. Bald stehen sich die beiden Freunde als Feinde im Kampf gegenüber.
«Creed III» hält seinen Vorläufern die Treue, an beeindruckenden Boxkämpfen wird nicht gespart. Der eigentliche Kampf findet aber abseits des Rings statt: Unter grossen Anstrengungen lernt Creed, endlich mit seinem Umfeld über seine Gefühle zu reden und Frieden zu schliessen mit der Vergangenheit. (ric)
Arena, Abaton, Metropol
The Mies van der Rohes
Dokumentarfilm von Sabine Gisiger, CH 2023, 90 Min.
Georgina van der Rohe (1914–2008) war eine bedeutende Tänzerin und Schauspielerin. Und sie war die Tochter des Bauhaus-Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969). Dieser Dokumentarfilm schildert die Familiengeschichte aus ihrer Sicht, greift auf ihre Autobiografie, Briefe und Co. zurück. Katharina Thalbach gibt ihr ihre markante Stimme und spielt sie als alte Frau in nachgestellten Interviews.
Am Ende haben wir gelernt: Ludwig war ein grosser Künstler, als Mensch aber eine Katastrophe. Frau und Kinder waren ihm ein Klotz am Bein, er liess sie etwa in Nazideutschland zurück, während er nach Amerika emigrierte. Und doch machte ihm Georgina nie Vorhaltungen, schliesslich war sie selbst Künstlerin. Eine bemerkenswerte Familiendynamik. (ggs)
Riffraff
Hummus und Popcorn
Auch an der vierten Ausgabe dieses Festivals gibts aktuelles Kino aus Palästina zu entdecken. «Jaffa: The Orange’s Clockwork» zum Beispiel ist ein Dokumentarfilm, der anhand der Jaffa-Orangen den Nahostkonflikt aufrollt. Eine aufschlussreiche Geschichtslektion: Da gehts um die namensgebende Stadt Jaffa und das Schicksal ihrer Bevölkerung, den Streit um die Obstplantagen in Palästina und darum, wie die Orangen von beiden Seiten als Symbol vereinnahmt wurden. (ggs)
Do 2. bis So 5.3., Arthouse Uto, palestine-arts.ch
«Jaffa: The Orange’s Clockwork»: Fr 3.3., 19 Uhr
The Consultant
Horrorserie von Tony Basgallop, USA 2023, 8 Folgen
Im Grunde erzählt «The Consultant» davon, wie wichtig Gewerkschaften sind. Die Story dreht sich um eine Firma für Handyspiele, die von einem Unternehmensberater (Christoph Waltz) übernommen wird.
Der Mann verbietet Homeoffice, wirft jemanden raus, weil er angeblich schlecht riecht, und ruft mitten in der Nacht an, um Leute ins Büro zu dirigieren. Wehren können sich die Angestellten höchstens damit, dass sie aus Protest kündigen. Craig (Nat Wolff) und Elaine (Brittany O’Grady) wollen herausfinden, was es mit diesem Berater auf sich hat, und stossen dabei auf düstere Geheimnisse.
Die Serie könnte eine Satire auf die Twitter-Übernahme durch Elon Musk sein, allerdings entstand die Vorlage des Horrorschriftstellers Bentley Little schon vor ein paar Jahren. Der Alltag der kapitalistischen Arbeitswelt wird hier zum Setting für einen Mystery-Thriller, der nicht zuletzt packend ist, weil Christoph Waltz den schwer fassbaren Bösewicht spielt. (ggs)
Why We Fight?
Dokumentarfilm von Mirjam Devriendt und Alain Platel, B/D 2021, 98 Min.
Cine Löwenbräukunst ist eine neue Filmreihe im Kunstkomplex. Den Anfang macht der Dokfilm «Why We Fight?», der festhält, wie eine belgische Tanzcompagnie ein Stück erarbeitet. Das Thema? Die Erfahrung des Ensembles mit Gewalt.
Den Probenaufnahmen stehen Archivaufnahmen und Handyvideos von Gewalt gegenüber, ausserdem gibts Interviews mit Philosophinnen, Historikern und Künstlerinnen – darunter die Bildhauerin Berlinde De Bruyckere, die gerade eine Ausstellung in der Galerie Hauser & Wirth im Löwenbräu-Areal hat.
Die Filmvorführung findet in Anwesenheit der Co-Regisseurin Mirjam Devriendt statt; es gibt eine Einleitung und eine anschliessende Fragerunde auf Englisch. (ggs)
Do 2.3., 18.30 Uhr, Schwarzescafé, Löwenbräukunst
Women Talking
Drama von Sarah Polley, USA 2022, 104 Min.
Zum Internationalen Frauentag zeigt das Lunchkino «Women Talking» nach der gleichnamigen Romanvorlage von Miriam Toews. Es geht um ein Verbrechen in einer mennonitischen Gemeinschaft: Mitglieder haben Frauen betäubt und vergewaltigt. Während die Männer geschlossen zum Prozess reisen, bleiben die Frauen – unter anderem gespielt von Rooney Mara und Frances McDormand – allein zurück. Gemeinsam beraten sie, wie sie auf die Enthüllungen reagieren wollen. (ggs)
Mi 8.3., 12.15 Uhr, Arthouse Le Paris
Alaska Daily
Krimiserie von Tom McCarthy, USA 2022, 6 Episoden
Eileen Fitzgerald (Hilary Swank), Reporterin bei einer Zeitung in New York, gehört zu den brillanten Widerlingen im Journalismus: Sie ist eindeutig besser als die anderen, was sie die Leute aber auch bei jeder Gelegenheit wissen lässt.
Als eine grosse Enthüllungsstory zum Fiasko wird, braucht sie einen anderen Job und akzeptiert die Einladung eines ehemaligen Mentors, für seine Lokalzeitung in Anchorage, Alaska, zu schreiben. Dort interessieren sich die Leute zwar nur für Restaurantschliessungen. Aber dann wird Eileen zusammen mit einer Kollegin auf eine Mordserie an indigenen Frauen angesetzt und deckt bald zahlreiche Missstände auf.
Serienschöpfer Tom McCarthy («Spotlight») kennt sich mit Zeitungsredaktionen aus, so wirken die Bildschirme mit den Klickzahlen ziemlich realistisch. Faszinierend ist «Alaska Daily» vor allem wegen der trostlosen Szenerie von Alaska, wo man wegen fehlender Strassen öfter auf das Wasserflugzeug ausweichen muss. (blu)
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