Online die Korruption beim Bund bekämpfen
Whistleblower können jetzt im Internet auf Missstände hinweisen. Die Bundesverwaltung erhofft sich 30 Prozent mehr Meldungen.

Erst seit Donnerstag ist die neue Whistleblowing-Plattform der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) in Betrieb, aber bereits haben schon mehrere Personen Missstände gemeldet. Das lässt Vizedirektor Eric-Serge Jeannet hoffen, dass künftig mehr Bundesangestellte auf Unregelmässigkeiten, Korruption oder andere illegale Handlungen in der Verwaltung aufmerksam machen werden. Seit 2011, als die Finanzkontrolle die Funktion als Whistleblowing-Anlaufstelle übernahm, schwankte die Zahl der Meldungen zwischen 61 und 87 Fällen pro Jahr.
Offenbar war die Hemmschwelle für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bislang zu hoch. Nur ein Drittel der Meldungen kam in den vergangenen Jahren aus der Verwaltung selber. Die übrigen Whistleblowerinnen und Whistleblower waren Private, also Aussenstehende wie Lieferanten, Kunden sowie Steuerzahler.
Etwa 30 Prozent mehr Meldungen könnten nach Einschätzung Jeannets dank der neuen Plattform bei der Finanzkontrolle eingehen. Dank dieser ist es nicht mehr möglich, die Whistleblower ausfindig zu machen. Alle Informationen werden durch Algorithmen verschlüsselt und in einer speziell geschützten Datenbank in der Schweiz gespeichert.
Zugriff auf die Plattform haben lediglich vier Personen der Finanzkontrolle – der Vizedirektor sowie drei Personen des Rechtsdiensts. Gibt ein Whistleblower auf der Plattform an, dass er anonym bleiben will, werden nicht einmal diese vier Personen wissen, um wen es sich handelt. Die Finanzkontrolle kann aber Kontakt mit ihm aufnehmen und ihm Fragen stellen, was bisher nicht immer möglich war. Und die Plattform bringt noch einen anderen Vorteil mit sich: Sämtliche Meldungen sind wie in einem Logbuch festgehalten. Der ganze Fall kann damit verfolgt werden und schützt auch die Whistleblower.
Eric-Serge Jeannet hofft, dass mit der neuen Online-Plattform die Hemmschwelle sinkt, Missstände zu melden. Wie er beobachtet, haben manche Hemmungen, sich zu melden, weil sie sich als Verräter, als Denunzianten fühlen. «Dabei helfen uns die Meldungen, die Arbeit der Verwaltung zu verbessern.» Viele Bundesangestellte schätzen es auch, wenn sie bei einer externen unabhängigen Stelle ihre Beobachtungen deponieren können. «Manche beobachten bei der Arbeit fast tagtäglich, dass etwa Regeln nicht befolgt werden, und machen die Faust im Sack.» Jeannet möchte deshalb dieses negative Bild von Whistleblowern durchbrechen.
Die Angestellten des Bundes sind durch das Bundespersonalgesetz verpflichtet, Unregelmässigkeiten in der Verwaltung zu melden. Das Gesetz schützt sie im Gegenzug vor einer Kündigung.
60 Prozent aller Meldungen sind nützlich
Whistleblower haben bereits viele Hinweise geliefert, mit denen die Arbeit der Verwaltung verbessert oder Missstände behoben werden konnten: 60 Prozent aller Meldungen haben sich als nützlich erwiesen. Die meisten Whistleblower melden Fälle, bei denen sich Vorgesetzte nicht korrekt verhalten oder nicht effizient arbeiten. An zweiter Stelle stehen Unregelmässigkeiten bei der Beschaffung, etwa wenn die Konkurrenz ausgeschaltet und die Aufträge einem bestimmten Lieferanten zugeschanzt werden. An dritter Stelle kommen Meldungen wegen Mobbings oder zwischenmenschlicher Probleme. Handelt es sich um Einzelfälle, werden sie der Mobbingstelle oder der Personal- und Sozialberatung weitergegeben.
