Obamas riskantester Entscheid
Alles oder nichts. US-Präsident Barack Obama entschied sich bei der Bin-Laden-Operation für Bodentruppen – die gefährlichste Option. Vieles hätte schiefgehen können.
Der US-Einsatz zur Tötung Osama Bin Ladens barg unwägbare Risiken - ein Blutbad unter Zivilisten beim nächtlichen Zugriff auf den Al-Qaida-Chef schien in der Retrospektive genauso möglich wie amerikanische Todesopfer oder eine Gefangennahme der Spezialeinheit der Navy Seals.
Nun gilt die nach dem Militärhandbuch verlaufene Operation nach Ansicht von Beobachtern als sicherheitspolitischer Coup, für den der zuletzt angeschlagene US-Präsident Barack Obama das grösstmögliche Risiko einging – und dafür nun mit einem Popularitätsschub belohnt wird.
Gewinnen oder verlieren – so lautete die Gefechtslage nach Obamas Entscheidung, US-Spezialeinheiten in den Rückzugsort Bin Ladens im souveränen Staat Pakistan zu entsenden. Es war eine Entscheidung, die der US-Präsident nach eingehender Prüfung im nationalen Sicherheitsstab traf.
Verschiedene Einsatzpläne seien «innerhalb des Stabs debattiert worden», erklärt John Brennan, Anti-Terror-Chef im Weissen Haus. «Der Präsident wollte letztendlich aber sicher gehen, dass er jeden Standpunkt gehört hat», sagt er.
«Da gehen Dinge schief»
«Wenn man sich auf eine derartige Mission begibt, gibt es keine Garantien», erklärt Dick Couch, der während des Vietnamkrieges in Diensten der Navy Seals stand. «Man stochert im Nebel des Krieges. Da gehen Dinge schief, die man nicht wirklich im Blick hatte oder planen konnte.»
Couchs Liste der Unwägbarkeiten ist lang. Was, wenn der Al-Qaida-Chef schlicht nicht da gewesen wäre? Oder der Kommandoeinheit erbitterter Widerstand entgegengeschlagen wäre, von der Gefahr versteckter Sprengsätze ganz zu schweigen? Oder wenn die US-Spezialkräfte von pakistanischen Regierungstruppen entdeckt und angegriffen worden wären? «Sie müssen vorausplanen und so viele dieser Eventualitäten wie nur möglich in Betracht ziehen», fügt Couch den Fragen in einem Telefoninterview vom Dienstag hinzu. «Aber ein Restrisiko bleibt immer.»
Bodentruppen gefährlichste Option
Obama wählte schliesslich die wohl militärisch und politisch gefährlichste Option, um Bin Laden auszuschalten – den Einsatz von Bodentruppen. Zwar hätte ein Luftangriff wie jener im Juni 2006, bei der der Al-Qaida-Chef im Irak, Abu Musab al-Zarqawi, getötet wurde, schnell ausgeführt werden können, jedoch auch schwerwiegende Unzulänglichkeiten mit sich gebracht. So hätte man etwa einen Ausfall des Flugzeugträgers, zahlreiche zivile Opfer oder eine unzureichende Identifizierung des gesuchten Al-Qaida-Chefs in Kauf nehmen müssen.
Ausserdem wusste Obama, dass alles andere als eine erfolgreiche Mission schwere Konsequenzen nach sich ziehen würde – etwa eine weitere Belastung der ohnehin schon angespannten Beziehungen zu Pakistan. Dabei ist Washington im Kampf gegen Terroristen, die sich in die Grenzregion zu Afghanistan zurückgezogen haben, auf die Unterstützung Islamabads angewiesen.
Operation entscheidend für Präsidentschaft
Aber auch der Erfolg des Bodeneinsatzes war kein Selbstläufer. Elite-Einheiten in Helikoptern nach Abbottabad zu bringen und in eine direkte Auseinandersetzung zu schicken, bedeutete, US-Soldaten einer tödlichen Gefahr auszusetzen. Ausserdem hätten auch streng geheime Informationen über die minutiösen Planungen und Trainingseinheiten nach aussen dringen und den Erfolg der Mission gefährden können.
Auf der anderen Seite lagen die Vorteile eines Bodeneinsatzes auf der Hand. Es war um einiges einfacher, Bin Laden zu identifizieren – und dabei die Gefahr zahlreicher ziviler Opfer zu verringern.
Für Obama dürfte bei allen Erwägungen auch klar gewesen sein, dass diese Mission den weiteren Verlauf seiner Präsidentschaft entscheidend prägen würde.
Lolita C. Baldor/ dapd
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