Präsidentschaftswahlen in der TürkeiOpposition wirft Erdogan Verfassungsbruch vor
Der türkische Präsident strebt eine dritte Amtszeit an. Dabei erlaube die Verfassung dies nicht, argumentiert das Oppositionsbündnis.

Die Türkei soll wieder ein funktionierender Rechtsstaat werden, mit einem gestärkten Parlament, aber ohne einen allmächtigen Präsidenten. Dies ist das zentrale Versprechen der türkischen Opposition, die sich erstmals zu einem 6-Parteien-Bündniszusammengeschlossen hat, um bei der Parlaments- und Präsidentschaftswahl am 14. Mai die regierende konservativ-islamische AKP von Präsident Recep Erdogan zu besiegen. «Unser Hauptziel ist es, die Türkei zu einem glücklichen Land zu machen, in dem jeder ein menschenwürdiges Leben führt», heisst es in dem am Montag veröffentlichten 240 Seiten langen Wahlprogramm.
Erdogan regiert mit der von ihm gegründeten AKP seit 20 Jahren, zuerst als Premier und seit 2014 als Staatspräsident. Eine Verfassungsänderung gab ihm in seiner zweiten Amtszeit ab Juli 2018 fast uneingeschränkte Macht. Diese Änderung des türkischen Regierungssystems möchte die Opposition nach einem Wahlsieg rückgängig machen.
Spitzenkandidat gesucht
Den Kandidaten, mit dem sie Erdogan herausfordern will, hat sie allerdings noch nicht benannt. Dies soll nach den Worten von Kemal Kilicdaroglu, dem Vorsitzenden der grössten Oppositionspartei, der säkularen CHP, am 13. Februar geschehen. Der 74-jährige Kilicdaroglu gilt selbst als möglicher Bewerber, auch wenn Umfragen dem deutlich jüngeren Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu bessere Chancen einräumen.
Den 52-jährigen Oberbürgermeister hat die Justiz aber mit einer Gefängnisstrafe wegen angeblicher Beamtenbeleidigung im Dezember aus dem Rennen geworfen. Imamoglu hatte 2019 die Kommunalwahl in Istanbul spektakulär gewonnen, nach einem Vierteljahrhundert konservativer Herrschaft in der 16-Millionen-Metropole.
Erdogan ist nicht mehr unbesiegbar
Die Opposition hat damals auch die Millionenstädte Ankara, Izmir und Antalya erobert. Seitdem gilt Erdogan nicht mehr als unbesiegbar. Streit gibt es darüber, ob Erdogan überhaupt noch einmal antreten kann, für eine dritte Amtszeit. Nach der Verfassung sind nur zwei erlaubt. Erdogan stellt sich auf den Standpunkt, dass mit der Einführung des Präsidialsystems und seiner Wahl 2018 «die Stoppuhr auf null gestellt wurde», wie er bei einer Veranstaltung am Wochenende sagte. Damit sei für ihn das Limit noch nicht erreicht.
Die Opposition hält dagegen, die Verfassung sei «eindeutig». Erdogan könne kein drittes Mal antreten. Man werde den Obersten Wahlrat anrufen, sagte Kilicdaroglu, fügte aber hinzu, die Anträge würden von der Wahlaufsicht bestimmt nicht angenommen. «Jeder, der bei klarem Verstand ist, weiss, dass die Justiz aufgehört hat, eine Judikative zu sein.»
Junge wollen eine neue Regierung
Nach einer von der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet» veröffentlichten Umfrage wünschen sich gut zwei Drittel der Jungwählerinnen und Jungwähler einen neuen Präsidenten. 6,5 Millionen der 64 Millionen Wahlberechtigten sind im Mai erstmals an die Urnen gerufen. Die Wahlen finden in einer tiefen Wirtschaftskrise statt, die hohe Inflation belastet vor allem Türkinnen und Türken mit niedrigem Einkommen, traditionell eher Wähler der AKP. Jüngst hat die Regierung bereits den Mindestlohn kräftig erhöht, Supermarktketten zu Preissenkungen gezwungen und eine Teil-Steueramnestie versprochen.
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