Es gibt aber durchaus auch Angestellte, die sich nicht melden, weil sie Angst haben, ihre Stelle zu verlieren. Das glaubt auch Jeannet. So wurde zum Beispiel einem der Whistleblower bei der Affäre um die Zentrale Ausgleichsstelle in Genf gekündigt, was er im «Tages-Anzeiger» öffentlich machte. Laut Jeannet verfolgt die Finanzkontrolle jedoch sehr genau, was mit Whistleblowern geschieht: Im Fall um die Ausgleichsstelle hätten abgesehen von diesem einen Whistleblower alle ihre Stelle behalten; beim gekündigten Mitarbeiter hätten noch andere Gründe hineingespielt.
«Wir passen auf, dass wir uns nicht instrumentalisieren lassen.»
Nur: Steigt mit der absoluten Anonymität nicht auch das Risiko, dass Leute, die sich nichts zuschulden kommen lassen haben, von jemandem vorsätzlich belastet werden? Die Finanzkontrolle prüft die Meldungen genau, wie Jeannet sagt: Sie schaut, ob sie plausibel sind, sich mit anderen Erkenntnissen der Finanzkontrolle decken und ob bereits andere Hinweise zum selben Fall eingegangen sind. «Wir passen auf, dass wir uns nicht instrumentalisieren lassen und objektiv bleiben.»
Verschiedene Meldestellen konkurrenzieren
Die Meldestelle der Finanzkontrolle ist jedoch nicht die einzige in der Bundesverwaltung: Auch die Armee, das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse), das Bundesamt für Strassen (Astra) und das Aussendepartement (EDA) betreiben eine. Nach Ansicht von Jeannet schwächen mehrere sich konkurrenzierende Stellen aber die offizielle Meldestelle, jene der Finanzkontrolle; gemäss Gesetz sollte es in der Bundesverwaltung nur diese eine geben. Seiner Meinung nach brauche es nur jene des Aussendepartements, welche Meldungen aus dem Ausland entgegennimmt. Dafür arbeiten die beiden Stellen zusammen.
Jeannet kritisiert insbesondere jene der Armee: Von aussen könne man auch den Eindruck bekommen, dass sie ihre schmutzige Wäsche lieber selber wäscht. Und: «Wer will sich nach Aussagen wie jenen des früheren Armeechefs André Blattmann noch dort melden?» Blattmann hat den Whistleblower, der die Medien über die Missstände bei der Beschaffung der bodengestützten Luftabwehr (Bodluv) informierte, öffentlich einen Verräter genannt, den man zur Schlachtbank führen sollte.
In dieser Sache will Jeannet noch Gespräche mit der neuen Armeespitze führen. Er möchte, dass andere Meldestellen mehr als Beschwerdestellen fungieren und kleinere Vorfälle, Unstimmigkeiten zum Beispiel, selber behandeln. Alle wesentlichen Fälle sollen sie der Finanzkontrolle durch einen Hinweis und einen Link auf ihren Internetseiten weitergeben. «Es ist besser, wenn eine externe und unabhängige Stelle diese bearbeitet», findet Jeannet.
Bei der Armee indessen sieht man keinen Anlass, an der heutigen Situation etwas zu ändern, wie ihre Sprecherin Delphine Allemand sagt: «Unsere Meldestelle sieht sich als Partnerin zu jener der Finanzkontrolle und nicht als Konkurrentin.» Die Armee informiere ihre Mitarbeiter klar darüber, dass ihnen zwei Meldestellen zur Verfügung stünden. Sie hätten freie Wahl, wo sie sich melden wollten. Nach Ansicht der Armee stärken die zwei sich ergänzenden Stellen das Instrument des Whistleblowings und schwächen es nicht. Zu den übrigen Aussagen Jeannets wollte Allemand keine Stellung nehmen.
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