In Leichtathletikforen wird seine Starttechnik besprochen (gute Haltung, sehr explosiv), Experten des American Football loben seine Talente (wendig, fantastisches Auge), gar der beste Basketballspieler der Welt, LeBron James, schwärmt von ihm («Sheeeesh, eindrücklich»). Einen Nicknamen hat er auch schon, «Blaze the Great». Andere nennen ihn den nächsten Usain Bolt. Es geht um Rudolph Ingram, der Junge ist sieben. Sieben!
Dieser Siebenjährige sprintet gerade viral um die Welt, er läuft 100 Meter in 13,48 Sekunden – der Weltrekord in seinem Alter liegt gemäss «Guardian» bei 13,46 Sekunden. Es gibt ein Video eines seiner Rennen. Es sieht aus wie eine Montage. Startschuss, und die anderen Kinder bleiben an der Startlinie kleben, Rudolph aber zieht davon, wie von einer imaginären Schnur ins Ziel gezogen. Gepard gegen Schnecken. Faszinierend. Fantastisch. Phänomenal. Alles gut, oder?
Hinter dem Junior steht der Senior
Nun, der Junge hat einen Instagram-Account, darauf zeigt er sein Sixpack, darauf sind seine Schulnoten zu sehen (natürlich top), Rudolph junior beim Sonnen, Rudolph junior beim American-Football-Training. In der Kurzbeschreibung steht unter anderem: «Siebenjährig. 100-Meter-Champ. 13,48. Fitnessmodell.»
Klingt alles siebenjährig? Natürlich nicht. Es wirkt erwachsen und so kalkuliert – es wird einem mulmig zumute. Nicht Rudolph, der Junior, führt die Instagram-Site mit aktuell 391'000 Abonnenten – es ist der Vater. Rudolph senior erzählt: «Ich kann ihm alle Werkzeuge geben, um grossartig zu sein, doch sein Antrieb und seine Arbeitsethik setzen die Messlatte so viel höher.»
Mit Vaters Drang, dass all diese Grossartigkeiten öffentlich werden, ist Rudolph bekannt geworden. Die «Washington Post» berichtete, «USA Today», die «New York Post». Der Vater erzählt auch, er habe noch nie ein Training, ein Spiel seines Sohnes verpasst. «Er ist ein Superstar für alle. Mein Baby», sagt er und möchte, dass der Junior einmal in der NFL spielt, der National Football League. Falls es denn der Junior so möchte.
Eine Kindheit voller Erwartungen und Druck
Wenn Väter mit ihren Kindern arbeiten, ist der Vorwurf der Kinderarbeit, der Projektarbeit, der Fremdbestimmheit nicht weit. Wie weit darf das Kind selbst entscheiden? Wie weit gibt ihnen der Vater das Leben vor? Dieser Vorwurf kam bei der Klimaaktivistin Greta Thunberg auf, es gibt ihn auch bei Ryan, einem Siebenjährigen, der auf seinem Youtube-Kanal Spielwaren testet und damit jährlich 22 Millionen Dollar verdient. Und dieser Vorwurf drängt sich vor allem auch bei jungen Sportlern wie Rudolph auf.
Besonders irritierend: Noch vor ein paar Jahren ging der Hype um diese angeblichen Supertalente des Sports in einem Alter von 13 oder 14 los. Es gab den amerikanischen Fussballer Freddy Adu, der von allen gefeiert, von allen als der nächste Grosse angekündigt wurde. Er fiel gnadenlos durch. Nun beginnt dieses voyeuristische Erwarten von Grosstaten bei Siebenjährigen. Bis Rudolph junior ausgewachsen und ausgereift ist, vergeht noch mindestens ein Jahrzehnt. Ein Jahrzehnt voller Erwartungen, Druck und professionellen Trainingsplänen. Oh, du schöne Kindheit.
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Oh, du schöne Kindheit
Der siebenjährige Rudolph Ingram läuft 100 Meter in 13,48 Sekunden. Um den Amerikaner ist ein Hype ausgebrochen.