Nur Minder stimmt für Ecopop-Initiative
«Schädlich, fremdenfeindlich, kolonialistisch»: Wenige Wochen nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative der SVP hat sich der Ständerat erneut mit der Beschränkung der Zuwanderung befasst.

In der Ecopop-Inititative, die weiter geht als das SVP-Begehren, sieht der Ständerat kein taugliches Mittel zur Sicherung der Lebensgrundlagen.
Die kleine Kammer beschloss als Erstrat mit 39 zu 1 Stimme ein Nein zur Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». In der rund dreistündigen Debatte wurde die Initiative als schädlich für die Schweiz und die Wirtschaft kritisiert, aber auch als Angstmacherei, als kolonialistisch und als fremdenfeindlich.
Untauglich für Sicherung der Lebensgrundlagen
Die Gruppe Ecopop verlangt, dass die Netto-Zuwanderung pro Jahr auf höchstens 0,2 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung begrenzt wird, also auf rund 16'000 Menschen. Gleichzeitig will sie in der Verfassung verankern, dass mindestens 10 Prozent der Gelder für die Entwicklungshilfe für freiwillige Familienplanung eingesetzt werden.
Die Mehrheit sah darin kein taugliches Mittel, um – wie es der Titel der Initiative verlangt - die natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern. «Es ist eine Angstmacher-Initiative mit umweltpolitischem Mäntelchen»,sagte Paul Rechsteiner (SP/SG). Die Schuld an den Problemen werde den Einwanderern zugeschoben.
«Die Zersiedelung muss man politisch bekämpfen»
Die Argumentation, wonach mehr Menschen der Umwelt mehr schadeten, stimme nicht, doppelte Anita Fetz (SP/BS) nach. Trotz desBauernsterbens seien die Umweltziele bei Stickstoff, Ammoniak und Phosphor nicht erreicht. «Die Zersiedelung muss man politisch bekämpfen, nicht indem man Ausländer zu Sündenböcken macht.»
Die Initiative spreche wichtige Fragen an, räumte Verena Diener (GLP/ZH) ein. «Aber ihre Lösungsansätze greifen zu kurz.» Besser wäre in ihren Augen eine konsequente ressourcenschonende Politik, etwa mit der Energiewende, der Raumplanung und der Ökologisierung der Landwirtschaft.
Kolonialistische Haltung
Mehrere Redner kritisierten die Forderung der Initianten, zehn Prozent der Entwicklungshilfegelder für freiwillige Familienplanung einzusetzen, als kolonialistische Haltung. Damit Frauen in Entwicklungsländern weniger Kinder hätten, brauchten sie vor allem einen besseren Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung.
Peter Föhn (SVP/SZ) hätte sich einen indirekten Gegenvorschlag auf der Basis der SVP-Zuwanderungsinitiative gewünscht. Damit hätte dem Volk signalisiert werden können, dass etwas gegen die überbordende Zuwanderung unternommen werde. «Bei einer einigermassen guten Umsetzung hätte die Ecopop-Initiative keine Chance beim Volk.»
Der Bundesrat hätte für die anstehenden Verhandlungen mit der EU ein Druckmittel in der Hand gehabt, argumentierte Föhn. «Mit einer derart starren Regelung auf das Verständnis der EU zu hoffen, ist naiv oder fahrlässig», hielt Verena Diener dagegen.
Christine Egerszegi (FDP/AG) warnte davor, mit einem Ja zur Verfassungsänderung ein Zeichen zu setzen - damit hätten schon Befürworter der Minarett-Initiative oder der Ausschaffungsinitiative ihr Ja begründet . «Die Verfassung ist Basis für unsere Gesetze. Wenn wir andauernd Zeichen setzen, vermindern wir ihren Wert.»
Nachhaltigkeitsartikel verletzt
Einziger Befürworter der Initiative im Ständerat war Thomas Minder (parteilos/SH). Er traue es dem Bund nicht zu,die Zuwanderung angemessen zu reduzieren, begründete er seine Haltung. «Die SVP-Initiative wird zu einem Kompromiss führen, der vor allem den Abstimmungsverlierern und der EU gefallen wird.»
Die Ecopop-Initiative dagegen setze einen Deckel und bringe damit einen Ansatz, der der SVP-Zuwanderungsinitiative gefehlt habe. «Mit Nachhaltigkeit hat unser gegenwärtiges Einwanderungssystem nichts zu tun», kritisierte er. Mit der Überbauung und der Zersiedelung werde der Nachhaltigkeitsartikel in der Bundesverfassung verletzt.
Gegen Ungültigkeitserklärung
Eine Minderheit – vor allem aus Mitgliedern der CVP-Fraktion - hätte die Initiative für ungültig erklären wollen, weil diese die Einheit der Materie verletze. «Ich sehe nicht ein, was die Begrenzung im Inland mit der Begrenzung des Wachstums in Entwicklungsländern zu tun hat», begründete dies Sprecher Urs Schwaller (CVP/FR). Der Antrag wurde mit 29 zu 11 Stimmen abgelehnt.
Zahlreiche Votanten und auch Justizministerin Simonetta Sommaruga warnten vor einer Verzögerung durch eine Ungültigkeitserklärung. Die Abstimmung hinauszuschieben und damit weitere Unsicherheit sei sicher nicht hilfreich, sagte Sommaruga mit Verweis auf die aufgenommenen Arbeiten für die Umsetzung der SVP-Initiative.
Hinter der Initiative steht die Vereinigung Umwelt und Bevölkerung, kurz Ecopop. Die Gruppierung bezeichnet sich als Umweltorganisation, die sich mit Fokus auf die Bevölkerung für die Erhaltung der «Lebensgrundlagen und die Lebensqualität in der Schweiz und weltweit» einsetzt. Die Ecopop-Initiative wurde im November 2012 mit knapp 120'000 gültigen Unterschriften eingereicht.
SDA/mrs
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